Nassbaggerunternehmen Jan de Nul

In der Bucht von Capellen

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2011

Geich neben der Autobahn, hinter dem großen Möbelhaus, liegt sie, die Bucht von Capellen. Hier wird das Nassbaggerunternehmen Jan de Nul (JDN) Mitte Februar seinen neuen Firmensitz einweihen. Gleich nebenan bietet die Firma Magellan Management and Consulting Rundum-Finanzdienstleistungen für Superyachten an. Etwas weiter Richtung belgische Grenze hat sich die Nassbaggerkonkurrenz von von Dredging International der Gruppe DEME niedergelassen.

Rund 30 Millionen Euro hat sich Jan de Nul den neuen Firmensitz mit einer Fläche von 5 000 Quadratmetern – Privatkino inklusive – kosten lassen. Damit signalisiert die ursprünglich belgische Firma: Es gibt eine Adresse, nicht nur einen Briefkasten. „Hier können wir jetzt Kunden empfangen“, sagt Johan Van Boxstael, Finanzchef der Gruppe Jan de Nul. Das Familienunternehmen, das neben der Nassbaggerdivision in Belgien auch große Bauprojekte von der Konzeption bis zur Ausführung begleitet und eine Umweltsparte betreibt, die auf die Abwasserbehandlung und die Sanierung von kontaminierter Erde spezialisiert ist, ist endgültig in Luxemburg angekommen.

Doch was macht ein Unternehmen, das eine Flotte hochspezialisierter Arbeitsschiffe betreibt, ausgerechnet in Capellen? „Das läuft auf die Frage hinaus, weshalb ein Land wie Luxemburg überhaupt ein Marineregister hat“, wirft Van Boxstael ein. „Wir sind in Luxemburg, weil es hier maßgeschneiderte Lösungen gibt.“ Ihm fallen viele gute Gründe ein.

Vor 15 Jahren, 1995, gründete JDN die erste Firma in Luxemburg, genauer in Steinfort; das war die Voraussetzung dafür, ein Schiff im Luxemburger Marine-Register anmelden zu dürfen. Schon im Jahr darauf beschäftigte Dredging and Maritime Management (DMM) zwei Mitarbeiter in Luxemburg, zwei Schiffe waren registriert. „Jedes Jahr haben wir die Aktivitäten ein wenig ausgebaut. Jan de Nul hat viel in neue Schiffe investiert. Diese Investitionen wurden über die Luxemburger Firma getätigt und die Schiffe hier angemeldet“, so Van Boxstael.

Doch zu den „maßgeschneiderten Lösungen“, die er lobt, gehören nicht nur die günstigen steuerlichen Bedingungen, auf die investierende Firmen Anspruch haben. „Hier kann man noch Botschaften vermitteln“, sagt JDN-Manager David Lutty. Vor allem der für das Marineregister zuständige Wirtschaftsminister Jeannot Krecké (LSAP), der sich bei Wirtschaftsmissionen gerne die Baustellen von Jan de Nul, wie beispielsweise die Palminsel vor Dubai ansieht, habe für die Anliegen der Schifffahrtsunternehmen ein offenes Ohr.

Wo die hiesigen Unternehmerverbände immer wieder beschwerliche und lange Prozeduren beklagen, sind die Mitarbeiter von Jan de Nul Schlimmeres gewohnt. Für das rund um den Globus tätige Unternehmen sind greifende Doppelbesteuerungsabkommen von besonderer Wichtigkeit. „Vor zwölf Jahren hat Belgien mit Katar (wo JDN das Flüssiggasverladeterminal von Ras Laffan ausgebaut hat, Anmerkung der Redaktion) Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen begonnen. Das ist bis jetzt nicht ratifiziert“, geben Van Boxstael und Lutty zu bedenken. Und: Gibt es kein gültiges Abkommen, müsse in Belgien auch wer schon im Ausland Steuern bezahlt hat, noch einmal zur Kasse treten, anstatt, dass ihm wie in Luxemburg ein Steuerkredit gutgeschrieben werde.

Was nach der internationalen Steuerparadiesdebatte für viele nach unmoralischen Steueroptimierungsmethoden klingt, ist für das im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen eine Notwendigkeit. Denn die Hauptkonkurrenten auf dem Weltmarkt für Nassbaggerarbeiten, der von einer Handvoll Firmen dominiert wird, stammen unter anderem aus den Niederlanden. Die haben zwar nicht den Ruf einer Steueroase, sind aber dennoch sehr darum bemüht, moralischen Personen attraktive fiskalische Bedingungen zu bieten. Doch ein Umzug in die Niederlande, zur Konkurrenz, kam nicht in Frage, deutet Van Boxstael an.

Das belgische Familienunternehmen entschied, den Firmensitz nach Luxemburg zu verlegen. Seither, so sieht es Lutty, „ist der administrative Sitz in Luxemburg und die technische Zentrale, wo auch Maschinen und Material gelagert werden, im belgischen Aalst“. „Wir wollen immer mehr Substanz hier haben“, so Van Boxstael. So hat JDN die Buchhaltung der Firma in Luxemburg zentralisiert, wie auch die Kassenführung, Treibstoff- und Devisen-Hedging inklusive. Auch die Buchhaltung der Gruppen-Holding wird hier gemacht. „Wir haben enge Beziehungen zu einigen Banken“, erklärt Van Boxtael, räumt aber ein, dass es am auf Investmentfonds und Private Banking ausgerichteten Finanzstandort Luxemburg nach wie vor schwer sei, Kredite für den Flottenbau zu organisieren. Das liegt auch an den hohen Summen. Innerhalb von sechs Jahren hat JDN 2,5 Milliarden Euro in die Konstruktion neuer Schiffe investiert. Dabei vertraut JDN am liebsten sich selbst. Die Baupläne werden von den eigenen Ingenieuren gezeichnet. Werden die Schiffe aus dem Dienst genommen, werden sie verschrottet. „Wir wollen nicht, dass uns jemand mit unseren eigenen Schiffen Konkurrenz macht“, macht Van Boxtael deutlich. „Ein solches Schiff kostet bis zu 250 Millionen Euro. Über solche Beträge kann die Geschäftsleitung in den Luxemburger Filialen nicht entscheiden, das geschieht in den Zentralen im Ausland.“

Doch weil JDN mit seiner Flotte nach Luxemburg umgezogen ist, ist der Versicherungsbroker dem Kunden gefolgt, die Verträge, werden in Luxem­burg abgeschlossen. Denn auch wenn die Bargen und Hilfsschiffe auf Mauritius angemeldet sind: Die großen Arbeitsschiffe, darunter die Cristóbal Colón, ein Trailing Suction Hopper Dredger, also ein mit schwebendem Saugkopf ausgestattes Schiff, und die J.F.J. De Nul, die mit ihrem Fräskopf Gesteinsbrocken zermalmt, bevor sie aufgesaugt werden, JDN zufolge die leistungsfähigsten ihrer Art überhaupt, fahren unter Luxemburger Flagge. „Sind die Papiere bereit, kann man ein neues Schiff innerhalb von einem Tag anmelden“, lobt Lutty den Service beim Marineregister. Dass das Kommissariat zur technischen Prüfung der gemeldeten Schiffe externe Expertenbüros anerkennt, die ohnehin an jedem großen Hafen eine Niederlassung haben und dafür anders als beispielsweise die belgischen Behörden, keine eigenen Beamten entsendet, bewerten sie als Vorteil einer Luxemburger Beflaggung.

„Das ist Gratiswerbung“, zitiert Van Boxstael stolz und lachend Großherzog Henris Worte beim Anblick eines mit dem Roude Léiw beflaggten JDN-Schiffes, das er im Rahmen einer Wirtschaftsmission besuchte. „Wir bringen als Firma ja auch Substanz in diese Missionen und geben dem Commissariat aux Affaires maritimes (CAM) eine gewisse Glaubwürdigkeit.“ Damit ist die Firma nicht mehr allein. Zwar stellt Jan de Nul mit 40 Schiffen den größten Anteil der beim CAM registrierten Handelsflotte von 210 Seefahrzeugen. Doch im Branchenverband, dem Cluster maritime luxembourgeois, ist neben dem Konkurrenzunternehmen DEME, beispielsweise auch die auf den Fähr- und Frachttransport spezialisierte belgische Firma Cobelfret Mitglied. Das französische Unternehmen Bour­bon, das der Öl- und Gasindustrie seine Hochseedienstleistungen anbietet, hat ebenfalls eine ganze Reihe von Schiffen im Luxemburger Register angemeldet.

Die Aktivitäten von JDN in Luxemburg beschränken sich – auch ohne Meer – nicht nur auf finanzielle Aspekte. Die Koordination der Baustellen in Europa, Afrika und Lateinamerika – zum Beispiel der Ausbau des Panama-Kanals – wird von Capellen aus gesteuert, die dafür zuständigen 60 Mitarbeiter sind aber nur selten im Luxemburger Büro. Die Einteilung der Schiffsmannschaften wird ebenfalls dort geplant – was wegen der Distanz zu den ausländischen Botschaften, wenn Visa gebraucht werden, nicht immer ganz einfach sei –, auch Seeleute sind in Luxemburg angemeldet. Rund 350 an der Zahl, müssen die Offiziere „auf Geheiß von Herrn De Nul“, regelmäßig in Luxemburg zum Kapitänstreffen der Firma antreten. In Zukunft, wenn die Infrastruktur im noch brandneuen Gebäude dafür fertig eingerichtet ist, müssen sie auch zum Simulator-Training nach Capellen kommen. „Die Bildschirme gaukeln dem Auge vor, man befinde sich auf See“, erklärt Lutty. Dann müssen die Offiziere auf einer nachgeahmten Kommandobrücke unter allen möglichen Wetterbedingungen das Navigieren, wie auch die Bedienung der Instrumente für die Ausführung der Baggerarbeiten mit den von der Firma entworfenen Schiffen üben. „Damit unter allen Bedingungen effizient gearbeitet werden kann“, unterstreicht Van Boxstael. Ein bisschen Hochsee in Capellen eben.

Michèle Sinner
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