Kommt Google nach Luxemburg oder nicht? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Schlagzeilen der Tageszeitungen diese Woche. In Expertenkreisen ist die Freude, sollte der Internetriese kommen, zumindest geteilt: Denn neben der noch ungeklärten Frage, ob ein ausreichend großes Grundstück gefunden werden kann, ist unklar, wie attraktiv, wie gut vorbereitet Luxemburg als IT-Standort ist. Um sich als solcher nachhaltig zu etablieren, werden händeringend IT-Fachkräfte gesucht.
Dass der Bedarf an Programmierern, Software-Entwicklern, IT-Sicherheitsexperten enorm ist, wissen die politisch Verantwortlichen nicht erst seit heute. Bei seiner Vorstellung der Sekundarschulreform vor zwei Wochen betonte Schulminister Claude Meisch (DP), wie wichtig die Digitalisierung gerade für die Schule sei. Ab Herbst soll eine Sektion für Informatik und Kommunikation im Classique an den Start gehen, es sind Tablet-Klassen geplant, in mehreren Lyzeen wurden so genannte Maker spaces eingerichtet, in denen technikaffine Jugendliche sich ausprobieren können.
Die punktuellen Aktionen reichen aber nicht, um die Schule, wie es die DP verspricht, ins 21. Jahrhundert zu führen. Das Bild ist schief: Tatsächlich müssen unsere Schulen in Sachen Medienkompetenz nachsitzen. Denn während Smartphone, Laptop, Apps in Arbeitswelt und Gesellschaft Einzug halten, werden an Schulen Handyverbote diskutiert und können (wollen?) sich manche Lehrer gar nicht vorstellen, was es heißt, digitales Lernen im Unterricht umzusetzen.
Es ist nicht so, dass es an Angeboten fehlt: Programme, wie die interaktive mehrsprachige Lernplattform MathemaTIC zeigen, wie Rechnen und Medienkompetenz sinnvoll verbunden werden können. Toller Nebeneffekt: Den Schülern, von denen viele den Lehrern in Sachen IT-Kenntnisse mehr als nur eine Nasenlänge voraus sind, macht das Lernen Riesenspaß. Ähnliches gibt es, wenngleich nicht in drei Sprachen, für andere Fächer. Wer will, kann Aufgaben auf Online-Plattformen lösen, kann Apps zum Lernen und Recherchieren nutzen. In manchen Klassen geschieht das, aber es bleibt den Schulen selbst überlassen, wie weit sie Methodik und Didaktik auf IT einstellen. E-Skills als einen Punkt im Rahmen der Schulentwicklungspläne vorzuschreiben, ist ein notwendiger Schritt, Schulen auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu verpflichten. Damit daraus eine regelrechte Digital Learning Strategy wird, müssen aber mehr Partner ins Boot: Die Grundschulen, die Kommunen müssen die Bedeutung von Smartphone und Laptop ernstnehmen, Lehrpläne und Unterricht stärker danach ausrichten. Programmieren ist keine Spezialisierung nur für Teenager, sondern kann, dass zeigen Projekte im Ausland, von Kindesbeinen an erlernt werden, ohne deshalb sozial verkümmerte Nerds zu erziehen. Dringend geboten ist zudem ein verantwortungsvoller, kritischer Umgang mit World Wide Web und den sozialen Medien. Was es bedeutet, wenn Menschen echte Nachrichten nicht von unterscheiden, kann man an den Wahlen in den USA und am Brexit ablesen. Die Herausforderung ist gewaltig, die Schulen hinken hinterher, geradeso wie die Bildungspolitik. Sie hat zwar viele Projekte auf die Schiene gesetzt, aber wer sich durch die Online-Präsentationen klickt, merkt schnell, dass viele extrem schwerfällig zu bedienen oder mit Bleiwüsten überfrachtet sind. Oder ihre Inhalte werden nicht aktualisiert und enden im Nichts, weil sie für ein punktuelles Event geschaffen wurden und sowieso eher für die Galerie gedacht waren. Was unterm Strich herauskommt, ist ein Flickenteppich, aber keine koordinierte Strategie, die eines IT-Standorts würdig wäre. Ausländische Internetfirmen, die sich hier ansiedeln wollen, werden dann gezwungen sein, Personal weiterhin vorrangig aus dem Ausland zu rekrutieren.
Fernand Entringer, Lucien Bertrand, Chantal Mertens
Kategorien: Bildungspolitik
Ausgabe: 23.06.2017