Chris Maas

Spielen, spielen, spielen

d'Lëtzebuerger Land vom 20.01.2012

Chris Maas fällt inmitten der Kundschaft der Milk Bar, einer überaus rockigen Coffee Bar im Londoner Stadtteil Soho, kaum auf. Bei der Arbeit ist der 26-Jährige jedoch oft der Lauteste: Chris arbeitet seit rund sechs Jahren als professioneller Session-Schlagzeuger im Studio und auf der Bühne. 2006 packte er seine Koffer und begann das Abenteuer in London, wo er sich für ein Bachelor-Studium in Popular music an der Tech Music School entschied. Damals schon war Chris zielstrebig. „Ich kam nach London mit der Idee im Hinterkopf, dort auch zu arbeiten. Meine Eltern aber dachten sich wohl, dass ich dort mein Studium abschließe und dann zurück nach Luxemburg komme und unterrichte“, schmunzelt er. Sein Ziel erreichte er jedoch relativ schnell, denn Arbeit erhielt Chris bereits während seines Studiums. „Im zweiten Jahr fing ich an hier und da zu jammen und landete meine erste große Session.“ Er begleitete damals Rapper Example, der auf Mike Skinners (aka The Streets) Label The Beats unter Vertrag war. Am Ende begleitete Chris The Streets sogar auf ihrer Tournee.

Gelegenheiten wie diese ließ sich der Schlagzeuger kaum entgehen. „Ich verpasste wegen den Touren Kurse und auch einige Examen. Weil die Schule mich ja sowieso auf ein Leben als Berufsmusiker vorbereiten sollte, erlaubte man mir, eine Auszeit zu nehmen und mein Studium später fortzusetzen“, erinnert sich Chris, der als kleiner Junge seinen Vater, einen Hobbyschlagzeuger in der Bartringer Dorfmusik, bewunderte. „Nachdem ich im Gap Year jedoch bei vier bis fünf Tourneen mitgespielt hatte, gab mir das die Gewissheit, dass ich mir diesen Traum wirklich erfüllen könnte“, strahlt der Schlagzeuger. Doch Chris ruhte sich nicht auf den Lorbeeren aus, ganz im Gegenteil. „Ich sah, dass man mich als Hip-Hop-Schlagzeuger abstempelte, und das wollte ich nicht.“ Deshalb wurde er in der Londoner Folk-Rock-Szene aktiv. Mit 23 versuchte er es mit seinen eigenen Songs. „Mit ein paar Freunden gründete ich die Band Cherbourg. Es lief super und wir spielten vor ausverkauften Hallen hier in London“, schwärmt der Schlagzeuger, der auch Gesang in der Band beisteuerte. Leider scheiterte Cherbourgs Zukunft an der ausbleibenden Finanzierung, denn Labels waren zu dieser Zeit weniger risikofreudig.

„Wenigsten kann man sich später nie vorwerfen, es nicht versucht zu haben!“, lautet Chris’ Fazit. Das musikalische Leben ging natürlich weiter, auch wenn der Traum von der eigenen Band vorerst gescheitert war. Mit den Musikern der Band ist Chris heute noch eng befreundet, und als Ex-Cherbourg-Bassist Kevin Jones mit Mumford [&] Sons’ Ben Lovett Communion, eine Art Platform für aufstrebende Künstler gründete, mischte Chris aktiv mit. Bald saß er bei Mumford [&] Sons’ Kollaboration mit der Kinks-Legende Roy Davies im ausverkauften Hammersmith Appollo hinter dem Schlagzeug. Später nahm er mit denselben Musikern eine Live-Session in der BBC-Show Later with Jools Holland auf. Nach Sessions mit Künstlern wie Mumford [&] Sons, Ellie Goulding, Damian Rice, und Auftritten auf BBC und MTV muss Chris mittlerweile auch manchmal Aufträge ablehnen. Wie er das geschafft hat? „Spielen, spielen, spielen!“, antwortet er entschlossen, fügt aber gleich hinzu, dass Networking fast noch wichtiger sei. Auch seinen Eltern ist er sehr dankbar: ohne ihre Unterstützung wäre der Sprung ins Freelancer-Leben noch viel schwieriger gewesen. Doch Chris hat selbst in den Jahren in London viel gelernt, seine Einsichten lassen ihn manchmal erheblich älter wirken. „Ich habe gelernt, dass man hier nicht engstirnig sein kann. Wer Konzerte oder Sessions absagt, weil einem die Musik nicht gefällt, muss zusehen, wie hundert andere den Job nur zu gerne übernehmen“, erklärt er.

Flexibilität strebt der Schlagzeuger bewusst an. „Ich finde es interessant, wie man seinen eigenen Stil ausbauen kann. Mir gefällt es, in alle Sparten zu passen und alle Richtungen spielen zu können.“ Musikalische Vielfalt bietet London auf jeden Fall, und gespielt wird auf sehr hohem Niveau. „Wenn man glaubt, in Luxemburg gut zu sein, fällt man in London erst mal vom Hocker. Ich war anfangs fast beschämt, hier zu spielen, weil alle so gut waren. Doch es hat mich auch unendlich gepushed“, erinnert er sich. Mit Erfolg, und Chris kann heute von sich behaupten, sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Derzeit spielt er mit verschiedenen Künstlern, wobei er sich nicht auf ein bestimmtes Genre festlegt. „In meinem Beruf ist man nie am Ende angekommen, es gibt in der Musik keine Grenzen“, erklärt er mit leuchtenden Augen – und man glaubt sofort, dass für diesen Schlagzeuger die Möglichkeiten in der Tat unendlich sind.

Claire Barthelemy
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