Kennen Sie das? Sie sehen jemanden etwas essen und bekommen auch Hunger. Auf den biologischen Reiz setzt die Werbung. Sie sehen ein Produkt und denken: Mensch, das muss ich unbedingt ausprobieren. Und dann kaufen Sie das Ding oder fahren ins schön beworbene Paradies und es stellt sich heraus: Die Chose ist nicht halb so toll, wie auf den Hochglanzbildern dargestellt.
Men who care – Männer, die sich kümmern, heißt der Titel eines Videos, mit dem das zuständige Ministerium pünktlich zum Weltmännertag für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Erziehung wirbt. Darin zu sehen: Glückliche Väter, die der staunendem Welt erklären, was für eine Freude und Satisfaktion sie aus der Zeit ziehen, die sie mit ihren Kindern verbringen. Da ist er also: der neue Mann in Luxemburg. Der sich bei der Kindererziehung einbringt, dies von seinen Eltern vorgelebt bekommen hat und der findet, das Teilen aller Aufgaben, auch der Fürsorge, gehöre zu einer gleichberechtigten Partnerschaft dazu. Bravo!
Die Intention des in ruhigen Bildern gehaltenen Spots ist klar: Liebe Männer, die ihr euch um eure Kinder kümmert, als wären es eure eigenen, Danke schön! Denn offensichtlich ist das längst nicht selbstverständlich. Daran hat auch der staatlich subventionierte Elternurlaub noch nicht so viel geändert. Familienministerin Corinne Cahen (DP) freut sich aber wie eine Schneekönigin, dass die Zahl der Väter, die Elternurlaub nehmen, inzwischen fast so hoch ist wie die der Mütter.
Vielleicht, wenn eines Tages der Elternurlaub auch in der Politik ankommt, wird es Schlagzeilen geben à la Sigmar Gabriel. Sie wissen schon: dieser tolle deutsche SPD-Mann, der für seine Tochter eine Auszeit genommen hat. Einen Preis als „Spitzenvater des Jahres“, wie Astronautin-Ehemann Daniel Eich, bekam Gabriel zwar nicht, aber dafür viel Lob und Aufmerksamkeit. Er darf sich auch als „Avantgardist“ fühlen. So hatte die Erfinderin des Spitzenvater-Preises den Mann von Astronautin Insa Thiele-Eich genannt und ihm obendrein 5 000 Euro geschenkt, weil er sich ein Jahr um die Kinder kümmert, während seine Frau im All herumspaziert.
Avantgarde? Das sahen viele Frauen offenbar nicht so und kommentierten die Preisvergabe ironisch via Twitter. Warum ihr Mann nicht den Preis verdient habe, wo er doch täglich für den Kleinen das Pausenbrot schmiere und ihn im Family Van zur Schule fahre, fragte eine. Eine andere sprach sich für den Nobelpreis aus für ihren Mann, der sich mit Babytragetuch nach draußen wage. Alles Neid, befand die kritisierte Mäzenin über den Shitstorm schmollend. Dass Frauen seit Jahrhunderten die Arbeit machen, ohne dafür jemals eine müde Mark, pardon, einen müden Euro oder gar den Ehrentitel Spitzenmama zu bekommen, fällt ihr nicht weiter auf. Dass ein wachsender Teil Kinder und Haushalt sogar ganz alleine stemmt (und dafür Armut riskiert), weil ihnen der Vater der Kinder abhanden gekommen ist, auch nicht. Lieber hackt sie auf ihren neidischen Geschlechtsgenossinnen herum.
Dabei wollen Frauen, zumal erwerbstätig, selbstverständlich, dass sich die Männer gleichberechtigt um die gemeinsamen Kinder kümmern. Und nicht nur um sie: auch um die kranke Schwiegermutter, den verwurmten Hund und den verwirrten Nachbarn. Sie hierfür zu gewinnen, da braucht es wohl Überzeugungsarbeit. Bislang jedenfalls sind nicht nur die klassischen Fürsorgeberufe (Krankenpflege, Kindergarten, Raumpflege) überwiegend weiblich besetzt. Auch den Großteil der unbezahlt geleisteten Fürsorgearbeit wird noch immer von Frauen übernommen.
Das haben Werbefilme so an sich: Die Welt darin sieht stets viel besser aus, als in Wirklichkeit. Keine Rede geht von Lohneinbußen, weil frau (und mann) für die unbezahlte Hausarbeit und um in den ersten entscheidenden Lebensjahren dabei zu sein, zuhause geblieben ist und auf ein Gehalt und den beruflichen Aufstieg verzichtet hat. Niemand spricht davon, wie sich die Karriereknicks auf die geleisteten Sozialversicherungsbeiträge auswirken und dazu führen, dass die Fürsorgenden in der Regel im Alter mit weniger Rente auskommen müssen. Eine Studie des Luxembourg Institute of Socio-economic Reserach (Liser) will übrigens genauer untersuchen, wie sich Kind und Küche auf die Lohnentwicklung von Frau und Mann auswirken. Wir dürfen gespannt sein.
Dass der neue Mann vielleicht nicht so toll ist, wie vom Gleichstellungsministerium beworben, zeigen Studien, die im Ausland regelmäßig, in Luxemburg aber fast nie gemacht werden: Eine Forscherin des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung fand heraus (DIW Wochenbericht 10/2019), dass selbst an erwerbsfreien Tagen Frauen den Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung erledigen. Das Phänomen heißt Gender Care Gap. Vor allem in Haushalten mit jüngeren Kindern ist die Leistungslücke zwischen Frau und Mann bei der unbezahlten Fürsorgearbeit besonders ausgeprägt.
Komischerweise ist es so, dass Frauen seit Anfang der 1990-er zwar vermehrt einer Erwerbsarbeit nachgehen, der Anteil der Männer an der Hausarbeit im selben Zeitraum aber vergleichsweise nur moderat gestiegen ist. Tatsächlich wenden Frauen heute wohl etwas weniger Zeit für Hausarbeit und Kinderbetreuung auf, Männer aber nur unwesentlich mehr. Wem haben die Frauen ihre Entlastung also zu verdanken? Den Kindergärtnerinnen. Was erklärt, warum Frauen sonntags länger in Küche und Kinderzimmer stehen: Denn da haben die Kitas zu. Und die Moral von der Geschicht? Trau’ einem Werbefilm nicht.