„Der Marktanteil von rein elektrischen Antrieben stagniert derzeit“, erklärt Fedamo-Präsident Philippe Mersch am Telefon. Aktuell geht er sogar leicht zurück: So machten Elektrofahrzeuge im ersten Trimester noch 30 Prozent aller Neuzulassungen aus, im zweiten nur noch 22 Prozent. Ein Grund dafür ist die rückläufige Entwicklung im operativen Leasing, dessen Dynamik insgesamt an Schwung verloren hat. Im Vergleich zum ersten Trimester des Vorjahres ging dieser Markt gar um fast 22 Prozent zurück – eine Zahl, die überrascht. Denn in den letzten zehn Jahren verzeichnete die Branche durchweg ein zweistelliges Wachstum, wie das House of Automobile im Juli mitteilte. Das Unternehmensleasing hatte sich zum Zugpferd des Automobilmarkts entwickelt. Eigentlich wollte die Regierung mit einem vergünstigten Steuertarif das Leasing von E-Autos über Unternehmen ankurbeln – ein Effekt, der zusätzlich hätte verstärkt werden können, da nach wie vor Unklarheiten bezüglich der Mehrwertsteuer auf Verbrennern bestehen. Doch die erhoffte Nachfrage nach Elektroantrieben blieb aus. „Das hängt auch mit dem hohen Anteil an Grenzpendlern zusammen, die auf ein Elektroauto verzichten, da sie keine Ladestation in ihrem Wohnhaus oder Wohnviertel haben“, so Mersch. Denn eines sei den Autohändlern aufgefallen: „D’Leit wëllen doheem lueden.“
In diesem Halbjahr zeigt sich ein weiterer Umschwung auf dem Automarkt. Während die Unternehmens-Neuzulassungen zurückgegangen sind, sind jene der Privatkund/innen deutlich gestiegen – im Vergleich zu 2023 um etwas mehr als 21 Prozent. Und: Privatpersonen entscheiden sich mehrheitlich für Hybridfahrzeuge. Diese führten im Juli die Neuzulassungen an. Mit 1 876 neu angemeldeten Fahrzeugen erzielten sie einen neuen Höchstwert eines Trends, der sich bereits seit März 2023 abzeichnet. Aber die Entwicklung sei zu relativieren, erläutert Philippe Mersch: „Die Zahl überrascht nicht, denn es kommen kaum noch reine Verbrenner-Modelle auf den Markt“. Zudem sei die Kategorie „Hybridfahrzeug“ nicht sonderlich aussagekräftig. „Es gibt nämlich drei Subtypen von Hybridmodellen, die jeweils einen unterschiedlichen Verbrauch aufweisen.“ Ein Subtyp sind die sogenannten Mild-Hybride, bei denen ein kleiner Elektromotor den Verbrennungsmotor lediglich unterstützt – rein elektrisches Fahren ist damit nicht möglich. Die klassischen Hybrid-Fahrzeuge wiederum verfügen über einen Verbrennungs- und einen Elektromotor. Ihre Batterien werden in der Regel durch Rekuperation – also Bremsenergierückgewinnung – während der Fahrt geladen. Nur Plug-in-Hybride benötigen eine externe Stromquelle zum Aufladen. Sie weisen den geringsten fossilen Verbrauch auf. Neuere Modelle schaffen mittlerweile über 100 Kilometer elektrisch. Laut dem deutschen Automobilclub ADAC zählen der VW Golf eHybrid und der Toyota Prius zu den besonders effizienten Plug-in-Hybriden. Um jedoch tatsächlich niedrige Verbrauchswerte zu erzielen, müsse man „konsequent nachladen“. Aber daran scheiterte es in der Vergangenheit oft, es wurde überwiegend auf den Verbrennungsmotor gesetzt. Deshalb beschloss die EU, sie nicht mehr mit einem Umweltbonus zu fördern. Inzwischen stagniert der Verkauf von Plug-in-Hybriden hierzulande bei rund acht Prozent.
Dominique Flammang, „pensionéierten Bijoutier vun Esch“, wie er sich selbst vorstellt, steht im Showroom von Autopolis in Strassen vor einem roten Fiat Abarth mit Elektroantrieb. „Den Auto ass bildschéin“, kommentiert er. Kaufen aber möchte er kein vollelektrisches Fahrzeug. „Mein Zweitwohnsitz liegt im Süden Frankreichs; das ist mir zu heikel.“ Stattdessen fährt er einen Hybrid-PKW: „In der Stadt elektrisch, auf der Autobahn mit dem Verbrenner.“ Auch seine Freunde setzen auf Hybridmodelle. Sie befürchten, nicht rechtzeitig eine Ladestation zu finden, deshalb bevorzugen sie einen sogenannten „Kompromissantrieb“, von manchen auch als „Übergangstechnologie“ bezeichnet. Eine Befürchtung, die nicht ganz unbegründet ist. Im Quotidien kam diese Woche Laurent Duraisin auf den 15. August zurück. Ein Freitag, an dem auf Frankreichs Autobahnen kuriose Meldungen auf den Leuchttafeln oder im Radio auftauchten: „Die Raststätten sind überfüllt und die Ladestationen überlastet", hieß es. Die Autofahrer wurden aufgefordert, den Ladezustand ihrer Batterien zu überprüfen und sich rechtzeitig vor den Ladesäulen anzustellen. Urlaubsreisende gerieten in Panik.
Dass Raststätten nun rascher überfüllt sind, hat einen Grund: Einen Tank füllt man in ein paar Minuten; bei der Batterien Ladung muss man sich in Geduld üben. Eigentlich kein unüberwindbares Problem – an einem 15. August aber dann doch. Und vielleicht kommt es bald auch hierzulande zu ähnlichen Szenen. Denn die Raststätte in Berchem wurde wenig vorausschauend geplant: Beidseitig stehen dort nur 12 Ladestationen zur Verfügung; während an 123 Tanksäulen fossil getankt werden kann. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage von Meris Sehovic und Joëlle Welfring (déi Gréng) an DP-Wirtschaftsminister Lex Delles hervor.
Wer sich im Autopolis-Showroom umschaut, sieht, dass es nicht an Angeboten fehlt. Als citadine allemande wird der Corsa-e beworben, daneben stehen der Fiat 500 und 600, der Kia V3 und der Ford Explorer – alles Elektromodelle, die laut den Verkäufern auf reges Interesse stoßen. Auf einem Autodach prangt groß der Hinweis auf den Klimabonus, 6 000 Euro pro E-Auto. An diesem Montagnachmittag ist es ruhig. Nur der pensionierte Schmuckhändler schaut sich um, zwei Mitarbeiterinnen schieben Putzeimer und Wischmopp durch den Ausstellungsraum. Im Gebrauchtwagenbereich ist ebenfalls kein Kunde zu sehen. Rund 30 gebrauchte E-Autos stehen in Strassen zum Verkauf, keines älter als Baujahr 2022. Gibt es dafür eine Nachfrage? „Ja“, meint ein junger Verkäufer, „vor allem der Fiat 500 und Modelle von MG sind gefragt.“ Die Kund/innen kämen meist mit einer klaren Vorstellung und hätten sich vorab bereits für einen Elektroantrieb entschieden. „Wenn sie dann hier sind, interessiert sie vor allem die Reichweite“, erklärt der Autopolis-Mitarbeiter.
Vergleichsweise ruhig, so könnte man auch den luxemburgischen Automarkt der letzten Jahre zusammenfassen. Seit 2019 ist die Zahl der Neuzulassungen deutlich zurückgegangen. Damals wurden etwas mehr als 55 000 Fahrzeuge verkauft, seither schwankt die Zahl zwischen 42 000 und 46 000. Das ist kein ausschließlich luxemburgischer Trend, in unseren Nachbarländern beobachtet man ebenfalls eine gehemmte Kaufbereitschaft. Womöglich spielt die geopolitische und wirtschaftliche Großwetterlage, die sich durch US-amerikanische Zoll-Tarife wandelt, hierbei eine Rolle.
Eine hohe Reichweite erzielen insbesondere Teslas. Aber der Tesla-Markt schwächelt derzeit in ganz Europa. Könnte das auch mit CEO Elon Musk und seinem politischen Engagement an der Seite von US-Präsident Donald Trump zu Beginn des Jahres zusammenhängen? In der Tesla-Filiale in Bonnevoie sitzt ein Verkäufer vor seinem Computer, sein T-Shirt trägt in rosa Großbuchstaben das Wort „Love“. Er sagt: „Rund um den Jahreswechsel hat sich ein Teil unserer Kundschaft tatsächlich mit Elon Musk beschäftigt. Viele wollten wissen, wie stark er noch an der Marke beteiligt ist oder äußerten die Sorge, ihr Fahrzeug könnte durch politische Spannungen beschädigt werden.“ Inzwischen würden die meisten Kund/innen das Produkt jedoch getrennt von seinem CEO betrachten, so der Tesla-Händler.
Rund 60 Prozent aller Teslas werden hierzulande über Unternehmensleasing verkauft – etwa 40 Prozent davon gehen an Grenzgänger. Im vergleichsweise kleinen Showroom stehen ein „Cyberquad pour enfants“; eine Art Kinderquad-Version, deren Design an den Cybertrck erinnert; eine Attrappe des Tesla Bot, einen menschenähnlichen Allzweckroboter, von dem seit 2022 erste Prototypen existieren – sowie das neue Model Y, das im März auf den Markt kam. Dessen Topversion wird mit einer Reichweite von 586 Kilometern und einer Beschleunigung von 0 auf 100 Stundenkilometer in unter fünf Sekunden beworben. Der ADAC nennt das Model Y im Hinblick auf das Preis-Leistungs-Verhältnis, eines der „attraktivsten Elektroautos, die derzeit auf dem Markt erhältlich sind“. Der Tesla-Verkäufer in Bonnevoie deutet es zudem als ein europäisches Auto, denn in dem Werk in Grünheide bei Berlin „wird es nicht nur gebaut, sondern wird auch Forschung und Entwicklung betrieben".
Trotzdem konnte das neue Modell keinen nennenswerten Aufschwung für die Marke erzielen. Zwischen Januar und Juli 2025 wurden laut Statec 506 Teslas neu zugelassen; im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 1 075. Der Absatz hat sich also mehr als halbiert. Dabei blieb der Markt für Elektrofahrzeuge insgesamt weitgehend stabil: Im ersten Halbjahr 2024 wurden 7 688 E-Autos neu zugelassen, im ersten Halbjahr 2025 waren es 7 437. Vielleicht hat sich die Kontroverse um Elon Musk also doch nicht gänzlich gelegt – anders, als der Verkäufer vermutet. Zumindest auf dem Parkplatz vor dem Showroom wartet ein Tesla auf seine Wartung, auf dessen Heckscheibe ein Aufkleber mit der Aufschrift klebt: „I bought this before Musk went crazy.“ Hinzu kommt, dass Tesla längst nicht mehr konkurrenzlos vorneweg fährt. „Die Nachfrage nach E-Modellen von BMW, VW, Renault und BYD ist gestiegen“, erklärte Dominique Roger, Präsident von der Leasinggesellschaft Mobiz, zu Beginn des Jahres gegenüber dem Land. Aber die weitere Entwicklung rund um Tesla bleibt derzeit offen. Im Juni verzeichnete die Tesla-Aktie einen Kurssprung von 4,1 Prozent, ausgelöst durch gelockerte Vorschriften für autonomes Fahren ohne Fahrersteuerung. Erwartet wird, dass sich Tesla hier als Marktführer etablieren könnte, vor allem wegen seiner zentralisierten Datenmenge.
Manche Beobachter des Automarktes vermuten zudem, dass der stagnierende Anteil von E-Autos auch damit zusammenhängt, dass vor der Kürzung der Kaufprämie im Oktober 2024 noch rasch größere Bestellungen getätigt wurden. Die staatliche Prämie wurde damals von 8 000 auf 6 000 Euro gesenkt. Eine Entscheidung, Andrew Ferrone – Direktor für europäische und internationale Angelegenheiten im Umweltministerium – für gerechtfertigt hält. Denn der Preisunterschied zwischen Elektro- und Verbrennungsfahrzeugen sei mittlerweile deutlich gesunken, sagte Ferrone vergangene Woche im Radio-100,7. Außerdem habe das Ministerium eine neue Prämie in Höhe von 1 500 Euro für gebrauchte Elektrofahrzeuge eingeführt. Das Ziel ist, den Gebrauchtwagenmarkt zu erschließen, um die E-Mobilität breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. Darüber hinaus wolle das Ministerium den öffentlichen Verkehr weiter stärken – mit Transportmitteln, die auf elektrische Antriebe setzen. Nach wie vor nämlich bleibt der Verkehrssektor Luxemburgs „Emissionen-Sorgenkind“, wie das Wort am Montag schrieb. Laut einem Gutachten der Europäischen Kommission entfielen im Jahr 2022 rund 60 Prozent der nationalen CO₂-Emissionen auf den Transportbereich.
Trotz der aktuellen Flaute lässt sich feststellen, dass sich die Elektromobilität zunehmend im Transportwesen verankert. Vor zehn Jahren machten Elektrofahrzeuge lediglich 0,1 Prozent des Fahrzeugbestands aus – im Jahr 2024 lag der Anteil der rein Elektroantriebe am gesamten Fuhrpark bei 7 Prozent. Europaweit erreichten batterieelektrische Fahrzeuge laut dem Branchenverband ACEA inzwischen einen Marktanteil von 15,2 Prozent am gesamten EU-PKW-Markt. In den Nachbarländern Belgien und Deutschland verzeichneten sie im ersten Quartal dieses Jahres sogar ein Wachstum von 39 beziehungsweise 30 Prozent.
Wie rasant sich der E-Auto-Markt wandelt, zeigt exemplarisch der frühere Hype um den e.Go Life, einen Elektrokleinwagen, der an der Universität Aachen entwickelt wurde. Noch 2019 schrieb die Revue in einer Reportage, in der Eifel liege „möglicherweise die Zukunft unserer Mobilität“. Das Unternehmen vertrat damals die Ansicht, man habe ein „praktisches“ Auto entwickelt, das „Spaß macht“ und zu einem „attraktiven Preis“ angeboten werde. Zitiert wurde auch e.Go-Manager Christian Steinborn, der prognostizierte: „In näherer Zukunft wird keine mit dem Verbrennungsmotor vergleichbare Reichweite zu einem annehmbaren Preis möglich sein.“ Eine Aussage, die inzwischen überholt ist. Der Hype um den e.Go ist verpufft – das Unternehmen meldete 2022 Insolvenz an. Philippe Mersch erklärte während der jährlichen Pressekonferenz im Rahmen des Autofestivals Mitte Januar: Der Wandel hin zum Elektroantrieb finde statt, „nur wie schnell er voranschreiten wird, ist nicht klar.“ An dieser Einschätzung hielt er am Dienstag fest.