Banque internationale à Luxembourg

Kleinere Brötchen

d'Lëtzebuerger Land vom 23.12.2011

Nach wochenlangem Stillstand kommt Bewegung ins Dossier Dexia: Erst kündigte die Bank an, sich mit der Beteiligungsgesellschaft Precision Capital der königlichen Familie von Katar auf die Verkaufsbedingungen der Luxemburger Filiale Banque internationale à Luxembourg (Bil) geeinigt zu haben. Dann gab die EU-Kommission provisorisch grünes Licht für den Zwischenrettungsplan, wodurch das Fortleben der Bankengruppe kurzfristig gewährleistet werden kann. Viele Fragen bleiben aber offen. Wie die, ob die Kommission den Restrukturierungsplänen zustimmen wird und wie die Zukunft einer eigenständigen Bil aussehen wird.

Finanzminister Luc Frieden (CSV) begrüßte am Dienstag in einer Pressemitteilung die Einigung zwischen der Dexia Holding, den Investoren aus Katar und dem Luxemburger Staat. Die Bil wird für insgesamt 730 Millionen Euro verkauft, Precision Capital übernimmt 90, Luxemburg zehn Prozent. Dies sei ein wichtiger Schritt für die strategische Weiterentwicklung der Bil auf nationaler und internationaler Ebene, ließ Frieden wissen.

Dabei ist nichts unbekannter als die strategische Ausrichtung der Bil.Soll sie Schalterbank und Kreditgeber für kleine und mittlere Unternehmen auf dem lokalen Markt sein? Würde dieses Geschäft die Investoren aus Katar überhaupt interessieren? Soll das Privatkundengeschäft der Bil auf internationaler Ebene ausgebaut werden? Wie passt das zu der Übernahme von KBL Private Bankers durch Precision Capital, die Anfang Oktober bekannt gegeben wurde? Welche Rolle spielt der Staat, der nach der Bil-Transaktion Gesellschafter beziehungsweise Mitgesellschafter bei der BCEE, der BGL BNP Paribas, also den drei größten Banken am Standort Luxemburg ist? Was ist mit den Beschäftigten? Der grüne Fraktionsvorsitzende François Bausch, der sich schon in den vergangenen Wochen für den Fall besorgt gezeigt hatte, dass die neuen Investoren auf reine Profitmaximierung aus seien, richtete am Mittwoch eine Dringlichkeitsfrage an den Finanzminister, um genau das herauszufinden. Die Antwort des Finanzministers steht noch aus.

Dass die Abspaltung von der französischen-belgischen Bankengruppe und der Einstieg der katarischen Investoren sich nicht unbedingt negativ auf die Beschäftigung innerhalb der Bil und der angegliederten Gesellschaften auswirken muss, zeigt sich aber auch daran, dass die Bil in ganzseitigen Zeitungsannoncen um neue Mitarbeiter wirbt. Unter anderem für die Abteilung Risikomanagement, eine Funktion, die bislang auf Ebene der Gruppe ausgeführt wurde, und die eine eigenständige Bil nach dem Verkauf wieder selbst übernehmen muss. Ähnliches dürfte auch für andere Funktionen gelten, die in die Bil zurückverlagert werden müssen.

Der Verkauf der Bil muss von den EU-Wettbewerbsbehörden noch genehmigt werden. Sie gewährten am Mittwoch ihre provisorische Zustimmung für den Interim-Rettungsplan. So kann sich die Dexia-Holding bis zum 31. Mai 2012 im Schutz der staatlichen Garantien Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs maximal 45 Milliarden Euro leihen, bei einer maximalen Kredit- beziehungsweise Anleihenlaufzeit von drei Jahren. So soll die Holding am Leben gehalten werden, bis der Kommission binnen drei Monaten ein definitiver Restrukturierungs- oder Abwicklungsplan vorgelegt werden kann. Die Anfang Oktober angekündigten staatlichen Bürgschaften über 90 Milliarden Euro sowie der Verkauf der Filialen wie der Bil oder Denizbank sind Teil des noch zu genehmigenden Plans.

Bislang haben sich weder Käufer noch Verkäufer zum doch überraschend niedrigen Verkaufspreis der Bil von 730 Millionen geäußert. Als Luc Frieden den Plan, die Bil vom Konzern zu lösen, Anfang Oktober erstmals öffentlich machte, sollte die zehnprozentige Beteiligung des Staats ungefähr 150 Millionen Euro wert sein, die Bil insgesamt also 1,5 Milliarden Euro. Anfang Dezember bezifferte Frieden das Engagement des Staates im Parlament auf 100 Millionen Euro, womit der Gesamtwert der Bank eine Milliarde Euro betragen hätte. Nun, Ende Dezember, beträgt der Anteil des Staats 73 Millionen Euro und die Bewertung der Bil hat sich innerhalb von zwei Monaten halbiert.

Ob das an den von verunsicherten Kunden veranlassten Mittelabflüssen liegt? Dass es diese auch in Luxemburg gab, hatte die Konzernleitung im Oktober bestätigt, sie aber nicht beziffert. Vielleicht muss man den Kataris ohnehin mit Handkuss dafür danken, dass sie mutig genug und willens sind, eine europäische Bank zu kaufen, während die Europäische Bankenaufsicht EBA der europäischen Bankenbranche ein Kapitalloch von 115 Milliarden Euro attestiert und die Rating-Agenturen auch die Aussichten für die Bil herabstufen. Eine Einigung am oberen Ende der Bewertungsskala scheint unter den gegebenen Umständen kaum realistisch, auch wenn Analysten in der belgischen Presse beklagten, 730 Millionen wären zu wenig würden nicht mal der sechsfachen Gewinnsumme der Bil entsprechen.

Dabei sollte man aber die Folgen der Umstrukturierung auf die künftigen Gewinne der Bil nicht aus den Augen verlieren. Die Vermögensverwaltungsgesellschaft Dexia Asset Management (Dexia AM), die der Bil zu 51 Prozent gehört, und die Depotbank RBC Dexia, deren Anteile zur Hälfte der Bil gehören, will die Dexia-Holding, die nach der geplanten Zerschlagung als Bad Bank übrig bleibt, separat verkaufen. So möchte sie ihre Kapitalbasis aufbessern, damit sie kommende Verluste auf ihre Wertpapierportfolio decken kann. Das ist im Interesse der Dexia-Bürgen, und damit auch des Luxemburger Staates, denn dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie einspringen müssen.

Doch was die Bil im Gegenzug für das Abtreten ihrer Beteiligungen bekommt, ist unklar. Denn noch gibt es für Dexia AM und RBC Dexia keine Verkaufsvereinbarungen. Sollte es diese bis zum Abschluss der Bil-Transaktion nicht geben, teilt die Bil auf Land-Nachfrage mit, würden die Anteile für einen noch zu definierenden Preis an die Holding abgegeben. Zum Vorsteuerergebnis der Bil von 2010 von insgesamt 316 Millionen trugen die Asset-Management-Aktivitäten und die Investorendienstleistungssparte 69 Millionen Euro bei. Die Legacy Division der Bil, ihr Wertpapier-Portfolio, das Ende des ersten Semester 2011 10,275 Milliarden Euro schwer war und auf dem inder ersten Jahreshälfte 52,8 Millionen Euro Verluste verzeichnet wurden, soll der Verkaufsvereinbarung zufolge ebenfalls an die Holding abgetreten werden. Kein Verlust angesichts der schlechten Ergebnisse? Zum Vorsteuerergebnis von 2010 trug die Legacy Division noch positiv in Höhe von 62 Millionen bei, 2009 waren es sogar 95 Millionen Euro. Wie auch immer die Zukunft der eigenständigen Bil aussieht: Kleinere Brötchen wird sie in jedem Fall backen.

Michèle Sinner
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