Rauchverbote, Wirtschaftskrisen, Online-Angebote: Um zu überleben, entwickeln Kasinos ihre Zusatzangebote

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d'Lëtzebuerger Land vom 27.03.2015

Mittwochmorgen, elf Uhr in Bad Mondorf. Das Parkinggelände vor dem Kasino ist bereits gut gefüllt. Die Gäste, mittleren Alters, in Straßenkleidung gehen zielstrebig auf den Eingang zu. Im Chapito, dem Veranstaltungssaal des Casino 2000, räumen die Mitarbeiter gerade die Überreste eines Pressefrühstücks weg. Direktor Guido Berghmans und seine Mitarbeiter haben gerade ihr Konzert-Festival Saveurs & Légendes vorgestellt, das Mitte Mai stattfindet. Es wird ein Nostalgie-Fest für diejenigen, die in den 60-ern, 70-ern oder 80-ern jung waren. Während drei Tagen finden über 30 Konzerte statt; außerhalb des Wettbewerbs für junge Talente spielen fast ausschließlich Coverbands die Hits früherer Zeiten. Zu essen gibt es Elvis’ und Céline Dions Lieblingssnacks, zu sehen eine E-Gitarren- und eine Mustang-Sammlung.

Seit 2009 hat das Casino 2000 42 Millionen Euro in seine Infrastruktur investiert, vor allem in die Einrichtung des Chapito und der dazugehörigen Galerie. Das zum Kasino gehörige Hotel mit 31 Zimmern wird gerade um eine mehrstöckige Luxussuite erweitert. Wenn Guido Berghmans durch sein Kasino führt, geht es von Restaurant zu Restaurant. 450 000 Besucher zieht das Kasino jährlich nach Bad Mondorf. Und trotzdem sind die Zeiten schwer. 2014 ging das Bruttospielertrag (BSE), die Differenz zwischen Spieleinsätzen und ausbezahlten Gewinnen, um acht Prozent auf knapp 40 Millionen Euro zurück. So wenig waren es zuletzt 2005, und zeitweilig hatte das BSE schon mal über 50 Millionen Euro erreicht. Von seinem Bruttospielertrag von 40 Millionen Euro entrichtete das Casino 2000 vergangenes Jahr 21 Millionen Euro an Steuern und Abgaben. Von dem was danach übrig bleibt, müssen die Kosten gedeckt werden.

So dramatisch wie in Mondorf war der Einnahmeneinbruch bei anderen europäischen Spielhallen vergangenes Jahr nicht mehr, erklärt Berghmans, der auch Vize-Präsident der Europäischen Kasino-Vereinigung ECA ist. Die Krise hat in Luxemburg zwei Jahre später eingesetzt als anderswo. Seit 2007, fügt er hinzu, ist das BSE der europäi­schen Kasinobranche, von Ausnahmefällen abgesehen, um 40 Prozent gesunken. Auch die Glücksspiel-Metropole Las Vegas liege im Trend. Einzig in Macao habe es in den vergangenen Jahren noch Zuwächse gegeben. „Aber auch dort gibt es schwere Rückgänge, seit ein Rauchverbot eingeführt und ein großes Programm gegen die Korruption gestartet wurde“, sagt der Branchenkenner.

Rauchverbote sind eine der Ursachen für die Krise im standortgebundenen Glücksspielgeschäft. Im Kasino in Bad Mondorf gibt es einen Spielautomaten-Raucherbereich mit Sondergenehmigung vom Gesundheitsministerium und leistungsfähigem Belüftungssystem. Die Wirtschaftskrise zeigt Wirkung. Beispiel Krisenland Griechenland: In den Neunzigern konnte sich Griechenland mit drei der vier größten europäischen Kasino-Anlagen brüsten. Doch seit 2008 ist das BSE laut European Casino Industry Report der ECA von 804 Millionen Euro auf 306 Millionen Euro 2013 gefallen. Aber auch in Deutschland sind die Spieleinnahmen seit 2008 um 45 Prozent gefallen. Als im vergangenen November der Kasino-Betreiber Westspiel die Warhol-Werke Triple Elvis und Four Marlons – in den Sechzigern als Wandschmuck für die Aachener Spielbank erworben – für 120 Millionen Euro versteigern ließ, um das unrentable Spielgeschäft zu bezuschussen, war die Aufregung in Deutschland groß. Das Rauchverbot treibe die Spieler in die Arme der Online-Anbieter, wird Otto Wulferding, Vorsitzender des Deutschen Spielbankenverbandes, im Bericht zitiert.

Rund 30 Prozent ihres Geschäfts, schätzen Kenner, könnten die Kasinos an die Online-Konkurrenz verlieren. Der Spielmarkt, sagt Guido Berghmans, sei der größte Markt im Internet überhaupt. Auch deshalb werden die Restaurations- und anderen Zusatzangebote im Kasino immer wichtiger. „Ohne ein solches Angebot“, so der Direktor, „hat ein Kasino heute fast keine Überlebenschance.“ Über 70 Konzerte jährlich organisiert das Casino 2000 in seinen Räumlichkeiten. „Jede Band“, sagt Berghmans, „bringt 30 bis 50 Zuhörer mit, die sich nach dem Konzert ein wenig im Spielbereich umschauen.“ Bei dieser ersten Kontaktaufnahme sollen sie die Scheu verlieren und Vorurteile abbauen, so die Rechnung. Nicht nur in Mondorf setzt man auf dieses Konzept. Weil das Online-Angebot keine Emotionen und keine sozialen Kontakte biete, „hat eine Zeit lang jedes Kasino weltweit versucht, sich in ein Unterhaltungszentrum für Erwachsene zu verwandeln“.

Undurchsichtig und unreguliert ist der Online-Markt. Anbieter mit Sitz in europäischen Kleinstaaten locken Spieler mit einer „europäischen“ Zulassung – die es aber gar nicht gibt. Jedes EU-Land muss selbst regulieren. Deutschland und Luxemburg sind einige der wenigen, die das noch nicht gemacht haben. So ist die Loterie nationale mit ihrem Angebot an Online-Picco-Bello und -Tutti-Frutti de facto in Luxemburg der einzige Anbieter mit einer Zulassung. Wer auf anderen Webseiten spielt, kann nicht immer gewiss sein, ob der Spielalgorithmus nicht doch den Anbieter überbevorzugt. Und ob die Gewinne ausbezahlt werden.

Das vielfältige, sich ständig ändernde Spiel-Angebot im Netz steht im krassen Kontrast mit dem strikt regulierten Angebot in tatsächlichen Kasinos. Seit 2002 wurden die Glücksspielbestimmungen in Luxemburg nicht mehr verändert. Sie schreiben nicht nur, zwecks Jugendschutz, vor, dass das Kasino blickdicht von außen abgeschottet ist, was die – mangels Fenster – dunkle Atmosphäre erklärt. Sie legen fest, welche Spiele überhaupt angeboten werden dürfen, wie hoch der Einsatz sein darf, und beschreiben den Spielablauf der Tischspiele wie Black Jack detailgetreu, Spielzug für Spielzug. Das Update der Bestimmungen, die großherzogliche Verordnung, ist in der Vorbereitung, ist über 50 Seiten dick – unter anderem deshalb, weil darin die Spielregeln der Pokervariante Ultimate Texas Hold’em erklärt werden, wie sie nach Veröffentlichung des Reglements legal angeboten werden dürfte.

Pokern im Internet hat Konjunktur. Das heißt allerdings nicht, dass es für das Kasino in Bad Mondorf unbedingt ein interessantes Geschäft sein muss. „Im Internet“, sagt Berghmans, „pokern 14- bis 30-Jährige. Junge Männer mit Sonnenbrille und Kappe.“ Wer im Kasino spielen will, muss volljährig sein. Und ohnehin interessiert sich das Kasino vor allem für Kundschaft ab 30. Aus Suchtschutzgründen, aber auch weil sie ein geregeltes Einkommen haben. „Das Kundendurchschnittsalter liegt bei 50 Jahren“, so der Direktor. Ob in Zukunft in Mondorf gepokert wird, hänge davon ab, ob man ein interessantes Angebot „für Erwachsene“ entwickeln kann.

Längst sind es nicht nur Jugendliche, die im Internet spielen. „Das war am Anfang so. Aber heute haben wir 60-jährige Kunden, die kommen und uns sagen, die Eltern kämen nicht mehr mit. Statt sich umständlich anzuziehen und nach Mondorf zu fahren, spielen sie lieber zu Hause vor dem Computer“, erzählt Berghmans. Um die Kunden der Zukunft, die 30-jährigen von heute, mit Computern aufgewachsen, in die Kasinos zu locken, entwickelten manche Häuser extra ein Intranet-Angebot, so der ECA-Vize-Präsident. In diesem aufs Firmengelände beschränkte Netzwerk können Besucher dann mit ihren Mobilgeräten spielen.

Ohnehin sind die Tischspiele, wie Roulette oder Kartenspiele, für die Kasinos nur wenig lukrativ. Um einen Französisch-Roulette-Tisch zu betreiben, sind fünf hochqualifizierte Mitarbeiter gleichzeitig im Einsatz. Das ist teuer. Und die Einnahmen der Tischspiele sind verschwindend gering: Fünf Prozent tragen sie zum BSE bei. Die Spielautomaten bringen hingegen 95 Prozent ein. Dieses Verhältnis gelte nicht nur in Mondorf, sondern auch in anderen Kasinos, betont Berghmans. Mit den Konkurrenten der Region, Schloßberg (BSE: 12 Millionen Euro) und Amnéville, „dem drittgrößten Kasino Frankreichs“ (BSE: 45 Millionen Euro), und anderen Spielautomatenhallen im Saarland und entlang der belgischen Grenze steht Mondorf deshalb in scharfer Wettbewerb, was neue und attraktive Spielautomaten betrifft. Die Lebenszeit eines Automaten hat sich deshalb von ehemals acht bis zehn in der Zwischenzeit auf fünf bis sechs Jahre verkürzt. Fast schon zu wenig, um sie abschreiben zu können, räumt der Kasino-Direktor ein.

Berghmans interessieren am neuen Reglement aus gutem Grund vor allem die Neuerungen, die ihm erlauben, gebrauchte Automaten zu kaufen und sie vor dem Kauf zu testen. „Ein Spielautomat kostet um 25 000 Euro. Wir haben ein Einkaufsbudget von 800 000 bis zu einer Million Euro jährlich.“ Kürzlich habe man fünf neue Automaten im Wert von 200 000 Euro gekauft. Die Kunden hätten sie nicht angenommen. Die Umrüstung sei zwar möglich, aber wieder kostspielig. Da wäre es schön, die Maschinen einige Monate testen zu können, bevor der Kaufvertrag unterzeichnet wird. Das erlaubt das Gesetz bisher nicht. Dass man sich in Zukunft im Wettbewerb mit den Konkurrenten mit „den gleichen Waffen“ schlagen könne, sei deshalb „ganz wichtig“, sagt Berghmans – verständlicherweise. Casino 2000 hat in den Krisenjahren viel investiert. Er gibt sich optimistisch: „Wenn ein Aufschwung kommen sollte, sind wir ideal aufgestellt.“ In der Zwischenzeit hebt er die Vorzüge der Anlage hervor: „Wir haben eine qualitativ hochwertige Infrastruktur geschaffen.“ Vom gastronomischen und kulturellen Angebot profitiere die Region insgesamt.

Michèle Sinner
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