Luc François‘ Hirngespinste und Silberstreifen, umfasst zwölf voneinander unabhängige Kurzgeschichten (Hydre Editions). Zusammengenommen wirken die Erzählungen wie ein Potpourri aus Fantasy- und Science-Fiction-Erzählungen, Hollywood-Filmen und Meta-Diskursen. Aufgrund dieser Mischung entsteht beim Lesen das Gefühl, tatsächlich einem Hirngespinst nachzujagen. Was auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Geschichte wirkt, verwandelt sich kurz darauf in psychologischen Horror. Der Autor lässt Genre-Grenzen verschwimmen und spielt mit der Erwartungshaltung der Leser.
Genauso beginnt die erste Geschichte Hirngespinste: Aus der Ich-Perspektive wird Einblick in das Leben eines Angestellten und dessen Freundschaft mit einer Kollegin gewährt. Die beiden kennen sich wohl noch nicht lange, denn tiefgründige Gespräche werden gekonnt gemieden. Während Nasrin nach und nach ihre schwierige Lage offen anspricht, verliert sich der Erzähler in paranoiden und wahnwitzigen Episoden. Zwischen Alltag und Wahnsinn wird hier der Kampf um das eigene seelische Wohlbefinden in einer Arbeitswelt, die immer mehr und mehr Leistung fordert, verhandelt – ebenso wie der Wert der Freundschaft. Ähnlich gesellschaftskritisch schildert François in Warnstufe Grau das farblose Leben einer austauschbaren Figur in einer grauen Welt. Inmitten des geschäftigen Alltags fließt das Erlebte in einem Punkt zusammen, sodass kein Unterschied mehr zwischen Gestern und Heute, jetzt und gleich zu erkennen ist. Eingängig geschrieben und relativ zügig erzählt, sind Hirngespinste und Warnstufe Grau ein interessanter Einstieg ins Buch. Sie zeichnen das Porträt einer vom Leben entfremdeten Gesellschaft.
Dann wird es mit Highscore jedoch recht einfallslos. Es ist die minutiös aufgedröselte Geschichte einer fiktiven Band, samt Alben, Lyrics, Tourneen, Interviews, Dramen und Alkoholexzessen - verfasst von einem Musikkritiker. Aufgrund der Trivialität stellt sich beim Lesen schnell Langeweile ein; es mangelt an einer eigentlichen Handlung. Die folgenden Erzählungen können ebenso wenig überzeugen und zeugen von allgemeiner Oberflächlichkeit.
Aus einer nicht allzu weit zurückliegenden Vergangenheit erzählt Loretta die Geschichte eines pensionierten Lokführers. In einer Welt, die im technischen Fortschritt begriffen ist, hat er Halt und Ordnung verloren. Die plumpen Dialoge und die Hilflosigkeit des Protagonisten führen die Kritik ins Lächerliche. Gleichermaßen ergeht es den Figuren in Wandler. Die Ich-Perspektive verzerrt die Sicht auf das Innenleben des Erzählers, das eigentlich Erwähnenswerte kommt zu kurz. Dazu werden hier altbekannte Sci-Fi Tropen recycelt, obwohl gerade an dieser Stelle der banale Alltag die Willkür der Gewalt in seinem schrecklichsten Gewand zeigen könnte. Weiter werden von François alle nur erdenklichen Klischees herangezogen: So ist Venom Cloak eine misslungene Parodie auf das Marvel-Universum. Der alternative Spider-Man vom Dorfe und die unmittelbaren Anspielungen auf das amerikanische Vorbild funktionieren nicht als Stilmittel. Aus der Not wird eine zweite Erzählebene eingebaut, die wegen ausbleibender Folgen sinnlos und erzwungen wirkt. Ähnlich schablonenhaft sind die folgenden Geschichten: Den Richter zu richten, Skipper und Aus dem Schiffsbuch der Salteema. Vom Fantasy-Rollenspiel über ein Zeitreise-Dilemma bis zu galaktischen Freibeutern wird Hirngespinste und Silberstreifen von Geschichten vollendet, die sich in ihrer Absurdität und Abstraktheit gänzlich der Sinnhaftigkeit widersetzen.
Der Band wird ungewollt zum Sinnbild der Hirngespinste und Traumwelten: Auf unterhaltsame Weise fantasiert, können sie ohne schlechtes Gewissen schnell wieder abgetan werden. Da alles so banal und gleichzeitig abstrakt ist, läuft die eigentlich interessante Materie ins Leere. Die verbrauchten Klischees tun ihr Übriges. Die Handlung bleibt über weite Strecken ereignislos, die Figuren sind eine Anhäufung verlorener und verzweifelter Gestalten. Am Anfang äußerst vielversprechend, fehlt es insgesamt deutlich an Kontrast, Kreativität und einem übergeordneten Zusammenhang.