Griechenland-Krise

Bussi, Bussi

d'Lëtzebuerger Land vom 27.03.2015

Es war wohl längst überfällig: das persönliche Treffen von Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel, das Anfang der Woche in Berlin stattfand. Endlich. Statt übereinander zu reden, begannen beide Regierungschefs miteinander zu reden. Statt Säbelrasseln, Drohgebärden, Forderungen und Kriegsrhetorik versöhnliche Töne – sehr zum Wohle der Europäischen Union und sehr zum Wohle des Euros, der sich wieder festigte.

Worte gab es viele, Inhalte aber kaum. So war es denn ein Treffen der beiden voller Symbolik: Merkel zeigte mit ihrem herzlichen Empfang den Griechen: „Seht her, ich bin doch gar nicht so schlimm!“ und ihren eigenen Landsleuten: „Seht her, es ist doch gar nicht so schlimm!“. Ihr griechischer Gast gab brav das Modell „gut erzogener Junge“. Dabei präsentierte der Ministerpräsident sich äußerst selbstbewusst in Berlin. Er besuchte nicht, sondern empfing deutsche Politikerinnen und Politiker, die sich die Türklinke seiner Hotelsuite in die Hand gaben. Er setzte auch Akzente, in dem er beispielsweise das Mahnmal für die Opfer des Holocausts unweit des Bundestags besuchte. Die Botschaft war ebenso eindeutig, dass manche Themen eben noch nicht vergessen seien, auch wenn Berlin das gerne so sähe. Ob aber alles vergeben ist zwischen Athen und Berlin, Deutschland und Griechenland – das wird sich erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen und wie sehr beide Politiker mit den Erwartungshaltungen umgehen können und ihre Parteien im Griff haben.

Da ist zunächst Alexis Tsipras. Er muss es Recht machen. Allen. Seinen eigenen Wählern, seinem Land, seinem rechtspopulistischen Koalitionspartner am Kabinettstisch in Athen, den Geldgebern in der Euro-Gruppe. Aber da ist auch Angela Merkel mit ihrem Bündnispartner in der Regierung, den Erwartungen der Deutschen an die Verwendung ihrer Steuergelder, die Wirtschaft mit ihren Forderungen. Schließlich sind da auch die Europäische Union und das Projekt „Euro“, das gespannt auf die beiden Regierungschefs schaut. Beide müssen sich nun an ihre Hausaufgaben machen, die ihrer nun nach den Bussi-Bussi-Bildern harren.

Für Alexis Tsipras bedeutet dies, in der Realpolitik anzukommen, die eben nicht daraus besteht, schrille Forderungen aufzustellen, um wenigstens ein Minimalziel zu erreichen oder Europa kräftig aufzuwirbeln. Ob seine eigene Partei, das linksradikale Bündnis Syriza dabei folgen wird, ist allerdings noch offen. Die Wandlung des Politikers, der bei Merkels letztem Besuch in Athen, noch Massenproteste gegen die Kanzlerin organisierte und sie als „gefährlichste Politikerin Europas“ brandmarkte, muss er erklären können. Die wichtigste Aufgabe aber bleibt, bis Montag eben jene Reformliste vorzulegen, auf deren Basis die europäischen Partner – und der deutsche Bundestag – entscheiden wollen, ob Griechenland weitere, dringend benötigte Hilfsgelder erhält. Die EU und die Europäische Zentralbank erwarten ein überzeugendes Konzept, bevor sie Athen aus der Liquiditätsklemme helfen. Diese Reformen stehen aber in Konflikt zu denjenigen Wahlversprechen, die Tsipras vollmundig abgab, um Ministerpräsident zu werden, und die er bedienen und erfüllen muss, um auf dem Posten zu bleiben. Er muss nun seine Partei mitnehmen auf diesen Weg, was schwierig werden könnte.

Auch Angela Merkel muss ihre Partei für ihre Griechenland-Politik begeistern, vor allem davon überzeugen, dass Griechenland Hilfe nötig hat und auch Hilfe verdient. Vielleicht war es nicht sonderlich hilfreich, dass Tsipras in Berlin nur Vertreter von Sozialdemokraten, Linken und Grünen empfing, nicht aber von der CDU. Die Fraktion der Christdemokraten im Bundestag polterte dann auch los, kaum dass Tsipras abgereist war. Griechenland könne nicht damit rechnen, hieß es von wirtschaftspolitischen Sprechern der CDU im Bundestag, die noch ausstehenden Hilfsmilliarden auf einen Schlag ausgezahlt zu bekommen – falls denn diese Zahlungen von den Euro-Finanzministern demnächst gebilligt würden. Die CDU wird wohl die Freigabe der Mittel an eine Stellungnahme knüpfen, die Hellas an seine Verpflichtungen erinnern soll. Eine solche Stellungnahme hätte für die Bundesregierung bindenden Charakter.

Der Ton wird schärfer in der christdemokratischen Fraktion: Tsipras habe immer noch nicht akzeptiert, dass nicht die Deutschen oder Europa oder die sogenannte Troika schuld seien an Griechenlands Misere, sondern die Misswirtschaft im eigenen Land, wetterte etwa Michael Grosse-Brömer, parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag. Tsipras müsse sich an Vereinbarungen halten, sagte der CDU-Mann. Und weiter: „Da kann nicht jeder seine eigenen Regeln machen.“ Damit spricht der Politiker seinem Wahlvolk aus der Seele. Bei der letzten Griechenland-Abstimmung vor vier Wochen kamen 29 Nein-Stimmen aus CDU und CSU sowie gut hundert Ja-Sager, die in persönlichen Erklärungen festhielten, dass sei nur aus Solidarität mit Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für die Griechenland-Hilfe stimmen würden. Da müssen Merkel und Schäuble noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Für Europa war das versöhnliche Treffen zwischen beiden längst überfällig. Es zeigte die Geschlossenheit, die Europa derzeit unbedingt braucht. Die Syriza-Parteizeitung Avgi zog am vergangenen Dienstag in ihrer Titelschlagzeile mit zwei Worten eine Bilanz des Berlin-Besuchs: „Erster Schritt“. Das sollte wohl heißen: Der Weg ist noch weit.

Martin Theobald
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