Steuerreform

Politische Nachbesserung

d'Lëtzebuerger Land vom 22.04.2016

Eigentlich sollte die für den 1. Januar nächsten Jahres angekündigte Steuerreform den spannenden Höhepunkt der am kommenden Dienstag von Premier Xavier Bettel im Parlament vorgetragenenen Erklärung zur Lage der Nation darstellen. Dann hielt die Regierung es jedoch für ratsam, die Eckdaten schon zwei Monate früher, Ende Februar, zu veröffentlichen. Zum einen befürchtete sie nicht ganz unberechtigterweise Indiskretionen aus den eigenen Reihen, vor allem aber wollte sie sich zwei Monate Zeit geben, um die Reaktio­nen in der Öffentlichkeit zu testen und bei Bedarf noch schnell einige Änderungen vorzunehmen, bevor sie die entsprechenden Gesetzentwürfe einbringt.

Schließlich reicht es nicht, eine halbe Milliarde Euro Staatseinnahmen jährlich umzuverteilen. Von der richtgen Dosierung hängt es ab, ob fast alle zufriedengestellt oder am Ende alle neidisch sind, und vom Erfolg der Steuerreform hängt das weitere Schicksal der derzeit nicht sonderlich populären Regierungskoalition ab. Weil die ersten Reaktionen recht zufriedenstellend waren, legte die Regierung am gestrigen Donnerstag den Sozialpartnern und dem parlamentarischen Finanz- und Haushaltsauschuss nur geringfügige Änderungen vor. Wobei sie sich wohl am meisten Freunde unter den 60 000 Lohnabhängigen macht, die einen Teil ihres Lohns in Form von Essensgutscheinen erhalten, denn der Nennwert der Chèques-repas wird von 8,40 auf 10,80 Euro erhöht. Vielleicht versöhnt sich die Regierung so sogar mit den Gaststättenbesitzern, die noch immer über die Folgen des Rauchverbots klagen.

Auf die Feststellung der Gewerkschaften, dass die vierprozentige Einkommenssteuersenkung für Mittelschichten und die Senkung des Eingangssteuersatzes durchaus ihren Vorstellungen entsprächen, aber die Alleinerziehenden noch immer benachteiligt blieben, reagierte die Regieung nun, indem sie den Freibetrag, um den Unterhaltszahlungen nicht den Steuerkredit für Alleinerziehende verringern, von 160 auf 184 Euro monatlich erhöhen will. Auch soll der Betrag, um den der Unterhalt von Kindern, die nicht dem Steuerhaushalt eines Steuerpflichtigen angerechnet werden, als „außerordentliche Belastung“ abgesetzt werden kann, von 3 480 auf 4 020 Euro jährlich erhöht werden. Von 3 600 auf 5 400 Euro soll zudem der Freibetrag für Bedienstete, Pflege und Kinderbetreung erhöht und damit auch die Schwarzarbeit ein wenig stärker bekämpft werden.

In ersten Reaktionen auf die Ankündigungen vom Februar zeigten sich zumindest nach außen die Unternehmer weit weniger zufrieden als die Gewerkschaften und dies trotz einer bis vor kurzem noch politisch für schwer durchsetzbar gehaltenen Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 21 auf 18 Prozent. Deshalb versicherte die Regierung ihnen am Donnerstag noch einmal, dass diese Steuersenkung nicht, wie ursprünglich angekündigt, durch eine Vergrößerung der Bemessungsgrundlage ausgeglichen werde. Außerdem räumte Finanzminister Pierre Gramegna den Unternehmern eine „clause de rendez-vous“ ein, um über eine weitere Senkung des Körperschaftssteuersatzes zu verhandeln, sobald OECD, G20 oder Euro­päische ­Union eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage beschlossen haben. Kurzfristig soll zudem die derzeit unbegrenzte Frist, binnen der Unternehmen Verluste auf 75 Prozent (statt 80) ihres Gewinns vortragen können, nicht auf zehn, sondern bloß auf 17 Jahre gesenkt werden.

Keine Angaben macht die Regierung über den Kostenpunkt der nun angekündigten Nachbesserungen. Und vor allem veröffentlicht sie nur grobe Zahlen über den erwarteten Steuerausfall nach Steuerarten. Dadurch verhindert sie bisher erfolgreich die von vorherigen Steuerreformen gewohnten Diskus­sionen über den jeweiligen Anteil von Unternehmen und Privathaushalten an den Steuersenkungen. Man macht sich ja das Leben nicht unnütz schwer.

Romain Hilgert
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