Vor einem Jahr fanden Kammerwahlen statt. Das übliche Kleinbürgertum aus Rechtsanwälten, höheren Beamtinnen setzte die Verwaltung der Staatsgeschäfte fort. Nun aus den Reihen christlich-sozialer bis liberaler Lokalpolitiker.
Hierzulande verlangt die Verwaltung der Staatsgeschäfte nicht allzu viel Geschick. Die Inhaber von Banken, Investitionsfonds, Briefkastenfirmen lassen genügend Körperschaftsteuer, Abonnementtaxe, TVA zurück. Sie kaufen Ruhe in ihrer Steueroase.
In den Achtzigerjahren setzten die Besitzenden international zur Gegenoffensive an. Regierungen, Parlamente kamen ihnen mit angebotsorientierter Politik entgegen: Der Entfesselung der Mehrwertaneignung. Auf Kosten der Beschäftigten und Kunden. Hierzulande ist die Wirtschaftspolitik in erstrangigen Bereichen angebotsorientiert. In nachrangigen mit Blick auf die Wählerschaft auch nachfrageorientiert.
Angebotsorientiert sind Steuersenkungen: „Eise Modell baséiert also drop, datt mat manner Steiere méi Aktivitéit entsteet“ (Luc Frieden, Radio 100,7, 20.6.23). Angebotsorientiert ist die Deregulierung: „Den administrativen Opwand fir d’Betriber muss erofgoen“ (Regierungserklärung, 22.11.23). Angebotsorientiert ist die Privatisierung: die „promotion accrue du deuxième et troisième pilier de prévoyance vieillesse“ (Koalitionsabkommen, S. 101).
Angebotsorientiert ist auch das Krisenmanagement von CSV und DP. In dem sie sich zweimal versuchten: nach dem Schrumpfen der Immobilienblase, nach dem Bankrott der Caritas.
Als die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöhte, sanken die Nachfrage und die Preise für Wohnungen. Die Regierung hatte mehrere Optionen: Sie hätte den Marktgesetzen ein neues Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage überlassen können. Sie hätte, wie in der Corona-Seuche, die Marktgesetze außer Kraft setzen können. Sie hätte vom Standpunkt der Wohnungssuchenden, von der Nachfrage ausgehen können.
Sie bevorzugte Supply-side economics. Sie wollte die überhöhten Preisangebote bezuschussen. Um eine Entwertung der Hypothekenpfänder der Banken zu verhindern. Auch des Immobilienbesitzes großer Bauträger, der in Ertragshäusern angelegten Ersparnisse.
Die Regierung rechtfertigte diese Politik mit dem Schutz der Bauunternehmen, der Bauarbeiter. Vergangene Woche ließ die Handelskammer dazu feststellen: „[L]’impulsion publique [...] ne semble pas avoir été une réponse à même de débloquer la situation“ (Idea, Décryptages N° 37).
Wenig später räumte ein Direktionsmitglied die Konten der Caritas leer, machte Millionen Schulden. Nun ist die katholische Wohlfahrtsorganisation bankrott. Die Regierung schaltete sich ein. Sie verhinderte Optionen: Die Beschäftigten und Betreuten hätten die Caritas in Eigenregie fortführen können. Das Familien-, das Erziehungsministerium hätten die Aktivitäten der Caritas übernehmen können. Sie bezahlen sie sowieso. Andere Wohlfahrtsorganisationen waren interessiert.
Der Tagessatz von Price Waterhouse Coopers übersteigt das Bruttosozialprodukt eines sudanesischen Dorfs. Premierminister Luc Frieden bestellte bei den Unternehmensberatern eine neue Caritas. Sie lieferten einen zweiten Cercle Munster.
Die christliche Wohlfahrt ist nun in den Händen des konservativen Großbürgertums. Es ist eher an der Verursachung als an der Beseitigung von Armut beteiligt: Arbed, Lalux, Foyer, Brasserie Nationale, Arendt & Medernach. Zuerst wollte es die Sozialarbeiterinnen, Pfleger, Erzieher der Caritas gefügig machen. Mittels der „greater People centricity“ von Price Waterhouse Coopers, „so as to ensure change is implemented and strategy is executed“ (pwc.lu).
Angebotsorientierung ist keine ökonomische Theorie. Sie ist ein Machtverhältnis.