die Provokation herunter: „Den Här Orbán ass op eng Missioun gaangen als Premierminister vun Ungarn an a kengem Fall als Vertrieder vun der Europäescher Unioun“ (12.7.).

Hello, dictator!

d'Lëtzebuerger Land du 13.09.2024

Diese Woche reiste Premier Luc Frieden zu einem Arbeitsbesuch nach Budapest. Vergangene Woche nahm Xavier Bettel dort an einem informellen Außenministertreffen teil. Ungarn leitet den Ministerrat der Europäischen Union. In der Union gibt es Bestrebungen, das Land zu boykottieren. Präsident Viktor Orbàn sei „illiberal“, ein Agent Moskaus. Der damalige Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker begrüßte ihn 2015 in Riga mit „Hello, dictator!“

Nach Beginn des Ukrainekriegs telefonierte Xavier Bettel stolz mit Wladimir Putin. In einem Video auf X rechtfertigte er am 3. September seine Ungarnreise: „Not to speak about each other, but to each other. […] And so not being here, I think, would be an error.“

Luc Frieden sah das bei Politico nicht anders. „‚If somebody disagrees with certain policies, you should try to understand where he or she is coming from,‘ said Frieden, [...], adding that he was considering going to Hungary ‚in the coming months, to better understand the Hungarian position‘“ (16.1.). Das Gespräch brachte ihm den Titel „EU’s Orbán whisperer“ ein. Er schob die Ungarnreise bis diese Woche auf.

Die Europäische Union behandelt Viktor Orbán als Schmuddelkind. Sie hofiert die Neufaschistin Giorgia Meloni in Rom. Den Unterschied machen Waffen für die Ukraine aus. An Grausamkeit gegen Asylsuchende ist Ungarn der Europäischen Union stets sechs Monate voraus.

Gleich nach der Übernahme des Ratsvorsitzes besuchte Viktor Orbán den russischen Präsidenten. Viele in der Union sahen das als Hochverrat an. Luc Frieden spielte bei Radio 100,7 die Provokation herunter: „Den Här Orbán ass op eng Missioun gaangen als Premierminister vun Ungarn an a kengem Fall als Vertrieder vun der Europäescher Unioun“ (12.7.).

Vielleicht beneidet Luc Frieden heimlich Viktor Orbán. Der Luxemburger Regierung sind EU-Sanktionen gegen russische Firmen zuwider. Sie würde lieber mit der Handelskammer nach Moskau reisen. Wie zu Zeiten des Bal russe im Cercle Cité. Als Xavier Bettel Schirmherr war, der Stahlkonzern Magnitogorsk, die East-West Bank zahlten, Etienne Schneider, Laurent Mosar prosteten, Monica Semedo modelte.

Mikhail Fridman galt hierzulande als guter Oligarch. Die Sanktionsliste der Europäischen Union machte ihn zu einem bösen. Nun will er 14,5 Milliarden Euro einklagen. Weil Luxemburg gegen das Investitionsschutzabkommen mit Russland verstieß und sein Vermögen einfror. So weit hätte es nicht kommen müssen. Hätte Luc Frieden nach Moskau fliegen dürfen wie Viktor Orbán.

Eine Steueroase gehört besser einer Atommacht (Cayman Islands, Monaco) oder ist neutral (Schweiz). 1867 erklärte der Londoner Vertrag Luxemburgs immerwährende Neutralität. 1948 schaffte das Parlament sie ab, um der Nato beizutreten. Der Schweizer Neutralität geht es derzeit kaum besser. Das ist geschäftsschädigend. Das Lehrgeld kann 14,5 Milliarden Euro betragen.

Die Europäische Union drängte Ungarn zu Privatisierungen und Deregulierungen. Um es fit zu machen als Niedriglohnland der deutschen Automobilindustrie. Der ungarische Mindestlohn beträgt 675,27 Euro. Orbáns Regime ist nicht die Diktatur des Proletariats. Es ist die Diktatur von VW, Mercedes, BMW.

Ungarn ist nicht „illiberal“. Es ist undemokratisch, um liberal zu sein: Mit 15 Prozent Einkommensteuer ohne Progression, 27 Prozent TVA. 2018 wurde die Zahl der zulässigen Überstunden von 250 auf 400 jährlich erhöht. Mit der Bezahlung dürfen die Unternehmen drei Jahre warten.
Xavier Bettel, seine belgische und irische Kollegin trafen sich in Budapest „with representatives of the civil society, with Transparency International, people in for media liberty and also for LGBTQ rights“. Nicht mit Gewerkschafterinnen. Luc Frieden und Xavier Bettel haben Verständnis für Viktor Orbán. Man ist unter Liberalen.

Romain Hilgert
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