"Mam Dick an Doof an d'Klimakatastrof", so hatte Greenpeace Anfang April die Baustelle des Gas-Dampfturbinenkraftwerks auf der Ehleringer Schlackenhalde frech plakatiert und auf einem riesigen Transparent Wirtschaftsminister Henri Grethen als den Dicken und Umweltstaatssekretär Eugène Berger als den Doofen vorgeführt. Seit mittlerweile drei Jahren schon attackieren die Umweltaktivisten das ihrer Meinung nach überdimensionierte Projekt, das nach seiner Fertigstellung neben 350 Megawatt elektrischer Leistung auch 150 Megawatt an Dampf und 40 Megawatt Heißwasser liefern wird. Noch immer aber ist nicht klar, wer die produzierte Wärmemenge abnehmen wird. Das Verwaltungsgericht wird in den nächsten Wochen nach einer Greenpeace-Klage vom 25. Februar 1999 sein Urteil darüber fällen, ob das GUD-Kraftwerk dem Stand der besten verfügbaren Technologie entspricht. Falls nicht, könnte die noch von dem sozialistischen Umweltminister Alex Bodry Anfang Januar 1999 erteilte Betriebsgenehmigung womöglich annulliert werden, und das Kraftwerk, in dem mittlerweile die Probeläufe begonnen haben und das eigentlich schon Anfang Januar in Betrieb gehen sollte, stünde erst einmal still.
Wenngleich die Frage nach der bestmöglichen Technologie vor Gericht zu einem Expertenstreit führen dürfte, bleibt das Problem der Abnahme von Heißwasser und Dampf bestehen. Es ist ein Vermächtnis des früheren Energieministers Robert Goebbels (LSAP). Unter seiner Regie wurde ein anfangs auf 100 Megawatt Stromleistung konzipiertes Projekt auf 350 Megawatt ausgeweitet. Nicht mehr als 100 Megawatt sind auch heute für die Cegedel zur Weiterverteilung vorgesehen; weitere 150 Megawatt soll die Arbed für ihre Elektrostahlwerke beziehen, den Rest erhält die belgische Electrabel, die 1997 den Zuschlag für den Bau des Kraftwerks bekam und es dafür gratis errichtet. Der 350-Megawatt-Deal aber hatte ökonomisch noch weitere Vorteile: Die Arbed, die auf dem zur Liberalisierung vorgesehenen EU-Strommarkt als Großkundin gelten würde, konnte dazu bewegt werden, daheim erzeugten Strom zu beziehen, und wegen der Größe des Kraftwerks und weil die deutsche Ruhrgas AG in das Aktionariat der Luxemburger Gas-Verteilerin Soteg S.A. aufgenommen wurden, wird für die mit Erdgas betriebene GUD-Anlage ausnahmsweise gelten, dass sie den Brennstoff zu einem Preis beziehen kann, der nicht an den Erdölpreis gekoppelt ist, sondern an den für Kohle. Angesichts des derzeitigen preislichen Auf und Ab auf dem Rohölmarkt ein cleverer Handel.
Im Zeitalter regelmäßiger internationaler Klimaschutzkonferenzen ist jedoch die Ökonomie schon seit längerem nicht mehr alleiniges Maß aller Dinge. So musste man eigentlich auch die DP verstehen, die noch am 13. Januar 1999 in ihrem energiepolitischen Positionspapier, das als Wahlkampfbeitrag gedacht war, nicht nur so interessante Dinge einforderte wie eine Taxe auf den Stromverbrauch mit ökologischer Lenkungswirkung. Auch das GUD-Projekt sollte "auf seine Wirksamkeit noch einmal überprüft werden, da die Nutzung der Abwärme des Kraftwerkes als Fernwärme bzw. -kälte laut den bisherigen Erkenntnissen unbedingt besser genutzt werden muss".
Noch aber hat die heute in der Regierung mitverantwortliche DP nicht die Chance ergriffen, den Sozialisten zu zeigen, wie eine zukunftsweisende Energiepolitik aussehen könnte. Wenngleich die bestmögliche Nutzung von Dampf und Abwärme des GUD-Werks in dem vor einem Jahr vom DP-geführten Umweltministerium ausgearbeiteten nationalen Klimaschutzplan ausdrücklich als zu realisierende Maßnahme aufgeführt wird. Und wenngleich Umweltminister Charles Goerens im Sommer 2000 die Verfügungsgewalt über eine Million Euro (40 Mio. Franken) im Staatsbudget 2001 zuerteilt bekam, um damit die Errichtung eines Nahwärmenetzes in der Umgebung des Kraftwerks voran zu treiben. Für den gleichen Zweck hatte schon Robert Goebbels 1997 aus dem Verkauf staatlicher Anteile an der Soteg S.A. 200 Millionen Franken ins Staatssäckel umgeleitet.
Und noch während seiner Amtszeit wäre es beinahe zur Gründung eines Groupement d'interêt économique gekommen, das sich unter Mitarbeit des Staates, der Anrainergemeinden sowie unter anderem der Sudgaz S.A. - regionale Gasverteilerin im Landessüden - und der Luxenergie S.A. - Betreiberin mehrerer Blockheizkraftwerke, Mini-GUDs sozusagen - um die Konzeption der Wärmeabnahme und deren Vermarktung kümmern sollte. Aber das Vorhaben schlug fehl. "Ich weiß nicht, wer die Initiative damals gekillt hat", sagt Sudgaz-Direktor Jo Simon. "Wir waren interessiert und haben sogar gemeinsam mit anderen Unternehmen Studien anfertigen lassen."
Zögerlich war damals die Haltung der Gemiende Esch gewesen, deren schwarz-roter Schöffenrat darauf verwies, dass der Süden sehr gut mit Erdgas versorgt ist und sich zahlreiche Haushalte eine Gasheizung zugelegt hätten, ein Nahwärmenetz nicht nützlich sei. Die neue rosa-rot-grüne Gemeindeführung sieht das anders, hat längst Mitarbeit signalisiert. "Aber wir brauchen die Regierung", sagt Eschs Umweltschöffe Felix Braz (Déi Gréng). Eine schon im letzten Jahr angefertigte Machbarkeitsstudie habe ergeben, dass ein einziger Leitungsstrang vom Kraftwerk ins Escher Zentrum mehrere Hunderte Millionen Franken kosten würde.
Umweltminister Charles Goerens, der Mitte August letzten Jahres in einem Land-Interview versprochen hatte, sich um eine Abwärmenutzung seitens der Gemeinden zu kümmern (siehe d'Land vom 11. August 2000), erklärt heute, ein Gespräch mit den Verantwortlichen geführt zu haben. "Den Rest hat Staatssekretär Berger übernommen." Dieser jedoch hat auch nur ein weiteres Gespräch geführt. Ein Konsortium, das sich um die Vermarktung der Wärmeleistung kümmert, fehlt weiterhin.
Wohin mit der Wärme also? Eine Voraussetzung sei, so Goerens, dass die Twinerg S.A., die Betreiberin des Kraftwerks, eine Rohrleitung in die Industrienbrache Belval lege, damit sich von dort aus weitere Nutzer anschließen könnten. Dazu sei Twinerg vertraglich verpflichtet. Twinerg-Direktor Gaëtan Paternostre, früherer Electrabel-Manager, aber weiß davon nichts: "Unsere einzige Verpflichtung besteht darin, 40 Megawatt Abwärme und 150 Megawatt Dampf zu produzieren. In diesem Sinne wird das Kraftwerk auch gebaut."
Und es sei auch nicht Sache von Twinerg, die überschüssige Wärme zu vermarkten. Dass es viele potenzielle Interessenten gebe, hatte Carlo Bartocci, Chef der Direction de
l'énergie im Wirtschaftsministerium, im letzten Sommer behauptet. Bis heute aber stehen lediglich zwei staatliche Kunden, das neue Escher Lyzeum und das neue Berufsfortbildungszentrum, als Abnehmer fest. "Wir in Esch", sagt Felix Braz, "können nicht mehr tun, als in unseren Gutachten für Betriebsgenehmigungen zu empfehlen, dass neue Betriebe und Einrichtungen Einfüllstutzen für Wärmelieferung vom GUD-Kraftwerk vorsehen." Vielleicht kommen ja mal bessere Tage.
Wer könnte Wärmekunden akqurieren? Das Umweltministerium ist damit überfordert: "Wir bemühen uns um Kunden", sagt Eugène Berger, "wir machen Reklame." Wie viele bislang schon gefunden wurden, weiß er leider nicht. "Wir sind keine Agence commerciale." Eine solche aber wäre auch technisch wichtig: Das große Problem bei der Nutzung der riesigen Dampfmenge von 150 Megawatt, erklärt ein Experte der Umweltverwaltung, bestehe darin, dass sie am besten vollständig abgenommen wird, oder in der Nähe des Kraftwerks Wärmetauscher installiert werden, die die Dampfnutzung vom Stromerzeugungsprozess trennen. "Sonst steht für die Stromproduktion nicht mehr genug Dampf bereit, und man müsste mehr Gas zuschießen. Damit ginge der Wirkungsgrad aber in die Knie."
Federführend für das GUD-Projekt ist noch immer die Direction de
l'énergie im Wirtschaftsministerium. Zwischen ihr und den Gemeinden lief in der Vergangenheit stets die Diskussion, ob ein Konsortium zur Vermarktung der Abwärme gegründet werden sollte oder nicht. Dass Esch nicht nur interessiert ist an einer Mitarbeit in einer solchen Körperschaft, sondern sich auch kapitalmäßig beteiligen wolle, hat der Schöffenrat der Direction de l'énergie und Wirtschaftsminister Grethen bereits im August 2000 per Brief mitgeteilt. Noch aber gibt es darauf weder eine Antwort noch eine Empfangsbestätigung. Und das, obwohl Energie-Direktor Bartocci in der Vergangenheit stets erklärt hatte, alles sei vor allem von Esch abhängig. Zum Sachstand von heute war Carlo Bartocci für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. "Er möchte dazu nichts sagen", teilte seine Sekretärin mit. Keine Zeit. Ein Fax mit Detailfragen blieb unbeantwortet.
Und aller Klimabesorgnisse, die die Regierung immer wieder geäußert hat und worüber auch Premier Juncker in seiner jüngsten Erklärung zur Lage der Nation reflektierte, zum Trotz, scheint es nicht einmal sicher, dass ein negativer Spruch des Verwaltungsgerichts die Betriebsgenehmigung des GUD-Kraftwerks tatsächlich aufheben könnte. Die derzeit geltende Genehmigung sieht interessanterweise zwei Betriebsmöglichkeiten für das Kraftwerk vor: eine mit Nutzung der Abwärme und eine ohne. Nicht dumm, aber ökologisch bedenklich. Und gar nicht im Sinne jener "neuen energiepolitischen Ethik", die noch vor zwei Jahren die DP eingefordert hatte, die heute den für Energiefragen zuständigen Wirtschaftsminister stellt.