Klimaschutz

Der Zorn des BMW-Volkes

d'Lëtzebuerger Land vom 14.02.2008

Nein, nein, sagt Daniel Tesch, man befinde sich selbstverständlich nicht im Krieg mit der Regierung. In seinem Leitartikel für die jüngste Ausgabe von autotouring klingt der Direktor des Automobilclubs freilich zunächst anders: „La guerre est officiellement déclarée en 2006 et c’est le ministre de l’environnement qui ouvre les hostilités en tirant un premier missile à partir du sous-marin appellé PL-5611.“ Aber dann geht es so weiter: „L’engin atteint sa cible, après un retard causé par une panne affectant le système de guidage et éclate en plein marché de Noël frappant au même instant petits et grands, jeunes et moins jeunes, innocents et coupables, opposants et partisans, riches et pauvres. Tous pris au piège de leur activité de consommer.“

Damit wäre es das Volk, das im Krieg mit der Regierung stünde, das automobile zumindest, der ACL wäre so etwas wie das Rote Kreuz, kanalisiert die Wut der Ohnmächtigen und erstattet Bericht von der Front.

Aber: Sind die neuen KFZ-Steuern nicht noch immer sehr gering? Hatte Umweltminister Lucien Lux nicht Recht, als er bei der Vorstellung des Projekts im Rahmen des Klimaschutz-Aktionsplans Anfang Mai 2006 vorrechnete, dass selbst die neuen Steuersätze noch deutlich kleiner bleiben würden als die in den Nachbarländern, und zum Beispiel weitaus geringer als die in Belgien? Man könne sich sein Auto kaum noch leisten, tun manche Kriegsopfer im Guestbook von acl.lu kund. Könnte das vielleicht der Fall sein, wenn sie 567 Euro im Jahr kostet? Dann besitzt man eventuell den neuen Break aus der C-Klasse von Mercedes in der benzingetriebenen AMG-Ausführung mit 525 PS und 326 Gramm CO2 pro Kilometer. Der kostet so viel an Steuern. Und für die im vergangenen Jahr neu zugelassenen Wagen rechnet der Umweltminister vor: Für ein Drittel von ihnen würden unter 100 Euro im Jahr an Steuern fällig, für 74 Prozent weniger als 200 Euro. Was soll’s also?

Die Frage wird sich stellen, wenn die Regierung die im Dezember kurzfristig zurückgezogene CO2-Besteuerung auch von Betriebswagen wieder aufgreift. Jahr für Jahr werden immer mehr Betriebswagen zugelassen, und immer stärker wird dieser Trend zu einer Stütze für den Markt. Man versteht, weshalb die Händlerverbände entsetzt waren, diese Regelung in jenem Gesetzentwurf versteckt zu finden, der unter anderem auch den Kinderbonus brachte. Und den Finanzminister Jean-Claude Juncker mit keinem Wort erwähnte, als er den Kinderbonus mitsamt der neuen Steuertabelle und den neuen Einkommenssteuerklassen auf einer eigens dazu einberufenen Pressekonferenz vorstellte. 

Fahrzeugsteuer ist Psychologie – gerade wegen der besonderen Abhängigkeit vieler Luxemburger von ihrem Automobil. Das hat zum einen zu tun mit Mobilitätsbedürfnissen. Wie kaum anders zu erwarten, gibt es in den größten Städten des Landes die meisten Haushalte ohne Auto: 2003 waren es 29 Prozent in Luxemburg-Stadt, 32 Prozent in Esch-Alzette. In der Hauptstadt lag der statistische Schnitt bei einem halben Auto pro Haushalt, wo es landesweit 1,4 Autos waren. Schon im unmittelbaren Umland der Hauptstadt ging der Auto-Anteil stark nach oben: in Walferdange auf 1,2, in Strassen auf 1,3. Es dürfte gelten, dass eher kein Auto benötigt, wer viele Wege auf andere Weise zurücklegen kann. Das ist in großen Städten einfacher. Wenn hierzulande die Pro-Kopf-Motorisierung im vergangenen Jahr den bislang von den USA gehaltenen Weltredkord brach, wie die Garagistenverbände Adal und Fegarlux auf Seite 5 ihres kürzlich an alle Haushalte des Landes verteilten Almanach de l’automobile stolz mitteilen, dann wohl auch, weil es nur wenige urbane Räume in Luxemburg gibt, die Arbeitsplätze sich in der Hauptstadt konzentrieren, die andererseits lange Zeit einen steten Einwohnerschwund kannte.

Doch der Rekord ist vielleicht nicht nur zusammenzubringen mit der „IVL-Frage“, sondern hat noch mit einer anderen Abhängigkeit zu tun: der sozialen. Jahr für Jahr geht aus den Verkaufs- und Zulassungsstatistiken von Statistikamt Statec und der Kontrollstation in Sandweiler hervor, dass die nachgefragtesten Neuwagen solche aus der Kompaktklasse sind. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt geht es anders zu. Dort werden, verglichen mit dem Neuwagenmarkt, weitaus mehr Autos vom Typ BMW, Mercedes und Audi nachgefragt. Das Differdinger Sozialforschungsinstitut Ceps fand diesen Sachstand in einer vor zwei Jahren veröffentlichten Studie auf der Ebene vieler Gemeinden wieder und stellte fest, dass es tatsächlich eine ausgeprägte soziale Abhängigkeit von verschiedenen Wagentypen gebe. Ein Volk von BMW-Fahrern, könnte man fast schon sagen, wenn nicht aus erster Hand, dann aus zweiter. 

Deshalb ist es nicht gesagt, dass der erneute Ansatz zur Besteuerung von Firmenwagen nicht als eine weitere „Kriegserklärung“ aufgefasst wird, dass der ACL sie als solche interpretiert, dass die DP sie als „Angriff auf den Mittelstand“ ausschlachtet, obwohl Charles Goerens gern eine CO2-Steuer eingeführt hätte, als er noch Umweltminister war. Und weil im Laufe des letzten Jahres bei der Zollverwaltung so ziemlich alles schief ging beim Berechnen der neuen Steuerbeträge und ihrer Eintreibung. Und weil die neue Fahrzeugsteuer als System nicht gut genug erklärt wurde. Und weil plötzlich auch Caravans und Lastenanhänger teurer wurden ...

Dabei ist diese Steuer wichtig und richtig. Die Hersteller benötigen Innovationsdruck vom Kunden. Auch von dem aus dem Land mit der höchsten Pro-Kopf-Motorisierung und dem niedrigsten Durchschnittsalter der Autos weltweit. Ironischerweise fordert der Verband der deutschen Automobilhersteller, die Regierung in Berlin möge endlich eine CO2-abhängige Fahrzeugsteuer einführen. Und leider ist es eben unrealistisch, das Verursacherprinzip über die Spritpreise wirken zu lassen. Sie müssten wesentlich höher sein als gegenwärtig, um einen Lenkungseffekt zu haben, und sozial austariert sein. Dann aber würden die Nachbarländer zu Tanktourismus-Destinationen. Der Automobilclub hat keine taugliche Alternative anzubieten: Die Steuer nach den gefahrenen Kilometern zu bestimmen, ist so aufwändig wie potenziell an anderer Stelle ungerecht. Der zweite Weg, dafür zu sorgen, dass Treibstoffe beim Import billiger würden, um einen Preisspielraum zu gewinnen, den man anschließend nicht an den Tankkunden weitergibt, würde dem Staat Einnahmen sichern, hätte aber keine Wirkung auf die Fahrzeughalter und -hersteller. „Aber von Pädagogik“, sagt der ACL-Direktor, „sind wir sowieso nicht so begeistert.“ 

Alles nur de bonne guerre. Aber leider kommt auch keine politische Debatte über das Thema zu Stande. Weder vom Premier und Finanzminister ausgehend, noch von der LSAP oder den Grünen. Von der DP sowieso nicht. Es könnte ja ein Autofahrer zuhören.

Peter Feist
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