Wasserpreis

Waassertax 2.0

d'Lëtzebuerger Land vom 08.05.2008

Die Privatbeamtenkammer CEPL hatte es herauszustellen versucht, als sie letzte Woche ihre neue Eco-News veröffentlichte, diesmal über die Entwicklung der öffentlich administrierten Preise. Zwischen Januar 2003 und März 2008 stiegen die kommunal erhobenen Gebühren zur Wasserversorgung im Landesdurchschnitt um 43,5 Prozent, die zur Abwasserbehandlung sogar um fast 96 Prozent. Die nach der nationalen Zählweise IPCN berechnete Inflation lag gleichzeitig bei 14 Prozent. Und allein zwischen März 2006 und März 2008 hatten die Abwassergebühren stärker zugelegt als die für Wasser, Parkplatzbenutzung und Abfallbehandlung zusammen: ein Plus von 76,3 Prozent bei einer Inflation von 5,7 Prozent. Damit hätten die Gemeinden „in letzter Zeit massiv übertrieben“, sagt CEPL-Direktor Norbert Tremuth, und „wir finden, dass die Regierung da eingreifen sollte“.

Wird sie? – Nicht wirklich. Schließlich steht, seit Innenminister Jean-Marie Halsdorf vor rund einem Jahr den Entwurf zum Wasserrahmengesetz vorlegte, offiziell ein Richtpreis von rund 4,50 Euro pro Kubikmeter für Wasser plus Abwasser in Aussicht, wenn ab 1. Januar 2010 kostendeckende Preise erhoben werden müssen, weil die EU-Wasserrahmenrichtlinie es so vorschreibt. Noch nimmt keine Gemeinde so viel, aber die Richtung ist klar. 

Dass der Regierungsrat sich am 18. April auf ein „Einfrieren“ der administrierten Prei­se geeinigt hat, um einen Beitrag zur Eindämmung der Inflation zu leisten, und sich um jene Preise bemü-hen will, auf die der Staat „großen Einfluss“ hat und zu denen auch der kommunal festgelegte Wasserpreis gehört, tut dem keinen Abbruch. „Kostendeckung gilt ab 2010“, betont Innenminister Halsdorf gegenüber dem Land, da sei „ein zeitlich begrenzter Stopp“ schon drin. „Bestimmt hat Jeannot Krecké das so gemeint“, als er im Abendjournal des RTL-Fernsehens im Anschluss an den Regierungsrat vor drei Wochen die frohe Nachricht kund tat, bemerkt Halsdorf in Richtung des Koalitionspartners. In der Zwischenzeit aber wurde den Gemeinden per ministeriellen Rundbrief empfohlen, auf weitere Gebührenerhöhungen vorerst zu verzichten.

Was vielleicht nicht nur mit der Inflationsentwicklung zu tun hat, die von Wasserpreis, Abwasser- und Abfallgebühren nur mit einem 1,35-Prozent-Anteil im Warenkorb beeinflusst wird (d’Land, 25.04.2008), sondern auch damit, dass der Eindruck, den der Bürger draußen im Land von seiner Wasserrechnung gewinnen könnte,  gerade in den noch bis zu den nächsten Wahlen verbleibenden 13 Monaten besonders schwer vorhersehbar ist. Die Kostendeckung ansteuern sollen die Gemeinden ja bereits. Und da gibt es zwar die Beckericher Erfahrung: „In unserer Gemeinde haben wir einen der derzeit höchsten Preise im Land: 3,30 Euro pro Kubikmeter“, sagt der grüne Abgeordnete und Beckericher Bürgermeister Camille Gira. Aber nicht ein Bürger habe sich bislang bei ihm darüber beschwert. Ob das immer und überall so sein muss, ist natürlich nicht garantiert. Man müsse den Leuten auf jeden Fall zeigen, dass man auch etwas für sauberes Wasser tut, meint Gira.

Und noch streuen die Preise im Land erheblich. Letzten Statistiken des Innenministeriums zufolge lag der Preis für Trinkwasser am 1. Juli 2007 zwischen zwei Euro pro Kubikmeter in Luxemburg-Stadt, Neunhausen und Rambrouch und 50 Cents in Schüttringen. Die Abwasserbehandlung kostete zwischen 1,68 Euro je Kubikmeter in Bissen und nur neun Cents in Leudelingen. Die Hauptstadt-Randgemein­de konnte Mitte 2007 überhaupt als Wasser-Discounter gelten: der Kubikmeter Trinkwasser kostete lediglich 69 Cents. Der Gesamtwasserpreis von 78 Cents müsste sich demnach von Mitte 2007 bis Ende 2009 ungefähr versechsfachen, sollten demnächst auch in Leudelingen 4,50 Euro gelten.

Allerdings ist zumindest bisher noch nicht klar, wohin genau der Wasserpreis sich entwickeln wird – der Kölner Finanzwissenschaftler Dieter Ewringmann, der diese These im April in einer für den Mouvement écologique angefertigten Studie aufstellte, behält Recht. Am Dienstag hieß der parlamentarische Innenausschuss den überarbei­teten Entwurf zum Wasserrahmengesetz mit seinen an die hundert Abänderungen gut. „Präzisiert wird darin unter anderem, dass der Endverbraucher tatsächlich nicht für Kosten aufkommen muss, die nicht mit ihm in Zusammenhang stehen“, sagt Ausschusspräsident Marco Schank (CSV). Dass eine Versiegelung des Bodens den Abfluss des Regenwassers erschwert, werde nun jedem Verursacher angerechnet: sei es ein Hausbesitzer, sei es der staatliche Straßenbaufonds oder der Besitzer eines Parkplatzes vor einem Supermarkt. Und für den Wasserverbrauch im öffentlichen Sektor müssten die öffentlichen Haushalte aufkommen.

Eine weitere deutliche Neuerung ge­genüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf betrifft die Zuständigkeit für die neuen Gebühren. Sowohl für die Trinkwasserbereitstellung als auch für die Abwasserbehandlung sollen die Gemeinden je zwei Taxen erheben, davon flösse jeweils eine ins Gemeindebudget, die jeweils andere in den staatlichen Wasserwirtschaftsfonds. Aber während ursprünglich der Staat die Rolle der planenden, kontrollierenden und finanziell intervenierenden Instanz bei der Verbesserung der Abwasserbehandlung sowie bei der Prävention von Verschmutzun­gen des Grund- und Oberflächenwassers übernehmen sollte und die Gemeinden überwiegend als Ausführende und Zuzahler fungiert hätten, werden ihnen nun mehr Zuständigkeiten zuerkannt. Das drückt sich auch in den Gebühren aus: Anfangs sollte der Staat eine gestaffelte Abwassertaxe von 30 Cents bis zwei Euro je Kubikmeter einnehmen, je nachdem, ob die betreffende Gemeinde an eine Kläranlage auch mit biologischer Klärstufe oder an gar keine Kläranlage angeschlossen ist. Nun ist eine landesweite Abwassertaxe von „an die 20 Cents“, so der Innenminister, vorgesehen. Nur Gemeinden, die mehr als ein Drittel ihrer Abwässer ungeklärt ableiten – sinngemäß die ohne Kläranlage, von denen es vor allem an der Mosel einige gibt – würden zusätzliche 1,50 Euro pro Kubikmeter erheben, „damit ihre Bürger sich fragen, wieso es bei ihnen keine Kläranlage gibt“.

Dass bei einer Staatstaxe für Abwasser von in der Regel 20 Cents und einer Ressourcentaxe für Trinkwasser, die nur noch bei rund zehn Cents liegen soll, die Gemeinden anteilig mehr an Gebühren erheben müssten, folgt daraus. Simulationen, die bis Juli abgeschlosen sein sollen, sollen klären, innerhalb welchen Fächers die Gemeinden ihre neuen Wassergebühren modulieren und ihnen nach eigenem Ermessen einen Anteil von Fixkosten und variablen Kosten zugrunde legen dürfen. 

Das ist eine besonders wichtige Frage. Dass die Wasser- und Abwasserkosten zu 80 bis 90 Prozent Fixkosten sind, von Investitionen in die Infrastruktur über Abschreibun­gen bis hin zu Personalkosten, hatten das Wasserwirtschaftsamt und die Alu­seau, der Verband der Wasserversorger, schon vor drei Jahren ermittelt. Aber benutzte man diesen Anteil zur Preisbildung, blieben nur zehn bis 20 Prozent Spielraum, um den Endkunden am Wassersparen und am Mindern seiner Rechnung zu interessieren. Verschwender würden sinngemäß belohnt, die kostendeckenden Preise wären ausgerechnet eines eher nicht: ökologisch zielführend.

Weil die Kostenrelation von vielen lokalen Gegebenheiten abhängig sein wird, ist politikoffiziell vorsichtshalber noch immer die Rede vom Wasserpreis von 4,50 Euro. Streuungen werde es geben, meint der Innenminister, „aber nicht so starke wie heute“. Welchen Anteil von Fix- und von variablen Kosten eine Gemeinde am Ende wählt, wäre auch sozialpolitisch bedeutsam: „Sie könnte zum Beispiel entscheiden, kinderreiche Familien zu unterstützen, dem Wasserpreis einen hohen Festkostenanteil geben und Mehrverbrauch relativ gering belasten“, sagt Marco Schank. Oder auch nicht, denn gerade dieses Szenario fände der Grüne Camille Gira „verrückt“: „Dann würde man die Witwe mit der Mindestrente belasten und sie könnte das kaum durch Wassersparen mildern.“ In Beckerich werde ein möglichst hoher variabler Anteil im Preis auftauchen.

Im Grunde geht man so bereits jetzt vor: Die 3,30 Euro pro Kubikmeter verschaffen der West-Gemeinde Mehr­einnahmen von 100 000 Euro im Jahr. „30 000 verteilen wir zurück an die sozial bedürftigsten zehn Prozent der Bürger“, sagt Gira. „Die restlichen 70 000 Euro decken immerhin die Hälfte unseres kommunalen Beitrags am Betrieb der Maison relais.“

Da über den nunmehr höher als früher veranschlagten Gebührenanteil, der in der Gemeinde bleiben soll, die neuen Wasserpreise die Gemeindefinanzen entlasten, wird das Wasserrahmengesetz nicht nur dazu beizutragen haben, dass möglichst bis 2015 der „gute ökologische Zustand“ aller Gewässer erreicht werden kann. Dass die Wassergebühren andere Einnahmen der Kommunen zur anderweitigen Verwendung frei machen, rechtfertigt offenbar auch den weitgehenden Verzicht auf „so-ziale Parameter“ bei der Bestimmung der neuen Wasserpreise: Ihre Anwendung erlaubt die Richtlinie ausdrücklich. Aber künf­tig werden die Wasserverbraucher zwischen Haushalten und Kleingewerbe, zweitens den Industriebetrieben, drittens der Landwirtschaft unterschieden. Und es gelte das „principe de l’équivalence“, antwortete Jean-Marie Halsdorf am 21. April auf eine parlamentarische Anfrage (QP 2348). „Ainsi, s’il s’agissait de faire prévaloir des effets so­ciaux, en garantissant, à titre d’ex­emple, une quantité minimale d’eau à un prix moins élevé à une partie des consommateurs“, käme es zu einer „redistribution des coûts [qui] pourrait créer des effets peu profitables à la compétitivité de l’industrie nationale“.

Bei diesem Ansatz bleibt es auch im überarbeiteten Gesetzentwurf. „Weil wir wollen, dass mit Wasser sparsam und nachhaltig umgegangen wird“, so der Innenminister, werden auch die in einzelnen Gemeinden bestehenden sozialen Staffelungen wegfallen. In Hesperingen etwa gilt ein ermäßigter Trinkwasserpreis für Familien mit mehr als zwei Kindern, die Abwassertaxe entfällt für sie ganz. In Steinsel, Lintgen und Mamer ist der Kubikmeterpreis Trinkwasser nach Volumen gestaffelt, und wer wenig verbraucht, für den gilt ein niedrigerer Tarif. Künftig sollen nur noch allocations sociales, Zuschüsse an die sozial Schwächsten, möglich sein.Allerdings werden die Gemeinden es sein, die den Bürgern erhöhte Wasserpreise erklären müssen. Nicht nur sozial Schwachen – es gilt auch dies: Sollten, weil zu viel Wasser gespart wird, die Festkosten nicht gedeckt werden, müsste man den Wasserpreis anpassen. Da Abschreibungen für Neuinvestitionen in die Fixkosten eingehen, dürfte der Preis nicht so schnell sinken. Und am Ende könnte die Wasserpreisreform den Boden für Gemeindefu­sionen schneller bereiten als alle bisherigen Debatten um eine Territorialreform.

Peter Feist
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