Vergangene Woche rief Premierminister Xavier Bettel den russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Er bat ihn um einen Waffenstillstand in der Ukraine. Er schlug ihm vor, sich mit der ukrainischen Seite an einen Tisch zu setzen.
Vielleicht handelte der Premier in höherem Auftrag. Andernfalls ist die Erfolgsaussicht seiner Telefonate begrenzt. Nutzlos sind sie nicht. Sie flößen der Wählerschaft Hochachtung ein: Zweimal binnen einer Woche den vielbeschäftigten Kriegsherrn einer Atommacht an den Apparat zu bekommen, zeugt von internationalem Format.
Xavier Bettel will als ehrlicher Makler auftreten wie der Held von Dublin. Nicht als Speckkäfer einer Operettenmonarchie. Nach dem Konkurs der Sowjetunion beschönigten Sprüche über Demokratie und Marktwirtschaft die Schocktherapie zur gewaltsamen Bereicherung. Die hiesigen Banken, Industrien, Anwaltskanzleien und Rolex-Händler wollten mitverdienen. Die Friedensbemühungen des Premiers trösten über die Geschäftsbeziehungen zu russischen Millionären hinweg. Im Interesse der Geschäftsbeziehungen zu Millionären anderer Länder.
Spontane Initiativen von Privatpersonen, Gemeindeverwaltungen und Betrieben zeigen die große Solidarität mit den Nicht-Millionären aus der Ukraine. Gegenüber TNS Ilres waren 93 Prozent der Befragten mit der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen einverstanden. Von denen manche noch gestern Billiglohnarbeiterinnen für die deutsche Automobilindustrie waren. Die Billiglohnarbeiter von ArcelorMittal Kryvyi Rih müssen an die Front.
Der Krieg um imperialistische Einflusszonen rückt näher. Die Politik wird auch hierzulande neu sortiert. Die USA und die Europäische Union rufen zum Wirtschaftskrieg gegen Russland auf. Die DP war stets die atlantistischste der Parteien. Doch das liberale Bürgertum bekennt sich nur widerwillig zu Sanktionen. Sie schaden dem eigenen Geschäft.
Ex-Minister der LSAP klammerten sich an ihre russischen Tantiemen. Die Sozialdemokratie erscheint als Haufen geschäftstüchtiger Karrieristen. Der Außenminister mit der menschlichen Note soll ihren Ruf retten.
Déi Gréng wollten einst Frieden schaffen ohne Waffen. Ihr Verteidigungsminister feierte vor einer Woche die Koreakämpfer als Freiheitshelden. Er schickt Panzerfäuste in die Ukraine. Nun ist er Kriegsminister.
Nach dem Krieg gegen das Virus bietet die Opposition wieder einen Burgfrieden an. Seit 2013 haben DP, LSAP und Grüne die Rüstungsausgaben von 146 auf 395 Millionen Euro verdreifacht. Das hat Wladimir Putin nicht beeindruckt. Die CSV möchte die Rüstungsausgaben weiter erhöhen. Den rechten Nationalisten von der ADR ist der rechte Nationalist Putin plötzlich peinlich. Die Piraten wollen mehr Waffen in die Ukraine schicken. Die Linke will nicht missverstanden werden. Sie kritisiert das Great Game zurückhaltend. Die Kommunisten verwechseln Russland mit der Sowjetunion.
Die Leitartikler hatten „de Russ“ schon immer durchschaut. Ihre Großväter waren Zwangsrekrutierte. Die Regierung soll es Putin nun zeigen.
Alle wollen nur, dass der Krieg schnell vorbei ist. Gleich, wer gewinnt. Aus Angst vor der „Sanktionsspirale“. Energie und Rohstoffe sind schon teuer genug. Absatzmärkte sind verriegelt. Die Preise steigen. Zur Bekämpfung der Inflation soll die Europäische Zentralbank die Zinsen bis in die nächste Rezession erhöhen. Zum dritten Mal soll der Staat die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse stabilisieren. Nach der Bankenrettung und der Covid-Seuche. Schulden sind nicht mehr die größte Angst der Sparapostel. Die Stabilisierung des Klimas hat Zeit.
Die Zeiten werden rauer. Die USA nutzen die Kriegsangst, um die Nato-Verbündeten auf Trab zu bringen. Für den Kalten oder heißen Krieg mit China. Heiner Müllers verstaubte Dramen sind über Nacht wieder aktuell: Im „Salon vor der Französischen Revolution / Bunker nach dem dritten Weltkrieg“ (Quartett).