LEITARTIKEL

Looking for justice

d'Lëtzebuerger Land du 25.03.2022

Für heute um 14 Uhr ruft Youth for Climate Luxembourg (YFCL) auf der Place Clairefontaine erneut zum Klimastreik auf, etwa 3 000 Menschen werden erwartet. Nach einer pandemiebedingten Pause ist es die zweite Demo, die in Präsenz stattfinden darf. Gerade jetzt, wo sich alles lockerer anfühlen müsste, befinden wir uns schon mitten in der nächsten Krise: Krieg in Europa. YFCL unterstützt die globalen Friedensbewegungen und fordert „ein Ende aller Kriege“.

Für die Generation der unter 20-Jährigen ballt sich gerade einiges. Generation Z und Generation Alpha haben die letzten beiden Jahre im Unterricht Masken getragen, auf Klassenfahrten und Nachtleben verzichtet, um die älteren Generationen und verwundbare Menschen zu schützen. Die meisten haben dies getan, ohne groß zu meckern. Es ging immerhin um Solidarität, ein Wort, das die letzten Jahre fast ein wenig an Schlagkraft verloren hat, so oft wurde es von der Politik herangezogen, um die Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen.

Was gibt es im Gegenzug? Wo bleibt die Solidarität mit denen, die den ganzen Mist am längsten austragen müssen? Entschuldigen Sie die Karikatur, doch die Boomer scheinen sich vorrangig um die fossile Versorgung ihrer BMWs zu sorgen und ob sie künftig noch 130 Stundenkilometer auf der Nordstrooss fahren dürfen. Derweil nennt Mobilitätsminister François Bausch (Déi Gréng) den autofreien Sonntag auf RTL „Symbolpolitik“. Er sei kein großer Fan davon.

In der Antarktis sind es normalerweise um diese Zeit minus 50 Grad. Ende letzter Woche zeigte das Thermometer minus elf Grad an. Babies, die 2020 geboren wurden, werden voraussichtlich zwischen vier und sieben Mal mehr extreme Hitzewellen erleben als Menschen, die 1960 geboren wurden. Wer auf die Suche nach Gerechtigkeit geht, der wird in der modernen Welt kaum fündig werden.

Der Krieg in der Ukraine zeigt mehr denn je, wie verschränkt die Probleme unserer Zeit sind. Wie abhängig wir immer noch von fossilen Energien sind. Einfache Lösungen gibt es nicht, doch die Hypokrisie des Westens bleibt flagrant. Wenn etwa Boris Johnson nach Saudi-Arabien reist, um mehr Ölexporte zu sichern. Das Land hat kürzlich 81 Menschen an einem Tag hingerichtet. Man drückt halt gerne mal ein Auge zu, wenn es ums Geld geht.

Kein Wunder, dass auch bei den Klimaaktivisten gemischte Stimmung herrscht. Die Motivation ist zurückgekehrt, auch Freude, dass die Bewegung sich wieder treffen kann. Doch Sarah Muller, 20 Jahre alt und Aktivistin beim YFCL, hat in ihrem Umfeld auch beobachtet, wie einst sehr engagierte junge Erwachsene sich in den letzten zwei Jahren zurückgezogen haben. „Bei vielen sind die Zukunftsängste gewachsen. Sie mussten kürzer treten, um ihre seelische Gesundheit zu schützen.“

Der im Oktober erschienene Unicef-Bericht zur psychischen Verfassung von Kindern und Jugendlichen ist ernüchternd: „Aktuellen Schätzungen zufolge lebt jeder siebte junge Mensch zwischen zehn und 19 Jahren mit einer diagnostizierten psychischen Beeinträchtigung oder Störung wie Angstzuständen, Depressionen oder Verhaltensauffälligkeiten.“

Sarah Muller sagt, sie finde es frustrierend, dass keine richtigen Lehren aus den Krisen gezogen würden. Keine nachhaltigen. Natürlich habe sie weiter Hoffnung, sei aber der Ansicht, dass YFCL in ein paar Jahren nicht mehr gegen den Klimawandel auf die Straße gehen, sondern schauen wird, wie man sich ihm anpassen kann. Der Idealismus weicht dem Pragmatismus. Die Frage, wer in wessen Schuld steht, stellt sich dringlich.

Sarah Pepin
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