Fashion Week in Berlin

Der Pöbel muss leider draußen bleiben

d'Lëtzebuerger Land vom 25.01.2013

Habe ich Ihnen schon ein frohes neues Jahr gewünscht? Nein. Frohes Neues. Und wie könnten wir besser ins neue Jahr rein rutschen als mit Kleidern, Glamour und Sekt und das in Zeiten von Krisen, Armut und Hunger? Eben, besser geht nicht, und das ist der Grund, dass ich Sie auf meine kleine Fahrt rund um die Fashion Week in Berlin mitnehme. Diese fand letzte Woche vom 15. bis 20. Januar in Berlin statt.

Kein Mensch weiß so genau, so wirklich genau, was das ist. In erster Linie bedeutet eine solche Fashion Week für mich, dass die Stadt voller Menschen mit diesen Namensschildchen um den Hals, am Gürtel, oder lässig aus der Tasche raushängend, ist. Ich bin dabei, wir sind dabei, das wollen sie uns zeigen. Wir sind Teil dieser wichtigen Leute, die euch das Besser-Anziehen lehren.

Ich finde Mode sehr spannend, Kleider sind wichtig. Jemand der so tut als wäre es ihm egal, was er anzieht, lügt. Punkt. Was aber jetzt nicht heißen soll, dass es nur um Äußerlichkeiten geht. Nein, wie man sich kleidet hängt schließlich vom eigenen Geschmack ab, und der kommt bekanntlich von innen. Meistens. Schließlich benutzen wir den Spiegel nicht nur dazu, um unsere Pickel ortsgenau auszudrücken.

Und mein Punkt, den ich Ihnen, meine Damen und Herren, heute etwas ausführlicher beschreiben will, hat mit Mode zu tun, und in welchem Rahmen diese Mode präsentiert wird.

Sogar ich wurde zu einigen Veranstaltungen eingeladen. Ich habe dann eine kleine Auswahl getroffen und eine davon lautet Swergie. Mehr als drei werden es mit Sicherheit nicht. Das tue ich mir nicht an, bei aller Liebe zu Partys und Mode und gut aussehenden Frauen und Männern.

Am 16. Januar machte ich mich also auf den Weg zu dieser Party von Swergie. Um was es da ging? Wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber ich fand den Namen irgendwie lustig. Danach wusste ich dann, dass die einen riesen Aufwand zelebriert haben, um schnieke Design-Kopfhörer an den Mann zu bringen. Damit der Klang nicht aus hässlichen Pappschalen in die Ohren fließt. So beat it.

Jetzt kommen wir aber zu meinem Punkt. Entschuldigen Sie mein nie enden wollendes Geschwafel. Swergie war eine Geschlossene-Gesellschaft-Veranstaltung, heißt Gästeliste. Der Pöbel muss draußen bleiben und ich durfte rein. Juhu. Endlich, meine jahrelange Arbeit als Schauspieler und Autor zahlt sich aus, ich bin anerkannter Künstler mit dem sich die Veranstalter rühmen dürfen: Wenn Spada kommt, wollen alle unsere Kopfhörer kaufen. Dafür stehe ich sehr gerne zur Verfügung. Natürlich.

Nase hoch, Bauch rein, Ohren sauber, und ab geht es über den roten Teppich. Da war wirklich ein roter Teppich, aber kein einziger Fotograf, der sich für mich interessierte. Mein Ego, umgeschaltet auf Großzügigkeit, das wird schon noch.

Ich holte mir ein Glas Rotwein, denn es gab keinen Gin Tonic. Natürlich war der Rotwein umsonst, schließlich wurde ich eingeladen und nicht umgekehrt. Weiter, auf dem Programm stand irgendwas mit Mode, Musik, Kunst (!) und Elektro, was eigentlich auf jedem Programm in dieser Stadt steht. Und die Menschen? Nicht ein einziger Star, nicht einmal auf Dschungel-Camp-Niveau, aber jeder auf der Suche. Auf der Suche? Alle Blicke kreuzen sich, mehrmals, ziehen sich aus, ziehen sich um, treffen sich, ist das nicht? Nein, ist er nicht. Und der? Das ist doch? Nein, auch nicht.

Und die Mode? Nun ja, die Mode... darf man hier auch rauchen? Nein, aber egal. Wir rauchen trotzdem. Schließlich ist das Berlin (ey!) und nicht München (buh!). Und die Mode? Nun ja, die Mode... Berlin, ich finde das schon so, also, Berlin, und jetzt überall und Berlin, warst du schon in diesem Club und Berlin, mit diesen Touristen finde ich ja auch eher anstrengend. Und die Mode? Ja, selten eine Veranstaltung erlebt mit so vielen schlecht angezogenen Menschen. Plastikirgendwas auf Kunstfell, gepaart mit Omas Jäckchen mit einem zarten Hauch schwedischer Arroganz. Eher eine Art Anti-Fashion-Week, weil alle nicht einfach zugeben wollen, dass sie kleine Spießer sind und viel lieber in Paris mit Karl Lagerfeld Macarons essen wollen würden. Aber nein, wir leben im selbstverliebten Berlin, und wir sind cool, sexy und sehr (bemüht) „undergroundig-anders“. Sprich: Ohne Geschmack.

Und der Punkt? Es geht hier nicht um Mode, nicht um Fashion. Es geht darum möglichst gut zu verstecken, dass man nicht weiß, warum man hier ist. Mehr nicht. Das, meine Damen und Herren, ist der Punkt. Die Fashion-Week-Woche mit ihren Veranstaltungen ist an Farblosigkeit nicht zu übertreffen. Leider. Ich selbst wurde eingeladen, weil ich irgendwann mal irgendwo für irgendwen irgendwas gearbeitet habe, und ja, das war es auch schon. Ich wichtiger Mensch. Und bevor ich noch an Farbe verliere, bestelle ich mir ein Taxi. Irgendwohin, vielleicht nach Paris. Zu Karl.

Luc Spada
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