Adem-Reform

Verwirrung

d'Lëtzebuerger Land vom 09.12.2010

„Ass de Schmit midd?“, hatten die jungen Christsozialen Ende November in einer Pressemitteilung gefragt und von Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) verlangt, er solle endlich den Gesetzentwurf zur Reform der Administration de l’emploi (Adem) vorlegen, den er bereits im Mai angekündigt hatte. Ein halbes Jahr sei vergangen, die Neugestaltung der Adem aber noch immer nicht in Sicht. Trotz Aufschwungs steige die Arbeitslosigkeit, ein „Paradoxon struktureller Natur“, wetterte die Jugendsektion der CSV fettgedruckt. „Menschen mit weniger Bildung, insbesondere die junge Arbeitslose bleiben dabei leider außen vor! Mangels an Qualifikation kann die überwiegende Mehrzahl der Arbeitssuchenden nicht auf die offenen Stellenangebote vermittelt werden“, regte sich die CSJ in schlechtem Deutsch auf. Diese widersprüchliche Situation sei der Minister nicht angegangen.

Schmit ließ sich nicht lange bitten. Vergangenen Freitag legte er dem Regierungsrat den Gesetzentwurf zur Reform der Adem vor. Der enthält im Vergleich zu den Ankündigungen, die Schmit im Juli gemacht hatte, als eine neue Philosophie und eine neue Struktur der Adem vorgestellt wurden, einige Überraschungen.

Dass die Adem, die künftig Agence pour le développement de l’emploi heißt, eine Staatsverwaltung bleiben soll, war zwar schon bekannt. Dass man ihr dennoch eine Art Verwaltungsrat verpassen würde, wie er bei Établissements publics üblich ist, nicht. „Commission de suivi“ soll das Organ heißen, das, wie Schmit sagt, den Betrieb, die Bedürfnisse und die Ergebnisse der Adem kontrollieren wird. Die Kommission soll laut Schmit unter der Leitung eines „unabhängigen“ Vorsitzenden stehen, der also weder aus den Reihen der Arbeitgeber-, noch aus denen, der Arbeitnehmervertreter stammt. Die sollen allerdings jeweils drei Kommissionsmitglieder bestellen und die Ministerien für Arbeit, Wirtschaft, Berufsausbildung und die Armutsbekämpfung jeweils ein Kommissionsmitglied entsenden. Vertreter der Adem können lediglich als Beobachter oder zur Vorstellung von Daten und Informa-tionen eingeladen werden. Mindestens zwei Mal jährlich muss die Kommission tagen sowie einen Jahresbericht schreiben. Außerdem, erklärt der Arbeitsminister, kann er die Kommission zur Erstellung gezielter Gutachten heranziehen. Dass die Adem selbst nicht im Gremium vertreten ist – „das habe ich abgelehnt“, sagt Schmit – dürfte dort nur verhaltene Begeisterung auslösen. Zumal die Adem dadurch einen Sonderstatus unter Staatsverwaltungen erhält – andere Verwaltungen haben kein gesondertes Kontrollorgan, das ihnen so genau auf die Finger schaut.

Im Sommer hatte Schmit ein Direktionskollegium vorgestellt. Der Direktorin Mariette Scholtus wurden drei beigeordnete Direktoren zur Seite gestellt – aus vier Führungskräften also sollte künftig das Kollegium an der Spitze der Adem bestehen. Mit diesem Aufbau waren im Juli klar definierte Aufgabenbereiche verbunden worden. Fabio Scolastici war fortan für den Kernbereich der Adem, die Arbeitsvermittlung zuständig. Pierre Schloesser wurde an die Spitze der internen Verwaltung – Personal-, Finanz- und juristische Abteilung inklusive – bestellt. Aufgabe der dritten beigeordneten Direktorin, Ginette Jones, war es ab sofort, die Umsetzung der gesetzlichen Maßnahmen beispielsweise zur gezielten Förderung der Beschäftigung von Frauen, junger oder behinderter Arbeitnehmer sicherzustellen, und die Weiterbildung der Erwerbslosen zu organisieren.

Diese klare Struktur findet sich im Gesetzentwurf nicht mehr wieder. Die Zuständigkeiten sind nicht mehr so deutlich zugeteilt, wie das noch im Juli der Fall war. Lediglich den Aufgabenbereich, der in etwa dem entspricht, den Fabio Scolastici im Juli übernahm, kann wer sucht im Gesetzentwurf noch wiedererkennen.

Ursache dafür ist, wie der Arbeitsminister selbst sagt, das Ministerium des öffentlichen Dienstes. Dass es lediglich zwei, keine drei Sous-directeurs geben soll, „wurde so von der Fonction publique gewünscht“, so Schmit gegenüber dem Land. Weil es nirgendwo sonst in einer Verwaltung vergleichbarer Größe so viele beigeordnete Chefs gebe. Diesen Wunsch haben die Kollegen vom öffentlichen Dienst denen vom Arbeitsministerium erst, sagt Schmit selbst, in den vergangenen Tage vorgetragen. Genauer gesagt, vergangenen Freitag in der Kabinettsitzung, wenn man Insidern glauben kann. Dort sei der Arbeitsminister mit einem Gesetzentwurf angetreten, der ein Direktionskollegium von vier Personen vorsah, und er habe die Sitzung mit einem Kollegium von drei Personen wieder verlassen.

„Das ändert an den Kompetenzen nichts“, wiegelt Schmit ab. Die Struktur, die er im Juli vorgestellt habe, sei „ein Provisorium“ gewesen. Dabei habe es sich um das Team gehandelt, das sich angeboten habe, die Reform der Adem intern durchzuführen. „Die Piloten der Reform.“ Dass diese Piloten nur bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, das Steuer in der Hand halten würden, hatte er im Juli so deutlich nicht gemacht. Im Gegenteil. Dass man nun von den klaren Botschaften, die im Sommer gesendet wurden abrückt, riskiert für Verwirrung zu sorgen und den Schwung aus der Reformbewegung zu nehmen.

Ginette Jones, derzeit Mitglied im Direktionskomitee der Adem, sagt: „Wir haben intern bereits mit der Umsetzung der Reform begonnen und wir hoffen, dass wir ein Gesetz bekommen, das es uns erlaubt, die Reform weiterzuführen.“ So haben seit Juli bereits 15 der insgesamt 40 zusätzlichen Berater (Conseillers professionels), die im Rahmen der Reform eingestellt werden sollen, ihren Dienst angetreten. Weitere 15 sind rekrutiert und aktuell in der internen Ausbildung. Sie fangen im Januar an.

Seit einem Monat arbeiten alle Adem-Agenturen bereits nach den neuen, im Juli angekündigten Prozeduren. Sie sehen vor, dass sich die Jobanwärter, die Arbeitslosengeld erhalten, ihren Conseiller nur noch einmal monatlich kontaktieren müssen, das aber so oft tun können, wie sie wollen. Langzeitarbeitslose, die keinen Anspruch auf Entschädigungen haben, müssen sich nur noch alle zwei Monate melden. „Wir haben alle eingetragenen Jobanwärter angeschrieben, um die Änderungen zu erklären“, sagt Jones. Für eine ganze Reihe von Kunden ergaben sich durch die Eröffnung der neuen Regionalagentur in Differdingen weitere Umstellungen. Auch an der Betriebskultur wurde gearbeitet, neue Richtlinien für den Ablauf der Gespräche mit den Antragstellern und für die aktive Kontaktaufnahme mit den Stellenanbietern aufgestellt, zählt Jones auf, was bisher geschafft wurde. Bereits jetzt sei man größtenteils in der Lage, wie im Gesetzentwurf gefordert, Betrieben, die eine Stelle ausschreiben, innerhalb kürzester Zeit – also am Tag der Anzeige – Bescheid zu sagen, ob es geeignete Kandidaten in der Adem-Kartei gibt oder nicht. Damit das immer klappen könne, würden allerdings alle 40 ­versprochenen Conseillers gebraucht, betont sie.

40 neue Mitarbeiter allein sind mehr als in verschiedenen Verwaltungen insgesamt tätig sind. Und eine große finanzielle Investition dazu. Dass der aktuelle Arbeitsminister die Zusage dafür in Zeiten erkämpfte, als Bescheidenheit als oberste Priorität der öffentlichen Haushaltspolitik galt, kann man uneingeschränkt als Erfolg werten. Dass der Reformprozess intern bereits ohne Gesetzesänderungen angefangen hat, ebenfalls. Umso absurder scheint es, dass das „Pilotenteam“ der Reform mit Inkrafttreten des Reformgesetztes ausgehebelt werden soll. Desto mehr, wenn sich tatsächlich das Ministerium für den öffentlichen Dienst querstellt. An dessen Spitze steht bekanntlich François Biltgen (CSV), der Arbeitsminister der vergangenen zwei Legislaturperioden, der während seiner Amtszeit an der Place des martyrs die Adem weder ausreichend personell aufstockte, noch eine grundlegende Neuorientierung der Verwaltung anregte. Aber Biltgen reimt nicht auf „midd“.

Michèle Sinner
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