Öffentlicher Dienst

Korrekturmechanismen

d'Lëtzebuerger Land du 09.12.2011

In seiner Septemberausgabe triumphierte das Verbandsorgan der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP, Fonction publique, noch: „Ausdauer und Verhandlungsgeschick zahlen sich aus.“ Die Überschrift meinte nicht nur das Ergebnis des unmittelbar vor der Sommerpause unterzeichneten Gehälterabkommens, sondern auch der Gehälterrevision. Denn die Einstiegsgehälter sollen, „anders als ursprünglich beabsichtigt, nicht gekürzt“ und das „kosten- und personalintensive Bewertungssystem auf ein Mindestmaß“ beschränkt werden.

Doch dann verabschiedete und veröffentlichte der Regierungsrat Ende Oktober die Vorentwürfe von acht Gesetzen, 30 großherzoglichen Verordnungen und sieben Verwaltungsrichtlinien, mit denen die geplante Gehälterrevision umgesetzt werden soll. Und plötzlich hagelte es Kritiken an dem Abkommen aus den anderen im öffentlichen Dienst vertretenen Gewerkschaften, OGB-L und FNCTFFEL, sowie – schlimmer noch – aus den eigenen Reihen und den Berufsverbänden der CGFP. Vor der jährlichen Vorständekonferenz in Dommeldingen musste Generalsekretär Romain Wolff sich deshalb am Montag rechtfertigen, ein eher seltener Vorgang in dem Verband: Die CGFP habe „die Reform nicht gewollt“, aber sie habe sich auch nicht über den Tisch ziehen lassen und keinen Blankoscheck unterzeichnet.

Die Rückzugsbewegung, mit der die CGFP auf Distanz zur Ge-hälterrevision geht, wurde möglicherweise noch durch den Erfolg der Protestkundgebung beschleunigt, die OGB-L/SEW und Apess vergangene Woche in Bartringen organisierten. Wobei die Gewerk-schaften zum Leidwesen der CGFP auch noch ihre Ableh[-]nung der Gehälterrevision mit der Ablehnung der ebenfalls von der CGFP kritisierten Sekundarschulreform verbanden. Was die CGFP-Lehrergewerkschaft SNE nun nächste Woche nachholen will.

Um ihre Kurskorrektur zu recht-fertigen, nachdem ihre Vorstände-konferenz die Reform im Juli bereits gutgeheißen hatte, wirft die CGFP der Regierung vor, dass die Gesetzesvorentwürfe von dem gemeinsamen Abkommen abweichen, ja, dass „Welten dazwischen liegen“, so Wolff. Die CGFP beanstandet, dass eine Verlängerung des Praktikums zu Beginn der Laufbahn von zwei auf drei Jahre mit einer Ausweitung der Ausbildung gerechtfertigt wor-den war. Doch im Abkommen vom Juli geht nur die Rede von einem „réagencement“, und die Gesetzesvorentwürfe sehen sogar vor, dass die Ausbildungskurse beispielsweise eines Redakteurs von 372 auf 240 Stunden gekürzt werden sollen.

Die CGFP beanstandet auch, dass sich das heftig von ihr bekämpfte Bewertungssystem nun nicht auf zwei bis drei Bewertungen während der gesamten Berufslaufbahn beschränken soll – während des Praktikums und beim Zugang zur sowie bei Beförderungen in der oberen Laufbahn –, sondern wieder jährliche Mitarbeitergespräche geplant seien. Allerdings geht auch im Abkommen vom 15. Juli bereits die Rede von „des entretiens annuels de progression fixés par écrit“.

Gar nicht zufrieden ist die CGFP damit, dass sie ein Papier unterzeichnet hat, in dem „une harmonisation des avancements et des délais de promotion“ abgemacht wurde, die „comprendra des délais d’avancement sur trois ans au niveau général et au niveau supérieur”. Doch diese automatischen Gehaltserhöhungen, auch in der bisher geschlossenen Laufbahn, hat die Gewerkschaft nicht als universelles Anrecht in den Gesetzes-vorentwürfen gefunden: „Die Texte geben das nicht her”, meinte Romain Wolff.

Völlig „unannehmbar” aber sei die Einführung eines von der Regierung während der Verhandlungen mit der CGFP nie erwähnten Korrekturmechanismus, der das Versprechen breche, dass es nach dem Praktikum in keiner Laufbahn zu Gehalts-kürzungen kommen werde. Ein solcher Mechanismus ist bei der Festsetzung der Anfangsgehälter nach der Abschaffung des fiktiven Berechnungsalters vorgesehen und führt nach Befürchtungen der Gewerkschaften in verschiedenen Fällen zu Einbußen. Deshalb drohte Wolff am Montag, den Streitfall erklären zu lassen – als ersten Schritt zur gesetzlichen Streik-prozedur. Gleichzeitig sollen die Unterorganisationen mit der Regierung im Detail über die Auswirkungen der Gehälterreform auf ihre Berufssparten und Laufbahnen verhandeln und den Gegner so, wie vor einem Jahr, zu zermürben versuchen. rh.

Romain Hilgert
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