Nach Jean-Claude Junckers Clubbesuch am Freitag konnten die Wähler am Tag darauf einen weiteren volksnahen Wahlkampf erleben: Déi Gréng starteten mit einem unübersehbaren grünen Bus in Beggen den ersten Teil der Zentrumsfahrt, der sie bis zum ING Marathon bringen sollte. Trotz lockerer Stimmung, Windblumen, und Sesamriegeln blieb die Fahrt Teil eines üblichen Wahlkampf-Alltags, bei dem nicht immer alles nach Plan lief.Schon um 9.15 Uhr fing die grüne Busfahrt in Beggen an. Nur wenige Kunden befanden sich zu dieser frühen Stunde im Einkaufszentrum, und so stiegen die grünen Politiker nach kurzer Zeit wieder in den Bus. Ein paar Flyer und Aufkleber wurden trotzdem unter die wenigen einkaufenden Frühaufsteher verteilt. Die Fahrt zur nächsten Etappe war kurz, doch der Geruch von frisch gegrillten Luxringer und die aufgestellte Zapfanlage auf dem Parkplatz des Bereldinger Einkaufszentrums ließen erahnen, dass an diesem Halt mehr Menschen anzutreffen seien als in Beggen. Tatsächlich hatten die Kandidaten hier die Gelegenheit, mehr Werbeartikel zu verteilen und Wähler anzusprechen. Die mit grünen Windblumen geschmückten Einkaufswagen, die kurz darauf zwischen den Regalen und auf dem Parkplatz zu sehen waren, machten schon von weitem die direkte Werbetaktik der Partei erkennbar.
„Es ist im Wahlkampf wichtig, dass man den Leuten entgegenkommt, um Ihnen die Inhalte des Wahlprogramms nahe zu bringen. Da hatten wir die Idee mit dem Bus, mit dem wir die einzelnen Ortschaften besuchen und die Menschen dort aufsuchen, wo sie sich an Samstagen am meisten aufhalten,“ so Paul Ruppert, Fraktionssekretär. Dabei lassen déi Gréng kein Einkaufszentrum unbesucht: Die Hälfte der geplanten Haltestellen befand sich bei der Zentrumsfahrt vor den großen Shoppingzentren; ein zusätzlicher Halt wurde später noch spontan bei einem Einkaufszentrum in Mersch eingelegt. Ob das Einkaufen wirklich eine der beliebtesten Wochenendaktivitäten der Luxemburger ist, bleibt zu klären. Die Leute, die sich im Bereldinger Supermarkt befanden, schienen sich jedenfalls nicht von der Werbetour der Grünen stören zu lassen. „Ich habe noch nicht genau hingesehen, was auf den Flugblättern steht, aber stören tut mich diese Art von Kampagne überhaupt nicht. Es werden in den letzen Wochen so viele Werbungen ausgeteilt und verschickt, dass es auf die paar Zettel hier auch nicht ankommt,“ erzählt ein älterer Herr, der gerade seinen Caddie durch die Drehtür geschoben hat. Eine Frau, die den Einkauf schon hinter sich hat, findet dies Kampagne eine „gute Idee“, die „wohl viele Menschen ansprechen“ werde. Ein anderer Kunde zieht die Parteiversammlungen vor, bei der „mehr Zeit bleibt, um Fragen zu stellen, und wo man einen besseren Kontakt zu den Politikern hat.“ Die Kandidaten sind sich jedoch einig, dass die Bustour nicht nur interessanter, sondern auch erfolgreicher sei als gewöhnliche Parteiversammlungen. Vor dem Eingang des Shopping-Centers erklärt Spitzenkandidat François Bausch, dass bei Versammlungen nur ein kleineres Publikum erreicht werden könne, obwohl die Zahl der Besucher allgemein immer „ok“ sei. Die Buskampagne sei außerdem „viel ungezwungener“. Camille Gira, Spitzenkandidat im Norden, vergleicht Parteiversammlungen mit einem „Frontalunterricht“, bei denen „von zehn Anwesenden ungefähr acht von der eigenen Partei sind. Von den restlichen Gästen ist einer an der Partei interessiert und der andere ist nur gekommen, um sich zu beschweren. Das ist das klassische Schema.“
So sollte es vor dem Einkaufszentrum in Bereldingen nicht enden, denn nun hielten mehrere Leute mit ihren Einkaufswagen neben den in grün gekleideten Kandidaten, um mit Ihnen zu diskutieren. Claude Turmes, Europaabgeordneter, nennt die Themen, die die Luxemburger zur Zeit beschäftigen: „Man wird oft über die Finanzkrise, den EU-Beitritt der Türkei und die Rolle Luxemburgs in der Europäischen Union befragt.“ Fragen über das Europäische Parlament bleiben jedoch größtenteils aus. Claude Turmes bedauert dies. „Man merkt, dass ein großes Informationsdefizit herrscht, was die Funktionen der europäischen Institutionen angeht. Leider kann man das natürlich nicht mehr einen Monat vor der Wahl beheben,“ erklärte er und teilte weitere Broschüren aus. Kurz darauf wurde die Fahrt fortgesetzt. Grad Elo!
Dass Wahlkämpfe aus Höhen und Tiefen bestehen, machte der Halt in Lorentzweiler deutlich. Kein einziger Wähler war am Bahnhof anzutreffen, außer eine Frau, die zum großen Entsetzen von Camille Gira zugab, dass sie nicht wählen werde und sich auch nicht für Politik interessiere. Kopfschüttelnd begab sich der Politiker zurück zum Bus, wo man die Zeit nutzte, um sich für ein Gruppenfoto zusammenzustellen. Die nächste Etappe war in Mersch geplant.Die Stimmung der Kandidaten von Déi Greng schien sehr entspannt und fröhlich, was wohl auch mit den allgemein positiven Reaktionen der Leute zusammenhing. Ein so sorgloses Verhältnis zwischen Wählern und Kandidaten der Partei war nämlich nicht immer üblich. Camille Gira erinnert sich: „Vor zehn oder 15 Jahren musste man während des Wahlkampfes schon mit aggressiven Reaktionen rechnen. Vor allem bei den Diskussionen gegen die Nordstraße wurden manche ausfällig. Heute werden wir nicht mehr als Exoten angesehen, weil die Menschen gemerkt haben, dass wir mit unseren Grundideen damals schon richtig lagen. Nun wünschen uns die, die uns nicht wählen, trotzdem viel Glück.“
Nach der Mittagspause ging die Fahrt im Merscher Kanton weiter bis nach Fels. Der Bus, der mit dem Wahlslogan Grad Elo! und den Schwerpunkten der Partei Écologie – Économie – Edukatioun bedruckt ist, war in der Nähe von Op der Bleich geparkt. Die Kandidaten waren nicht sofort aufzufinden, und es stellte sich bald heraus, dass die Etappe im schattigen Fels wohl eher als Kaffeepause diente. Bei der Rundfahrt wurden später auch weitere Änderungen vorgenommen: die Station eines Shopping-Centers in Strassen schien von dem Fahrplan gestrichen worden zu sein. Dies mag daran gelegen haben, dass der Bus rechtzeitig vor dem Startschuss des ING Marathon in der Hauptstadt eintreffen musste, um bis zum Kirchberg durchfahren zu können.
Die Fahrt des grünen Parteibusses ist sicherlich eine interessante Art und Weise, die Politiker näher kennen zu lernen, und ermöglicht es den Kandidaten, Programminhalte und Ideen passiveren Wählern zu erklären. Die grünen Kandidaten standen den Wählern Rede und Antwort, ohne das Wahlprogramm flach herunterzuleiern. Schwer könnte man sich verschiedene Kandidaten anderer Parteien so locker und informell vorstellen. Trotzdem unterscheidet sich der Wahlkampf mit den Massen von Flugblättern, Kugelschreibern und Sesamriegeln im Nachhinein kaum von den Wahltaktiken anderer Parteien – mit oder ohne Bus. Es ist wohl auch schwierig, Menschen in Einkaufszentren von politischen Bewegungen zu überzeugen: die Fahrtänderungen und die Kaffeepause erleichterten diese Aufgabe jedoch wohl kaum.