Bioethik in den Wahlrpogrammen

Kulturkampf II

d'Lëtzebuerger Land du 28.05.2009

Luxemburg sei ein Land, wo man beim Essen am liebsten vom Essen rede, erzählte vergangene Woche der Wahlberliner Luxem­-burger Künstler Luc Wolff dem Radio Berlin-Brandenburg. Dass dieser Kultur-Befund stimmen muss, deutet die Antipathie gegenüber „grüner Gentechnik“ an, die sämtliche politische Parteien teilen. Wohl gehen Déi Gréng dabei am weitesten, wenn sie in ihrem Wahlprogramm gleich eine „gentechnikfreie EU“ fordern. Aber auch DP, ADR, KPL und déi Lénk lehnen genetisch verändertes Saatgut in der landwirtschaftlichen Produktion ab. CSV und LSAP, unter deren Verantwortung die EU-Richtlinie für die „Koexistenz“ genetisch veränderter mit herkömmlichen Ackerkulturen in nationales Recht umgesetzt wurde, versprechen, sich dafür einzusetzen, „dass die Luxemburger Landwirtschaft gentechnikfrei bleibt, so lange die damit verbundenen Risiken nicht eindeutig abzuschätzen sind“ (LSAP), oder wollen „weitere Schritte für GMO-freie Zonen unterstützen“ (CSV).

An dieser Stelle endet die Einigkeit in bioethischen Fragen aber auch schon. „Schon“, weil CSV und ADR in ihren Wahlprogrammen der Bioethik ein eigenes Kapitel gewidmet haben, während DP und Grüne vor allem einen Standpunkt hervorstreichen: Ja zur embryonalen Stammzellenforschung. Die betreibt in Luxemburg zwar niemand. Aber es stehen mehrere EU-Richtlinien zum Umgang und Handel mit menschlichen Zellen und Geweben zur Revision an, und Staatsrat und nationale Ethikkommission haben schon darauf gedrängt, dass Luxemburg endlich gesetzlich regeln müsse, was ein Embryo ist. Damit könnte sich nach der Euthanasie-Debatte in der zu Ende gehenden Legislaturperiode und neben der zu erwartenden um eine Lockerung des Abtreibungsrechts in der kommenden, vielleicht noch eine Gelegenheit bieten, um die CSV als fortschrittsfeindlich vorzuführen. Was der DP-Abgeordnete Alexandre Krieps im Frühjahr in einer Interpellation zur Stammzellforschung bereits versucht hat.

Aber gerade nach der Euthanasie-Niederlage strebt die CSV nun offenbar nach der Meinungsführerschaft in Sachen Bioethik. Eine ganze Agenda legislativer Projekte kündigt sie in ihrem Wahlprogramm an; darunter, der In-Vitro-Fertilisation eine legale Basis schaffen zu wollen – einschließlich der Umsetzung jenes Passus aus der UN-Kinderrechtskonvention, die es einem aus einer Samen-Fremdspende gezeugten Kind ermöglicht, den Namen seines Vaters zu erfahren. Zuvor jedoch will die CSV ein „Embryonenschutz-Rahmengesetz“ formulieren lassen: Genau jenes, dessen Abwesenheit Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo im Frühjahr 2006 in einem Brief an den Staatsrat mit den Worten beklagt hatte, es sei „leider mit dem Koalitionspartner nicht zu machen“.

Dafür äußern sich die Sozialisten heute, abgesehen von Genfood, zur Bioethik gar nicht. Vielleicht, um im Fall erneuter schwarz-roter Koalitionsverhandlungen dem Abtreibungsrechts-Reformvorschlag Lydie Errs nicht zu viele Hindernisse in den Weg zu legen. Aber so taucht auch die Umsetzung der Oviedo-Konvention des Europarats über Menschenrechte in der Biomedizin statt bei den Sozialisten bei der CSV als Vorhaben auf. Obwohl Mars Di Bartolomeo bereits einen Gesetzentwurf auf den Instanzenweg geschickt hatte, um den sich der Gesundheitsausschuss jedoch nicht mehr kümmern konnte. Doch wer „Oviedo“ umsetzt, legt insbesondere fest, welche Rechte ein Bürger hat, bei dem ein Gentest vorgenommen wird. 

Im verständlichen Bestreben, die CSV bei Bedarf rechts überholen zu können, hat die ADR sich das umfangreichste Bioethik-Kapitel gegeben. Darin geht es nicht um politische Vorhaben, sondern um Selbstdarstellung: Während die CSV sich beim Embryonenschutz noch gar nicht festlegt, stattdessen in Hearings „die vielfältigen Positionen in unserer pluralen Gesellschaft“ diskutieren lassen möchte, beschreibt die ADR in langen Erklärungen „die Verwendung von Embryonen als Versuchsobjekt“ als ein „Verbrechen gegen ihre Würde als menschliche Geschöpfe“ und bekennt sich zu einem „absoluten Lebensschutz“. Womit in der kommenden Legislaturperiode der Kulturkampf weitergehen kann. 

Peter Feist
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