Mehrfach bereits hat das Marnacher Cube 521 mit seinem Spielplan für Aufsehen gesorgt. In der Saison 19/20 stellt es um ein Neues die Fähigkeit unter Beweis, mit europäischer Theaterprominenz zu glänzen und luxemburgischen Produktionen einen Spielort zu bieten.
Diese Vorstellung bezieht sich explizit auf die Sparte Theater. Mit Blick auf die nationalen Produktionen zeigt sich umgehend die Schwäche des Programms: Den Planern der Spielzeit wäre etwas mehr Mut zuzutrauen. Mit Sténkdéier (November), dem Mars Klein Kabarett (Februar) und, nun ja, der Revue (Mai) werden wohl die Kassen klingeln. Es ist dem Publikum aber zu wünschen, dass diese Auftritte es schaffen werden, aus der Einheitssoße des Schwule-Premier-Haff-und-Tram-Gelabers auszubrechen.
Auch das Werbefoto von Keen Doheem (Februar) und die völlig abstruse Umschreibung dieses Stücks vom Ensemble Tri2Pattes sind keine Sternstunden ästhetischer Werbekunst. Norbert Webers De Bretzert (Februar) um die Leiden des alkoholkranken Küsters Jupp lässt hingegen etwas mehr Substanz vermuten. Bug, ein hochmoderner Thriller von Tracy Letts in französischer Sprache aus dem Théâtre du Centaure, mit Myriam Muller in einer Hauptrolle, sowie Fréderic Dards La vieille qui marchait dans la mer mit Marja-Leena Junker aus dem TNL dürften die Höhepunkte der nationalen Vorstellungen sein.
Umso mehr Lob verdient die Programmgestaltung im Bereich internationaler Gastauftritte. Unmittelbar im Oktober und November treten preisgekrönte Vertreterinnen der Theaterkunst in Marnach auf: Von Klavier- und Oboe-Klängen begleitet singt und liest Eva Mattes ein vielseitiges Spektrum an Liedern, Gedichten und Chansons von Schubert über Heine bis Weill. Ebenfalls auf den textlichen Vortrag konzentriert sich Suzanne von Borsody, die mit ihrer rauen, präsenten Stimme Briefe und Lieder der Malerin Frida Kahlo liest.
Reines Sprechtheater kommt im ausländischen Programm auch nicht zu kurz. Über die Rechtfertigung von Gewalt im Streben nach Freiheit bietet die durch ihre Castle-Tours hinlänglich bekannte American Drama Group Europe eine dramaturgische Biografie des südafrikanischen Freiheitskämpfers und Präsidenten Nelson Mandela in englischer Sprache (April).
Der vergebliche Versuch, im Familienwahnsinn Eine Stunde Ruhe zu finden, um sich vollends auf die nach Jahren ausfindig gemachte Jazzplatte zu konzentrieren, klingt als Ausgangspunkt vielversprechend. Auf Florian Zellers Komödie im Januar folgt Christoph Küsters Inszenierung von Friedrich Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Inhaltlich reizvoll klingt auch die Ankündigung einer Inszenierung des Romans Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war von Joachim Meyerhoff. Regie führt einmal mehr Christof Küster in dieser Hamburger Bühnenarbeit, die von einem Jungen erzählt, der in der Jugendpsychiatrie aufwächst. Die Produktionsstätte Altonaer Theater verkneift sich den Gattungsbegriff Komödie, und doch verspricht sie einen „schreiend komischen“ Theaterabend mit autobiografischen Zügen. Im April schließlich gastiert das Trierer Theater mit Eric Emmanuel Schmitts dramatischer Version von Ibrahim et les fleurs du Coran. Die bewegende Beziehung zwischen dem vernachlässigten jüdischen Jungen Momo und seinem Freund Ibrahim, einem alten arabischen Ladenbesitzer, ruft nach kulturreligiöser Offenheit: Ein schöner Stoff, der, wie so viele Werke des Starautors, stets eine Gratwanderung zwischen einfühlsamer Poesie und küchenphilosophischem Herzschmerz bietet. François Camus steht auf der Bühne.
Diese Präsentation darf aber keinesfalls schließen, ohne auf ein Projekt des Theater Strahl Berlin im Februar hinzuweisen: In der als interaktiv angekündigten Theaterarbeit befasst sich Christian Giese mit dem Thema Mobbing. In beratender Zusammenarbeit mit Theaterpädagogin Charlotte Baumgart richtet sich Spaaass. Wer bestimmt, was lustig ist? an ein Publikum ab 12 Jahren und dürfte auch Schulklassen in den Norden locken.
Im Rückblick verspricht das Cube 521 in der Sparte Theater ein spannendes Programm im Kontext internationaler Gastspiele. Allein bei der Verpflichtung hiesiger Produktionen ist den Verantwortlichen etwas mehr Wagnis zu wünschen. Dass so manche dieser Auftritte schlichtere Unterhaltung bieten und für ein volles Haus sorgen sollen, ist legitim. Ausgewogenheit wäre besser.