Die Warnung könnte nicht eindringlicher sein: „(...) les pouvoirs donnés à la police sont exorbitants“, schreibt die Menschenrechtskommission in ihrem am Dienstag vorgestellten Gutachten zum geplanten Gesetz über den Zugang von Polizei, Staatsanwaltschaft und Behörden zu personenbezogenen Daten. Der Entwurf Nr. 5563 von Polizei- und Justizminister Luc Frieden (CSV) räumt den Strafverfolgungsbehörden weit reichende Zugriffe auf persönliche Daten ein.
Dass grenzüberschreitendes Verbrechen und internationaler Terro-rismus schlagkräftige Strafverfolgungsbehörden verlangen, ist unbestritten. Doch scheint das terroristische Bedrohungsszenario immer öfter dafür herhalten zu müssen, grundlegende Rechte zu beschneiden. Sollte das Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet werden, ist der Schritt zum gläsernen Bürger nicht mehr weit: Schon bei Voruntersuchungen, im Zuge von Ermittlungen und bei unmittelbaren Straftaten könnten Polizeibeamte und Staatsanwaltschaft auf diverse Datenbanken zugreifen: die der Meldeämter, der Fahrzeug- und Führerscheinhalter, der Sozialversicherung, der Steuerbehörden, der Asylbewerber-, Ausländer- und Visabehörden, des Handelsregisters und die über die Waffenhalter.
Selbst sensible Angaben zur Gesundheit wären vor übereifrigen Fahndern nicht sicher, warnt Kommissionsmitglied Victor Weitzel. Die Menschenrechtler fordern, Gesundheitsdaten ebenso wie die Daten der Ausländerbehörden auszuklammern. Weil der Text die zulässigen Datenbanken zudem nur aufzählt, ohne festzulegen, welche Datensätze im Einzelnen abgerufen werden können, sei das im Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskommission Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei Eingriffen in die Privatsphäre verletzt. Im Exposé des motifs zum Gesetz steht, die Grundrechte ebenso wie das Gebot der Verhältnismäßigkeit würden respektiert – der eigentliche Text verliert jedoch kein Sterbenswort darüber. „Im Prinzip wären die Grenzen durch den Artikel 4 unseres Datenschutzgesetzes geregelt“, meint Gérard Lommel, Präsident der Datenschutzkommission. Das gelte auch für die Ermittler. Schlimmstes Schreckensszenario für Luxemburgs obersten Datenschützer: Polizisten könnten ohne konkreten Verdacht massiv Daten abgleichen und so durch die Hintertür die bisher nicht geregelte Rasterfahndung einführen.
Weil die Liste der zehn Datenbanken zudem im Polizeigesetz verankert werden soll statt in der Strafprozessordnung, sei die Unterscheidung zwischen administrativer Polizei und polizeilichen Ermittlungsbehörden nicht mehr klar, hatte schon der Staatsrat in seinem im Oktober veröffentlichten Avis moniert. Die Menschenrechtskommission greift diese Kritik auf: „Derlei Befugnisse haben im Polizeigesetz nichts verloren“, mahnte Victor Weitzel. Es müsse sichergestellt sein, dass nicht auch auf administrativer Ebene persönliche Daten eingesehen werden könnten. In diesem Zusammenhang interessant: In seinem Gutachten zum Hundegesetz von 2006 hatte der Staatsrat vor einer wachsenden Zahl Beamten mit kriminalpolizeilichen Kompetenzen gewarnt, „qui, pourtant, ne sont guère familiarisés ni avec le droit pénal en général, ni surtout avec la procédure pénale en particulier“.
Um die Rechte des Einzelnen besser zu schützen, forderte der Staatsrat den direkten automatisierten Zugriff auf das Personenregister, die Datenbank der Fahrzeug- und Führerscheinhalter sowie der Waffenhalter – und darin auf ausgewählte Datensätzen – zu beschränken; die Datenschutzkommission hatte in ihrem Avis, der sich auf eine Vorversion des aktuellen Textes bezog, den direkten Zugang ganz unterbinden wollen und stattdessen ein System vorgeschlagen, wonach jede Anfrage der Ermittlungsbehörden einzeln geprüft worden wäre. Der Vorschlag war vom Justizminister aber nicht zurückbehalten worden.
Dass der nicht veröffentlichte Vorentwurf laut Gérard Lommel der Polizei „noch exzessivere Rechte“ einräumte, beruhigt da kaum. Sondern gibt vielmehr jenen Skeptikern Recht, die dem Justiz- und Polizeiminister einmal mehr eine zu große Nähe zur Polizei vorwerfen. Dazu passt ins Bild, dass die Menschenrechtskommission bei diesem, die Grundrechte besonders tangierenden Gesetzesprojekt von der Regierung mal wieder nicht um ihre Meinung gebeten wurde, sondern sich selbst beauftragen musste. Ob sich ihre Arbeit gelohnt hat, entscheiden nun die Abgeordneten. Schon nächste Woche will die zuständige Parlamentskommission ihre Änderungsvorschläge vorlegen.