Jagd

Heiliger Hubertus, hilf!

d'Lëtzebuerger Land du 02.12.2011

Heute loben wir die Freuden der Jagd. Es ist immer höchst erbau-lich, wenn uns das Tageblatt ohne rot zu werden (das heißt noch röter, als es zu sein glaubt) von den herausragenden Leistungen katholischer Pfarrer erzählt. „Kult und Tradition“ sei die „33. ‚Haupeschmass’ in Berdorf“ gewesen, und der kultivierte Beitrag in der sozialistischen Zeitung heißt folgerichtig „Messe, Jagdhörner und Hunde“ (8.11.2011). An dieser merkwürdigen Dreifaltigkeit sollen wir wohl unser kulturelles Bewusstsein schärfen. Also ab in den Wald, wo der Herr Pfarrer Carlo Morbach blumig über die Jagd predigt.

Was hat der fromme Mann erzählt? „In der heutigen Gesellschaft gibt es jedoch viele Jagden, die für den Menschen und seine Umwelt viel zerstörerischer und mörderischer sind als die Tierjagd: Die Jagd nach Erfolg, Anerkennung und Macht, die Jagd nach Naturschätzen und unermesslichen Renditen, die Jagd nach Sensationen.“ Pardon, da möchten wir aber mal ein bisschen nachhaken. Man kann ein Übel immer relativieren durch ein anderes Übel. Ein Experte dieser Technik ist zum Beispiel der Papst. Vor kurzem erst hat er wieder verkündet: Missbrauch gibt es nicht nur in der Kirche, sondern auch in anderen Gesellschaftskreisen. Richtig. Nur gibt es keine anderen Gesellschaftskreise, die so kategorisch darauf beharren, im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit zu sein. Dieser überaus hohe Anspruch schließt das Verbrechen explizit aus. Wenn es dann trotzdem geschieht, ist der Widerspruch ungeheuerlich krass. Missbrauch in der Kirche ist also, um den jagdfreudigen Herrn Pfarrer zu zitieren, „viel zerstörerischer und mörderischer“ als in anderen Gesellschaftskreisen, die man zum untauglichen Vergleich gar nicht heranziehen kann.

So schlimm kann die Hinrichtung wehrloser Tiere demnach nicht sein, wenn wir den Gottesmann richtig verstehen, denn es gibt Schlimmeres. Uns fällt auf, dass der Würdenträger ziemlich knauserig ist beim Aufzählen der schlimmen Alternativen. Er hätte zum Beispiel erzählen können: Die Jagd auf Schutzbefohlene in katholischen Internaten ist uns ein Gräuel. Hier ist der Jäger nicht mit einer Flinte bewaffnet, sondern mit hehren Grundsätzen. Er schleicht sich an im Kostüm des Trostspenders, er behauptet, der allerbeste Kinderversteher zu sein. Umgebrachte Hasen und Rehe haben im Vergleich zu missbrauchten Kindern noch Glück. Sie müssen nicht mehr bis zum Ende ihres Lebens an den Folgen ihrer Vergewaltigung laborieren. Hier wie dort geht es um arrogante Jäger, die sich herausnehmen, über Leben und Tod zu bestimmen. Und jetzt zur Erfrischung ein kleines Gebet!

Dass die Kirche die Jagd rechtfertigt, kann uns angesichts ihrer Geschichte nicht wundern. Seit jeher verbündet sie sich lieber mit den Jägern als mit den Gejagten und Verfolgten. Immer schon hat sie Waffen am laufenden Band gesegnet. Das Zeremoniell des Tötens gehört sozusagen zu ihren fundamentalen Glaubenssätzen. Ganz abgesehen davon, dass sie mit Tieren nie viel Federlesens machte. Tiere sind offenbar Geschöpfe der untersten Kategorie. Über Tiere kann man nach Gutdünken verfügen. Das besinnungslose Abschlachten bereitet den Kirchenvertretern keine schlaflosen Nächte. Am Weihwassertropf hängen vor allem die Schlächter.

Ein kurioser Lapsus hat sich dennoch in den Diskurs des Herrn Pfarrers eingeschlichen. Schlimmer als die Tierjagd soll „die Jagd nach Erfolg, Anerkennung und Macht“ sein. Ja, wen meint er denn da? Etwa seine eigene Institution? Seine Kirche, die über Leichen geht, um ihren Einfluss auszubreiten? Spricht er von den Abgründen der kirchlichen Seelenjagd? Das wäre immerhin eine bemerkenswerte Einsicht. Trotzdem sind wir mit der gezielten Vermischung und Katalogisierung von Scheußlichkeiten nicht einverstanden. Der Kern der Jagd heißt: Schwächere werden ausgeschaltet. Der Herr Pfarrer entschuldigt förmlich die Stärkeren, indem er uns weismachen will, dass auch anderswo Schwache von Starken eliminiert werden. Das ist schon fast eine jesuitische Rhetorik. Süß klingt sie in den Ohren der Jäger. Da müssen sie ihre Mordinstrumente gar nicht lange verstecken.

„Schön klangen die Jagdhörner im buntfarbenen, herbstlichen Wald“, berichtet der lyrisch gestimmte Tageblatt-Schreiber. Hoffentlich haben die Hase und Rehe nicht das absolute Gehör. Und auch keinen Sinn für die Symmetrie der Tötungsdelikte: „Eine Bläsergruppe muss althergebrachte Regeln beachten. Sie soll keilförmig mit dem Rücken zu den Zuhörern stehen, die Jagdhornöffnung ist nach hinten gerichtet.“ Ordnung und Disziplin gegen die chaotische Natur, sozusagen die Geometrie des Abknallens. Das war ein schönes Wort zum blutigen Sonntag. Ja, die Jagdhornöffnung war perfekt nach hinten gerichtet. Sehr weit nach hinten. Bis hinein in die finstere Verschmelzung von Jagd und Altar. Übrigens versammelten sich die Meister und Gesellen der organisierten Hatz in der „einmaligen Felsenkulisse der ‚Breechkaul’“. Das passt. Es war einfach zum „Breechen“. Gott vergelt’s!

Guy Rewenig
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