Kollektivvertrag Pflege- und Sozialsektor

Die Leistungsfrage

d'Lëtzebuerger Land vom 12.02.2009

Der OGB-L macht mobil. Auch einen Streik schließt man nicht aus, falls es zu keiner Einigung um den neuen Kollektivvertrag im Sozial- und Pflegebereich kommt. Dass eine Einigung nicht möglich sei, hatten letzte Woche die Arbeitgeber-Dachverbände für Pflegedienste, Kinderheime und Tagesstätten festgestellt.

Diesmal geht es nicht darum, wie die Branche die Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst nachvollzieht. Üblicherweise folgt sie ihr mit gewissem zeitlichem Rückstand, ähnlich wie das nichtärztliche Personal in den Krankenhäusern im Kollektivvertrag mit dem Krankenhaus-Verband EHL. Diesmal geht es um ein Ja oder ein Nein zu einem Paradigmenwechsel im System. Bereits im letzten Kollektivvertrag hatten OGB-L, LCGB und die Arbeitgeber im Pflege- und Sozialbereich abgemacht, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe studieren sollte, ob und wie man von einer Einstufung der Laufbahnen lediglich nach Berufsabschluss und Dauer der Betriebszugehörigkeit übergehen könnte zu einer Bewertung der „Funktionen”. Die Arbeitgeberseite wollte darunter einerseits die ausgeführte Tätigkeit als solche verstehen, andererseits auch verschiedene Leistungsparameter wie etwa „Disponibilität“ oder „Kreativität“.

Als die Arbeitsgruppe zu keinem Konsens fand und der Kollektivvertrag 2006 von den Gewerkschaften gekündigt worden war, präsentierten die Arbeitgeber die Idee erneut – diesmal jedoch nicht als Szenario zum Studium durch ein paritätisch besetztes Gremium, sondern als eine Forderung, die ab 2009 gelten sollte: Die für dieses Jahr im öffentlichen Dienst in Kraft getretene Punktwerterhöhung hätte im Pflege- und Sozialbereich bereits dem Funktionsprinzip unterworfen werden sollen. Die Gewerkschaften lehnten ab. Worauf die Arbeitgeber offerierten, den Punktwert auszuzahlen, aber weiter über die Einführung des Funktionsprinzips zu reden. Darüber waren OGB-L und LCGB sich nicht einig. Der OGB-L blieb hart, und die Sozial-Patrons riefen den Schlichter an.Am Dienstag trug der OGB-L seine Forderungen vor. Nicht nur lehnt er die Funktionslogik ab, er will auch die Angleichung bestimmter höherer Laufbahnen (Krankenpfleger im Pflegebereich, graduierte Erzieher) an den öffentlichen Dienst erreichen. Und weil bei den Diskussionen um das Bartringer Pflegeheim (d‘Land, 6. Februar 2009) zur Sprache kam, dass im Sozialsektor zwei Kollektivverträge angewandt werden – der des Sozialsektors selbst und der des Klinikwesens –, tritt der OGB-L dafür ein, dass es ab 2013 nur noch einen einzigen Kollektivvertrag geben soll: und zwar für beide Branchen.

Folglich möchte der OGB-L auf diesem Weg auch die Krankenschwestern und -pfleger in den Spitälern gehaltsmäßig mit dem Staat gleichstellen. Das ist nicht neu. Doch 2008 schlossen OGB-L und LCGB mit dem Klinikverband einen neuen Kollektivvertrag ab. Darin steht – erstmals für diese Branche –, man wolle gemeinsam den Übergang auf ein Funktionsprinzip studieren. Es würde für das gesamte nichtärztliche Personal gelten, von Pflegehelfern über Krankenschwestern bis hin zu Krankenhausapothekern. Da der OGB-L sich der Funktionslogik im Sozialsektor verschließt, dessen Kollektivvertrag aber mit dem des Klinikwesens fusionieren will, sagt er die Funktions-Gespräche mit den Kliniken jetzt schon ab.

Allerdings soll die Funktionslogik längerfristig zur Senkung der Personalkosten führen. In den Pflege- und Sozialeinrichtungen, aber noch mehr in den Kliniken sind sie der größte Ausgabenposten – in Letzteren stellen sie bis zu 80 Prozent der Fixkosten dar. Das führt den OGB-L in ein Dilemma: Er müsste nicht nur sagen, was das Personal seiner Meinung nach kosten soll, sondern auch, wie es bezahlt werden soll, wenn es noch teurer würde. Im Gesundheitsbereich ist das besonders kritisch, und den Gremien der Gesundheitskasse CNS gehört die Gewerkschaft immerhin an. Zumindest öffentlich aber hat sie bisher noch nicht erklärt, ob sie aufgewertete Laufbahnen durch Beitragserhöhungen, Leistungsabbau oder stärkere Eigenbeteiligungen der Versicherten finanzieren lassen würde. Oder ob sie hofft, dass der Staat einspringt. 

Peter Feist
© 2024 d’Lëtzebuerger Land