LSAP und OGB-L

Sozialdemokratie

d'Lëtzebuerger Land du 18.06.2009

Das war zu erwarten gewesen: Sollte die neue Regierung „Maßnahmen gegen den Sozialstaat“ beschließen, werde man auch auf die LSAP „keine Rücksicht nehmen“, drohte OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding am Dienstag nach der Sitzung des Nationalkomitees der Gewerkschaft und trug einen Forderungskatalog vor, der die wichtigsten Tripartite-Beschlüsse von 2006 zur Entlastung des Staatshaushalts wieder rückgängig zu machen verlangt. An einer Regierung, die dem nicht nachkomme, sollten die Sozialisten sich lieber nicht beteiligen, „wenn sie ihre Zukunft nicht verspielen wollen“.

Nach ihrem Ja zu erneuten Koalitionsverhandlungen hat für die LSAP eine gefährliche Zeit begonnen. Vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise hatte die Partei sich ein Wahlprogramm gegeben, in dem sie sich ausdrücklich als Garantin eines „starken Sozialstaats“ empfahl. Die neue Regierung aber wird nicht nur mit den Folgen der aktuellen Rezession und vor allem mit dramatisch sinkenden Staatseinnahmen umzugehen haben. Als wäre das schon nicht genug, wird sie das Land auf eine Wachstumsperspektive einstellen müssen, die auch ohne den Subprime-Kollaps und die anschließende weltweite Krise wahrscheinlich nie mehr so günstig sein wird wie in den letzten 15 Jahren. Das stark fiskalisierte Luxemburger Sozialsystem müsste geradezu neu erfunden werden.

Das Problem für die LSAP ist aber nicht nur, dass sie den OGB-L enttäuschen könnte. Zum Beispiel, wenn sie sich mit der CSV dafür aussprechen sollte, der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zuliebe dürften die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung nicht angehoben werden. 

Das Problem für die LSAP ist vor allem, dass sie sich zwar immer schon als Sachwalterin des Sozialen verstand, den „starken Sozialstaat“ garantieren zu wollen aber erst in Vorbereitung ihres Wahlprogramms zur Maxime erhob. Damit schien sie ihrer Herkunft in der organisierten Arbeiterbewegung so nah wie lange nicht: 1994 hatte sie die Ideen von Oskar Lafontaines SPD übernommen und wollte die Industriegesellschaft ökologisch umbauen. 1999 setzte sie auf „Blairismus“ und Innovation und machte sich im Wahlkampf als LS@P lächerlich. 2004 betonte sie strategisch den Zusammenhang von Bildung und Beschäftigung. Und im Frühjahr 2007 hätte ein Parteitag beinah das „Arbeiter-A“ aus dem Parteinamen entfernen lassen, weil das Einheitsstatut eingeführt werden sollte und längst Dienstleistungsgesellschaft herrschte. Die Krise wirkte anderthalb Jahre später sinnstiftend. Aber soll die fast 20 Jahre lange Identitätssuche der LSAP bei der Rolle der „Sozialstaats-Garantin“ tatsächlich erst einmal abgeschlossen sein? 

Zweifel sind angebracht. Denn bei der bis Ende 2008 überwiegend erfreulich verlaufenen Konjunktur stellte sich die Glaubwürdigkeitsfrage für die Luxemburger Sozialdemokratie bisher noch nicht. Stolz ist die LSAP noch heute auf das 2007 gemeinsam mit der CSV entworfene Prinzip vom „selektiven Sozialstaat“. Wie dazu ein Instrument wie „Chèques-service für alle“ passt, haben beide Parteien noch nicht richtig erklärt. Gerade die LSAP aber müsste deutlich machen, welchen Sozialstaat sie eigentlich garantieren will. 

Unter Krisenbedingungen und als geschwächter Partner in einer Regierung neben einer weiter gestärkten CSV muss das schwer fallen. Ganz bestimmt aber wird die LSAP bei den nächsten Wahlen für alles bestraft werden, was eine neue schwarz-rote Regierung bis 2014 an sozialpolitischen Zumutungen entscheidet. Gut möglich, dass die LSAP dann nicht mehr von sich behaupten kann, eine Volkspartei zu sein. 

Peter Feist
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