Solange in der Eurozone die Inflation so niedrig war, dass das als ein Zeichen von Wachstumsschwäche galt, hatte in Luxemburg kein Betriebschef Grund, sich um den Index zu kümmern. Im Herbst 2013 wurde eine Indextranche noch vor dem großen Regierungswechsel fällig. Auf sie folgte jahrelang keine weitere. Aufseiten der Unternehmerverbände machte die Fedil Zurückhaltung zum Thema Index sogar zum taktischen Prinzip: Besser, als immer wieder das Argument Lohnkosten „wie eine Sau durchs Dorf zu treiben“, sei „diskreteres Lobbying“, meinte Fedil-Direktor René Winkin vor fünf Jahren gegenüber dieser Zeitung (d’Land, 20.01.2017). Politisch wichtiger für das Unternehmerlager wurden Arbeitszeitflexibilisierungen; für Industrie und Handwerk obendrein Beihilfen für Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und Innovation überhaupt. Und die Rekrutierung von „Talenten“.
Doch als ab Oktober die Energiepreise weltweit in die Höhe schossen und sie in Luxemburg zur Hälfte zu den 4,1 Prozent Jahresinflationsrate 2021 beitrugen, versuchte Handelskammer-Generaldirektor Carlo Thelen den Index wieder zum Thema zu machen. Diesmal mit politisch-korrekten Begriffen: Es gehe nicht darum, den Index abzuschaffen, sagte er am 17. Dezember im RTL Radio, sondern um einen „nachhaltigen“ Warenkorb. Tabak, Alkohol, aber auch „die Energiekosten“ müssten raus. „Wir wollen ja, dass die Menschen aufgefordert werden, den gratis öffentlichen Transport zu benutzen und nicht mehr so viel Energie zu verbrauchen.“ Da sei es „ein bisschen widersprüchlich, wenn man solche Produkte im Warenkorb lässt“.
Das war vor zwei Monaten. Mittlerweile hat das Statec am Dienstag bestätigt, worüber Finanzministerin Yuriko Backes (DP) vergangene Woche im Parlament spekuliert hatte: Mit der nächsten Indextranche ist im zweiten Quartal zu rechnen. Und schon zirkulieren Vermutungen, dass es vor Jahresende noch eine geben könnte. Carlo Thelen kam auf den Index am gestrigen Donnerstag in seinem Blog zurück. Tabak und Alkohol scheinen ihn im Warenkorb nicht mehr zu stören, auch nicht „die Energiekosten“ schlechthin, sondern die „fossilen Energieprodukte“. Da eine solche Reform Zeit brauche, müsse der Index „vorübergehend moduliert“ und darüber schnell entschieden werden. Von den Energiepreissteigerungen besonders betroffene Haushalte müssten Hilfen bekommen.
Noch sind das einsame Überlegungen des Handelskammerchefs und keine allgemeinen Forderungen der Unternehmerverbände. Noch gibt es auch keine öffentlichkeitswirksame Gegenrede der Gewerkschaften dazu. Lediglich in der diese Woche erschienenen neuen Ausgabe von OGBL Aktuell wies OGBL-Präsidentin Nora Back Thelens Ideen vom Dezember „kategorisch“ zurück, nannte seine Begründungen, wonach die Bevölkerung nicht nachhaltig genug lebe, „dilettantisch und populistisch“. Sie überschrieb den Artikel aber auch mit einer Anklage: Zwischen 2006 und 2013 habe CSV-Premier Jean-Claude Juncker nichts unversucht gelassen, um das Indexsystem „strukturell zu beschädigen“.
Der Hinweis dürfte als Warnung an die jetzige Regierung gedacht sein, die noch nie mit Auseinandersetzungen um den Index zu tun hatte. Dass sie in den großen Index-Fragen ungeübt ist, dürfte aber auch ein Grund sein, weshalb die Unternehmerverbände den Ball flachhalten. Dass selbst kleine Änderungen am Warenkorb Zeit brauchen würden, trifft ja zu. Sie würden viel zu nahe an den Wahlkampf geraten, als dass die Regierungsparteien sich nicht daran erinnern würden, wie in den Achtzigerjahren ein Einsatz für den Index Wahlen zu gewinnen half. Indexmodulationen wiederum konnten Wahlsiege kosten. So gesehen, mag es den Unternehmerverbänden realistischer erscheinen, dass die Regierung Sonderhilfen gewährt. Zumal die auch für die EU-Kommission kein Tabu sind; die Energiepreiskrise trifft schließlich alle EU-Staaten. Am 2. März soll darüber ein Ministerrat diskutieren. Vielleicht wird anschließend klarer, ob Carlo Thelen für sich allein gebloggt hat.