Leineneinband mit dem Blumenmuster eines Vorhangs, hellrosa Vorsatzpapier als pastellige Klammer für die abgedruckten Schwarzweißfotografien – Commonplace von Tamsyn Adams und Sophie Feyder präsentiert sich als optisch ansprechendes Fotobuch. Beim Blättern durch die minimalistisch gelayouteten Seiten mit maximal einer Fotografie pro Buchseite setzt sich das visuelle Wirkprinzip dieses Werks fort. Was zunächst wie ein historisches Familienalbum aussieht, stellt sich als Gegenüberstellung zweier privater Bildersammlungen einer schwarzen und einer weißen südafrikanischen Familie heraus. Die auf den Doppelseiten kontrastierten Bilder beider Familien weisen jeweils auf visuell-ästhetischer Ebene Parallelen auf, etwa in Bezug auf Posen, Kleidung oder Komposition.
Das Nachwort erklärt das Konzept von Commonplace, das ursprünglich in Form zweier separater Forschungsprojekte zur Rolle privater Fotografien bei der Vermittlung Südafrikanischer Geschichte entstand. So zeigt die Drummond-Fyvie-Sammlung die 150-jährige Geschichte einer englischsprachigen weißen Familie aus Estcourt in KwaZulu-Natal an der Ostküste Südafrikas. Demgegenüber zeigt die Ngilima-Sammlung das Leben der Schwarzen in der Umgebung von Benoni, östlich von Johannesburg, in den 1950-er Jahren zu Beginn der Apartheid. Die Luxemburger Politikwissenschaftlerin Sophie Feyder, die sich in ihrer Masterarbeit mit populärer schwarzer Fotografie in Johannesburg beschäftigte, traf im Rahmen ihrer Forschungsarbeit auf Farrell Ngilima, mit dem gemeinsam sie die Sammlung seines Großvaters aufarbeitet, die inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil ihrer derzeitigen Promotion an der Universität Leiden geworden ist.
Commonplace vertritt im Gegensatz zu den Forschungsprojekten nicht den Anspruch, das Politische zu reflektieren, sondern fokussiert sich stattdessen auf die Alltäglichkeiten der beiden Familien, um persönliche Implikationen des politischen Kontexts darzustellen. So verweisen Feyder und Adams darauf, dass es sich bei dem Buch um eine Übung in visueller Gegenüberstellung handelt.
Vor diesem konzeptionellen Hintergrund und mit der Kenntnis des politischen und geografischen Kontexts beginnt der Betrachter, die Interrelationen zwischen den Bildern zu interpretieren, etwa wenn dem sonnigen Gruppenfoto aus dem üppigen Garten der Drummond-Fyvies das der Ngilima-Familie im Schatten einer kargen Wellblechhütte gegenübergestellt wird. Auch in anderen Bildern stellt der Garten der weißen Familie einen prominenten Hintergrund dar, in dessen Blumenwiese eine junge Frau posiert, während die Mädchen der Ngilima-Familie vor Betonwänden und auf erdigem Untergrund die Blüten als Muster auf ihren Kleidern tragen.
Doch vermitteln die Doppelseiten keineswegs kontrastive Klischees. Wenn aus beiden Sammlungen schick gekleidete Damen in matrosenartigen Streifenmustern nebeneinander posieren, sind die sozioökonomischen Unterschiede erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Während die barfüßige weiße Dame jene modische Kleidung als Freizeitoutfit am Strand trägt, zeigt das Bild aus der Ngilima-Sammlung eine breitbeinig, resolut posierende Frau in ihrem Sonntagskleid – möglicherweise auf dem Weg in die Kirche.
Die meisten Doppelseiten des Buchs, das mit Unterstützung des CNA und der Œuvre nationale de secours Grand-Duchesse Charlotte entstand, funktionieren über diese ästhetisch-formalen Bezüge von Bildaufbau, Bildelementen und Mustern. Zusammengehörigkeiten entstehen durch die orgelpfeifenartige Anordnung der Familienmitglieder, markante Hirtenstöcke von ähnlicher Form oder auch die Schatten der jeweiligen Fotografen, die sich über den Boden hin zu den Motiven erstrecken und subtil auf die Hintergrundgeschichte der Privatsammlungen verweisen.
In den exzellent arrangierten Paarungen treten neben eher subtilen Parallelen auch erstaunliche Ähnlichkeiten hervor, sei es Tanzfotos, die bei ähnlichen Schritten entstanden sind, oder amateurschauspielhaft inszenierte Messerstechereien. Angenehm ist, dass die Autoren bei der Gegenüberstellung zu keinem Zeitpunkt in platte oder ironische Klischees verfallen und die Bilder beider Sammlungen unterm Strich ausgesprochen viel Lebensfreude vermitteln.
Das Konzept des visuell und historisch interessanten Projekts Commonplace geht auf. Die ästhetischen Verbindungen laden ein, sich mit den Bildern auseinanderzusetzen und das Ausmaß der Gemeinsamkeiten zu hinterfragen.