Dass es ohne uns geht, vielleicht, wahrscheinlich sogar besser, dämmert uns ja schon lange. Zumindest seit uns die treuesten Genoss_innen und Verbündeten verlassen und wir ihnen verlassen verdutzt hinterher schauen. Du liebes Bienlein! Warum stichst du mich nicht mehr, warum lässt du mich im Stich, wo ist mein Honig? Der Auerochse ist auch nicht mehr da, und vieles, was uns umfleucht und umkreucht hat macht sich rar, Wesen mit transparent schillernden Flügeln, fliegende Elfen, man nannte sie Schmetterlinge. Die Elfen sowieso, und die Feen und Kobolde, sie leben nur noch in Reservaten oder unter Island-Freaks. Manchmal, in einem begnadeten Moment, winkt so ein Naturgeist einer Naturbegeisterten uns aus einer Baumkrone zu.
Dafür wird der Wolf reimplantiert, der uns das Gesetz der Natur wieder nahe bringen soll.
„Hëllef fir d‘Natur“, wozu, die Natur braucht uns nicht, wenn wir und unsere best friends nicht mehr da sind, macht sie halt was Anderes, was mit weniger Mensch. Ihr fällt sicher was ein. Ihr Repertoire ist unerschöpflich, die atemberaubendsten Kreationen bringt sie hervor, wir müssen uns nur surrealistische australische Ausgestorbene anschauen oder im Untergrund der Ozeane mondän Schwebendes oder Tschernobyl-Turbogewächse
– der schöpferischen Fantasie der Natur sind keine Grenzen gesetzt. Sie macht radikale und immer ökologische Kunst, sie verwertet alles, ohne zu bewerten, auch uns, samt Sondermüll.
Mulmig ist es den Menschlein schon seit geraumer Zeit, immer wieder zitiert jemand den Posterspruch, der einst auf jedem WG-Klo hing, den mit dem letzten Baum, dem letzten Fisch, der Indianerweisheit des letzten Indianers. Getreu dem Pädagogenspruch, der besagt, dass der beste Pädagoge der ist, der sich selber überflüssig macht, kommen wir der Idealvorstellung des besten Menschen gefährlich nahe.
Oder? In anderen Weltgegenden finden das viele übertrieben, eine europäische Angst. Unsere chinesischen Mitmenschen übernehmen flexibel die Jobs der Bienen und roboten als Bestäuber_innen, viele Menschen ersetzen viele Bienen, bis sehr bald viele Roboter_innen oder eine bestäubende Drohnenfee die altmodischen hinfälligen Mini-Flugkörper ersetzen. Geht doch, alles halb so wild. Alles gar nicht mehr wild. Bis auf Weiteres.
Belächelt werden wir Europäer_innen zunehmend mit unserem museal-konservativen Natur-Kultur-Verständnis. Wir wollen alles erhalten, die Bäume, die Leitkultur, die Leitwolfkultur, die Demokratie, aussterbende Sprachen, Insekten, die wir nicht mal essen; wir wollen durch freundliche europäische Stadtzentren schlendern und dem Musealen zuprosten, während draußen der Dschungel lodert. Ein paar Meter abseits liegen die Gestrandeten, die das Meer überwunden haben, auf dem Pflaster von Paris. Und alles wächst uns über den Kopf.
Während man in anderen Kulturräumen mit vollkommen anderen Kulturträumen Nägel mit Köpfen macht, oder Köpfe Nägel machen beziehungsweise rosa-graue Zellen in allen möglichen Kombinationen entwerfen. Oder handfeste Autos bauen. Autos, die selber fahren, jajagähn, gibt es schon. In Paris, London und so weiter fahren längst U-Bahnen ohne Fahrer_innen, wer nicht einsteigt, wird bald nirgends mehr einsteigen, nur noch zur Aussteigerin taugen. In Kalifornien, wo die Kinder der Sonne wohnen, die Greise der Sonne auch, rollt ab April das auch per Gesetz vom Menschen endgültig befreite Auto.
Lutz und das Wunderauto hieß ein Buch in meiner Kindheit. Ein Wunderauto fuhr und flog das Kind Lutz um die Welt, am meisten beeindruckte mich das All-inclusive-Büffet. So ein Auto gab es aber nicht! Jetzt gibt es es, mit oder ohne Büffet, Fliegen sicher auch bald.
Lutz darf (noch) mit, muss aber nicht. Ein_e Führerscheinbesitzer_in auch nicht. Auto kann es auch ohne, und darf es auch ohne, der Datenschreiber schreibt fleißig mit.
Vielleicht wird ja das Cash-betriebene, an der Raketenspitze des Fortschritts stehende Luxemburg das erste Land in Europa sein, das seinem Autofetisch diese ultimative Freiheit gewährt?
Dass der Fortschritt uns überrollt, auf so eine Idee kommen wahrscheinlich nur die zaghaften, antiken Rest-Europäer_innen.