Nach „Luxemburg ist Literatur“ und „Luxemburg ist Film“ ging es bei der diesjährigen Oktoberausgabe des Lux ist-Festivals darum, die deutsche Öffentlichkeit mit Tanz und Tänzern aus Luxemburg bekannt zu machen. Die Broschüre lud ein zu einem fünftägigen Marathon, der den Interessierten nicht nur die Crème de la crème der luxemburgischen zeitgenössischen Tanzszene servierte, sondern jeden Abend eine andere Bühne vorstellte und somit einen Einblick in die bedeutendsten Tanzkulissen der Hauptstadt gestattete.
Laut der Botschafterin in Berlin, Martine Schommer, enstand Lux ist aus dem Wunsch, einen Einfluss auf das Berliner Publikum und die Berliner Kunstszene zu bekommen. „Um das zu erreichen, mussten wir eine Woche für ein Thema reservieren und uns massiv präsentieren, das heißt 5 000 Plakate, 500 000 Postkarten, damit man uns überall sieht. Wenn man eine Wirkung haben will, muss man ganz gute luxemburgische Produktionen bringen, daraus ein Festival machen und mit Werbung überall in der Stadt präsent sein. Deshalb auch die Entscheidung, nicht alles an einem Ort zu machen, sondern von Stadtteil zu Stadtteil zu reisen.“
Eröffnet wurde der Zyklus am 24. Oktober im bis zum letzten Sitz gefüllten Heimathafen, der dank seiner roten Scheinwerfer, funkelnden Diskokugeln und gereihten roten Stühlen unter den mit goldenem Stuck dekorierten hohen Decken der ideale Ort für einen Abschlussball sein könnte. Eine unerwartet erfrischende Auswahl für den ersten Abend, da das Volkstheater endlich nicht in irgendeiner langweiligen polierten Gegend, sondern im Neuköllner Stadtviertel seine Adresse hat, wo sich neben persischen Teppichläden, Eckkneipen und italienischen Pizzakiosks türkische Familien mit jungen Kunststudenten die Nachbarschaft teilen.
Wie es sich bei so einer Veranstaltung gehört, wurde das Festival von einer Reihe Reden eröffnet, zuerst von der Botschafterin Luxemburgs, die sich anders als die Vertreterin des Kulturministeriums Denise Besch, welche sich mir ihrem Stapel A4-Blätter deutlich zu sehr für die Werbung luxemburgischer Kultur eingesetzt hat, angenehm kurz und knapp hielt. Zum Schluss wurde das Mikrofon an Serge Tonnar, den Vorsitzenden des Dachverbandes der luxemburgischen Theater, gereicht, der mit Witz und seinem immer wieder willkommenen Charme das informell formelle Gerede ins Gleichgewicht bog.
Dann wurden die Reden beendet, die Tänzer zeigten was sie konnten und das Publikum war begeistert. Der rot schimmernde Samtvorhang öffnete sich zu Anu Sistonens Life, nicht die stärkste und repräsentativste Wahl für einen Eröffnungsabend, das aber bei dem kulturverwöhnten und kritikliebenden Berliner Publikum erstaunlich gut ankam. Die Säle blieben auch bei den übrigen Vorstellungen gefüllt, die Stimmung war gelassen und mit Komplimenten wurde alles andere als gespart. Was ins Auge fiel, war der Einklang zwischen Tanzstück und Veranstaltungsort, ein gelungenes Resultat der organisatorischen Absicht: „Wir haben eine Reihe Tanzstücke vorgeschlagen, die in Berlin standhalten können und jedes Theater hat das herausgesucht, was ihm am besten gepasst und gefallen hat“, erklärte der Choreograf Bernard Baumgarten, der mit On my Skin vertreten war, wahrscheinlich der beliebtesten und stärksten Aufführung der Woche. Was ebenso positiv auffiel, war die Zahl der Berliner Besucher, die im Vergleich zum vorjährigen Festival deutlich größer war und damit Hoffnung gab, dass in Zukunft anstatt der bei solchen Veranstaltungen üblichen treuen Luxemburger Delegation noch mehr lokale Bewohner die Sitzplätze wärmen werden.
Den Choreografen und Tänzern, von denen einige zum ersten Mal Berliner Boden berührten, bot das Festival nicht nur die Möglichkeit und angenehme Abwechslung, in den bedeutendsten Hallen der Hauptstadt aufzutreten, sondern diente auch als Plattform um neue konkrete Kontakte zu knüpfen. Wie Botschafterin Martine Schommer betonte „ging es den Tänzern und Choreografen darum, abends dem Publikum ihre Tanzstücke vorzustellen und tagsüber Journalisten, Veranstalter und Intendanten aus der Branche zu treffen“.Laut den Beteiligten wurden schon während der Woche weitere Türen für zukünftige Projekte geöffnet. Die Organisation hinter den Kulissen schien auch reibungslos zu verlaufen: „Die Techniker sind fantastisch, wenn es immer so wäre, wäre es ein konstantes Vergnügen auf Tour zu gehen. Die Leute hier sind einfach professionell, sie arbeiten auf drei, vier Vorstellungen pro Tag, jeden Tag. Die Tänzer sind super drauf, weil sie keinem Stress ausgesetzt sind, und das sieht man auf der Bühne“, strahlte Bernard Baumgarten. Zum Abschluss des Festivals gab es dann zwei Solostücke, eines durchgeführt von der meditativ-avantgardistischen Annick Pütz, eines von der vor Sex und Vulgarität sprühenden Sylvia Camarda und eine darauf folgende Feier – ganz landestypisch – mit unter anderem den Schlagertönen von Fausti, flaschenweise Crémant ... und einer Mini-Tombola.
Wie Serge Tonnar bei der Eröffnungsrede andeutete, ist Luxemburg „zwar ein kleines Land mit großen Künstlern, doch kleines Land heißt auch kleine Szene“. Kleines Land heißt leider auch kleines Publikum und größere Hindernisse. Es bleibt nur zu hoffen, dass mehr Botschaften und Veranstalter sich vom Erfolg dieses beispielhaften Festivals inspirieren lassen und den Luxemburger Künstlern die Möglichkeit geben, sich international zu beweisen und durch neue Herausforderungen zu wachsen. Hoffentlich dauert es nicht lange, bis die Zuschauer bereit sind für ihre Karten zu zahlen anstatt dank der (ja, tollen) kostenlosen Einladungen zufälligen Zugang zu den Talenten aus Luxemburg zu haben. Und hoffentlich dauert es auch nicht lange, bis die Luxemburger Elite ihre Komplexe ablegt und nicht mehr bei jeder Rede über Kunst die immergleichen Sätze wie „Es gibt mehr zum Land. Luxemburg ist nicht nur Banken, sondern auch Kunst“ erwähnen muss.