Unter dem Banner der nachhaltigen Mobilität haben grüne Politiker eine etwas merkwürdige Steuernische für Fahrräder und Elektrofahrräder herausgeschlagen

Radeln mit Hilfsmotor und Steuerprivileg

d'Lëtzebuerger Land du 27.01.2017

So wie dir Esel einst das Pferd des armen Bauern war, so war der „Drahtesel“ lange das Fahrzeug des Arbeiters, der damit frühmorgens zur Schmelz radelte. Auch heute ist das Fahrrad noch in weiten Teil der Welt das billige Fahrzeug der Armen. Doch das Fahrrad musste erst zum modischen Accessoire des umwelt- und körperbewussten Bürgers werden, bevor der Staat den Kauf von Fahrrädern zu bezuschussen begann. Was den Arbeiterparteien während eines Jahrhunderts nicht in den Sinn kam, bewirkten die Grünen als die Partei des umwelt- und körperbewussten Bürgertums gleich bei ihrer ersten Regierungsbeteiligung: Die Bezuschussung von Elektroautos und Fahrrädern ist der kleine Spaß, den DP und LSAP dem grünen Koalitionspartner gönnten, damit er sagen kann, er habe sein Scherflein zu ihrer Steuerreform beigetragen.

Seit diesem Monat gewährt im Zeichen der nachhaltigen Mobilität das Einkommensteuergesetz laut Artikel 129d wegen einer „außergewöhnlichen Belastung“ einen Abschlag vom steuerpflichtigen Einkommen, wenn der Steuerpflichtige eine Rechnung über den seit Anfang dieses Jahres erfolgten Erwerb eines neuen Fahrrads mit oder ohne Elektromotor vorlegen kann. Unabhängig von der Frage, ob nach dem Radeln nicht auch das Zufußgehen als Krönung nachhaltiger Mobilität eine außergewöhnliche Belastung darstellt und entsprechend bezuschusst werden müsste, werden Fahrräder nicht nur bezuschusst, sondern Radler genießen sogar steuerrechtlich einen privilegierten Status.

Der neue Abschlag gilt für den Kauf von Fahrrädern, auf denen man zu rein privaten Zwecken radelt. Selbstverständlich kann das Steueramt die Art der Fahrradnutzung nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand kontrollieren. Aber der Steuerpflichtige hat andererseits wenig Grund, sein Privatfahrrad zweckzuentfremden. Denn wer ein Fahrrad von seinem Betrieb zur Verfügung gestellt bekommt, braucht diesen Vorteil, im Gegensatz zu Firmenwagen, nicht einmal als Sachleistung zu versteuern. Der Betrieb darf das einkommensteuerrechtlich inexistente Fahrrad aber als Ausgaben von seinem körperschaftssteuerpflichtigen Einkommen abziehen.

Im Widerspruch zum Prinzip der seit Monaten heftig propagierten Kreislaufwirtschaft bezuschusst der Staat allerdings nicht den Erwerb von gebrauchten Fahrrädern. Dafür unterstützt er, nicht minder überraschend, sogar die Fahrradmode. Denn er gewährt alle fünf Jahre den Steuerabschlag für den Kauf eines neuen Fahrrads, obwohl die Lebensdauer eines Fahrrads im Alltagsgebrauch weit länger ist.

In den Regel werden Steuerabschläge in der Höhe des realen Kaufpreises gewährt, der durch die entsprechende Rechnung zu belegen ist und bis zu einer Obergrenze gewährt wird. Der Fahrradabschlag wird dagegen nicht am realen Kaufpreis des Rads gemessen, sondern er beträgt pauschal 300 Euro. So dass der kostenbewusste Radler ein doppeltes Geschäft machen kann, da es neue Fahrräder schon für 100 Euro im Handel gibt. Neben dem bei Abschlägen oft üblichen Mitnahmeeffekt besteht also auch noch die Möglichkeit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung.

Dass dies im Zeichen der nachhaltigen Mobilität geschieht, ist selbstverständlich ein Vorwand. Denn der Motivenbericht zur Steuerreform zählt ausdrücklich auf, dass auch Freizeitutensilien bezuschusst werden, „les bicyclettes, les vélos de course, les vélos tous-terrains, ainsi que les tricycles couchés“ sowie in Analogie zur Bezuschussung von Elektroautos „les cycles à pédalage assisté“ (S. 51). Diskriminiert werden mangels Wahlrechts nur Kinder, denn Kinderfahrräder werden von der Bezuschussung ausgenommen.

Aber das Finanzministerium und die Steuerverwaltung tun sich schwer mit der Definition eines Fahrrads. Laut den bei der Vorstellung der Steuerreform vom Finanzministerium verteilten Infografiken ging, anders als im Gesetzentwurf, der auch Fahrräder ohne Hilfsmotor umfasste, lediglich die Rede von „e-vélo“ und Pédelecs“ („Pedelec“ steht für „Pedal Electric Cycle“). Die Infokrafiken des Nachhaltigkeitsministeriums nennen dagegen „vélo et pedelec25“ . In der französischen Version von Formular 164R zur Beantragung des Steuerabschlags für außergewöhnliche Belastungen geht die Rede von „cycle ou cycle à pédalage assisté“, in der deutschen Version von „Fahrzeug oder Fahrzeug mit Pedalunterstützung“ – hier wurden gleich Fahrzeuge und Fahrräder miteinander verwechselt. Die im Grunde maßgebliche Definition des Gesetzes schließt dagegen Einräder, Tretroller, Segways, elektrische Skateboards, Smartboards, Hoverboards und elektrische Motorräder mit einer höheren Leistung als 0,25 Kilowatt und einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 25 Stundenkilometer aus. Dafür schließt sie Dreiräder sowie Rikschas ein, insofern Letztere nicht gewerblich genutzt werden.

Wenn es schwierig scheint, ein Fahrrad zu beschreiben, muss die Definition eines Fahrrads mit einem elektrischen Hilfsmotor zwangsläufig noch schwieriger sein. Und tatsächlich heißt es in Artikel 1.21° des Steuerreformgesetzes, ein „cycle à pédalage assisté“ sei „un véhicule routier à deux roues au moins qui est propulsé conjointement par l’énergie musculaire de la ou des personnes qui se trouvent sur ce véhicule et par l’énergie fournie par un moteur auxiliaire électrique, dont la puissance nominale continue maximale ne dépasse pas 0,25 kW; l’alimentation est réduite progressivement si la vitesse du véhicule augmente et interrompue dès que le véhicule atteint une vitesse de 25 km/h, ou plus tôt, si la ou les personnes qui se trouvent sur le véhicule arrêtent de pédaler“. Die Straßenverkehrsordnung setzt seit 2005 die Benutzung von Elektrofahrrädern mit einer Leistung von weniger als 0,25 Kilowatt und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometer mit der Benutzung nicht mehr von Motorrädern, sondern von Fahrrädern gleich. Denn dafür sind weder Führerschein, noch Zulassung, Versicherung oder Altersbegrenzung vorgeschrieben.

Romain Hilgert
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