Zinnsoldaten spielen auf, Rockschöße wehen. Männer mit Doppelkinn, graugesichtige Bleichgesichter, Fußgängerzonenfreaks, Jungs, aufgeklaubt im Karaoke-Zelt, in Wohnwagen neben Highways. Dann gleich Lincoln-Denkmal. Einmal wird ein Girl gesichtet. WC-Promis, könnte man hämisch sagen, manche singen schlecht, manche nicht so schlecht, vielleicht nicht weniger schlecht oder kitschig als andere, als die Stars, die vor Jahren dem ein bisschen schwarzen Präsidenten die Ehre gaben.
Richie Rich and The Poor Boys of America.
The global leader of the world, wie er sich selber nennt, hockt vor dem Lincoln-Denkmal, manchmal nimmt er einen Schluck aus einer Wasserflasche. Er hört brav zu, aber das Stillsitzen fällt ihm schwer, wie allen ADHS-lern. Seine Frau hat es leichter, sie ist tot. Der ganze Denver-Clan ist da, die Familienaufstellung ist komplett. Der komplexierte Sohn, der Eighties-ein-bisschen-Beau, die Tochter mit der Ausstrahlung, mit der giraffenhaften Anmut, angeblich die Hübsche. Die Clevere, die Mächtige, die Geliebte. Die andere Tochter. Der kleine Sohn, der ziemlich groß ist und gern mit den Augen rollt, wenn der alte Vater wieder seltsame Dinge sagt. Er heißt nicht King oder Prince, er heißt Barron.
Am nächsten Tag geht es gnadenlos weiter. In einer Halle mit an den Wänden herumstehenden Toten, unter ihnen Präsidenten, und lebenden Präsidenten an den Tischen warten die VIPS artig vor aufgebahrten Blumen auf ihr Essen. Neben dem Sonnenkönig sitzt die Grabsteinfrau. Neben dem Sonnenkönig sitzt die Schattenfrau. Hat er sie wirklich ausgesaugt, ist er ein Vampyr, das auch noch? Oder tut sie nur tot? Was aber ihr Recht ist, wie Feminist_innen andere Feminist_innen zurecht weisen, die dazu aufrufen, sie zu befreien. Es wird derzeit viel gerätselt, wer hinter dieser hübschen Maske mit den sensiblen Augen steckt. Das Mädchen aus Slowenien, das jetzt vielleicht Lust hätte, mit einem slowenischen Bauarbeiter am Meer zu sitzen und bei blutrotem Sonnenuntergang Cevapcici zu essen? Vielleicht aber auch gar nicht.
Zahllose Grauschöpfe und Glatzköpfe haben sich hier versammelt, um gemeinsam mit dem Sonnenkönig das Mahl einzunehmen. Geisterbahnglamour, Nixen aus der Nixon-Ära, Visagen, die Vietnamkrieger heraufbeschwören. Mottenkistenmief, ein Hauch von Horror. Ein paar Blond_inen mischen oder frischen das Bild auf, unter ihnen der Sonnenkönig selber mit seiner frisch ergoldeten, in jugendlicher Fülle strotzenden Sunny-Boy-Frisur.
Vor dem Essen wird jedenfalls gebetet. Nach dem Essen wird wieder gebetet. Gottes Segen wird auf den Herrscher herab gefleht, sie flehen inständig in diesem Gottesstaat. Möge die Amtszeit sein wie eine Sonne, etwas mit Vögeln ist auch dabei. Der Herrscher hat schließlich gewaltige Pläne, unter anderem will er the american carnage beenden, damit meint er keineswegs die von Amerikanern angerichteten Massaker. Der Vizepräsident wird ihn bei diesen Taten unterstützen. Er ist ein Happy Warrior, wie es auf indianeresoterisch in der Tischrede heißt. Der glückliche Krieger kriegt feuchte Augen. Er wird ebenfalls ausgiebig gesegnet.
Im beginnenden Dunkel zieht ein gespenstischer Karneval zu Ehren des Sonnenkönigs herauf. Fahnen, Waffen, Trommeln, Trompetenmäuler. Clowns in Uniformen, gedrechselte Zuckerwattebäusche auf den Köpfen. Helden in Rollstühlen, damit der Präsident ernst wird, potenzielle Helden in Militärmaschinen, damit er wieder aufblüht. Frauen wedeln mit Schillerndem, einige mit dem Hintern, sie sind schwarz und tragen weiße Kostümchen, der Präsident erfreut sich. Die Rollenverteilung oder Rollenzuweisung ist eine klassische, gendermäßig gibt es kaum Abwechslung. Ein paar Quoten-Indianer_innen, Cowgirls, Texas-Nuckessinnen mit beachtlichen Oberschenkelweiten. Das Hollywood der Fünfzigerjahre führt Regie. Ein Militärflugzeug heißt spaßig „Widowmaker“.
Es regnet, nur während der Angelobungsrede blitzt die Sonne auf. Behauptet der Sonnenkönig.