Haushaltspolitik

Die moderne Sparkoalition

d'Lëtzebuerger Land du 06.12.2013

Im Mittelpunkt der beginnenden Legislaturperiode steht die Haushaltspolitik, das auch mittels europäischem Stabilitätspakt und Schuldenbremse vorgegeben Ziel eines ausgeglichenen Haushalts, dem die Einnahmen- und Ausgabenpolitik des Staats und so gut wie auch alle anderen Politikbereiche untergeordnet werden sollen. Dabei versprechen die ausdrücklich modernisierungswilligen DP, LSAP und Grüne keine Alternative zur bisherigen Finanzpolitik von CSV und LSAP, sondern wollen diese Politik überhaupt erst systematisch und konsequent durchsetzen.

Die drei Parteien haben sich vorgenommen, bis Ende der Legislaturperiode einen strukturellen Überschuss des Gesamtstaats von Staat, Gemeinden und Sozialversicherung von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erzielen und die Staatsschuld unter 30 Prozent des BIP zu halten. Die Kosten dieses Unterfangens beziffern sie in ihrem Koalitionsabkommen trotz eines möglichen Konjunkturaufschwungs auf 1,5 Milliarden Euro jährlich.

Das Abkommen schweigt sich über die politisch brisante Frage aus, wer diese Rechnung bezahlen soll, und legt lieber fest, wie gezahlt werden soll. Um diese Summen von mehr als zehn Prozent des Staatshaushalts aufzutreiben, will die Regierung in liberaler Tradition nicht die Steuern erhöhen, sondern die Ausgaben senken. Mit dem Versprechen, dass die Wirtschaft dann wächst und mit ihr die Steuereinnahmen zunehmen.

Lediglich die vor den Wahlen auch von der CSV angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer ist laut Koalitionsabkommen „unumgänglich“ (S. 22), um den Einnahmenausfall aus dem elektronischen Handel auszugleichen. Der TVA-Satz soll auch nach der Erhöhung der niedrigste in der Europäischen Union bleiben, so dass der Regelsatz um zwei Prozentpunkte von 15 auf 17 Prozent erhöht werden soll, wie LSAP-Wirtschaftsminister Etienne Schneider am Dienstagabend noch einmal bestätigte.

Eine Einkommenssteuerreform soll zuerst Vorhersehbarkeit, Stabilität und internationale Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten. Ansonsten fiel der Koalition dazu nicht mehr ein, als dass die Steuersätze und ihre Progression unter Berücksichtigung des Mittelstandsbuckels überprüft und die Steuerabschläge selektiver gewährt werden sollen (S. 27). Dies erhärtet den Verdacht, dass die versprochene Steuerreform nur das Geschenkpapier war, in das während des Wahlkampfs die TVA-Erhöhung verpackt wurde.

Die im LSAP-Wahlprogramm großspurig „Reichensteuer“ genannte Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent ist nicht vorgesehen. Auch von der dort versprochenen „Trendwende“ hin zu „mehr Ausgewogenheit bei der Besteuerung von Arbeit und Kapital“ geht keine Rede mehr. Das Schlüsselkapitel Finanzpolitik im Koalitionsabkommen trägt deutlich die Handschrift der DP und des liberalen LSAP-Kandidaten, der sich schon vor den Wahlen diskret von den sozialdemokratischen Tönen seines Wahlprogramms distanziert hatte.

Die Steuerpolitik steht im Zeichen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, um neue Steuerzahler ins Land zu locken und den ansässigen eine bessere Entwicklung ihrer Geschäfte zu ermöglichen (S. 26). Die Vermögenssteuer für natürliche Personen soll nicht wieder eingeführt werden, obwohl dies im LSAP-Wahlprogramm so steht, und auch auf eine Erbschaftssteuer in direkter Linie wird verzichtet. Gleich dreimal wird im Koalitionsabkommen beteuert, dass die Taxe d’abonnement nicht weiter erhöht wird. Die Regierung bleibt auch der verstärkten Zusammenarbeit in der Europäischen Union fern, mit der eine im grünen Wahlprogramm verlangte Finanztransaktionssteuer eingeführt werden soll (S. 31). Mit einem „gesunden Steuerwettbewerb“ (S. 26) sollen Konzerne eingeladen werden, ihre Firmensitze nach Luxemburg zu verlagern (S. 27).

Weil das für den Stabilitätspakt ausschlaggebende Saldo des Gesamtstaats auch von den Haushalten der Gemeinden und der Sozialversicherung beeinflusst wird, will die Regierung die Sparmaßnahmen der Rentenreform vom letzten Jahr fortsetzen (S. 22) und die Gemeinden in einem vom DP-Wahlprogramm vorgeschlagenen „internen Stabilitätspakt“ dazu bringen, sich an der Senkung der öffentlichen Ausgaben zu beteiligen (S. 25).

Mehr noch als an ihrem hysterisch gewordenen Geheimdienst war die CSV/LSAP-Regierung an ihren chaotischen Sparplänen gescheitert, die in der Tripartite abgewiesen, von den eigenen Fraktionen umgeschrieben und im Parlament durchgehend kritisiert wurden. Daraus wollen DP, LSAP und Grüne lernen und den offen und mehr oder weniger demokratisch geführten Interessenkonflikt, wer für die Haushaltsanierung zahlen soll, vermeiden. Deshalb übernimmt mit Pierre Gramegna ein Finanzminister die Verantwortung, der keinen Wählern rechenschaftspflichtig ist, und die Sanierungsmaßnahmen sollen möglichst automatisiert und anonymisiert und damit auch bürokratisiert werden.

Mit dem Staatshaushalt für 2014, der bis April verabschiedet werden soll, will die Regierung zuerst einen „Kassensturz“ vornehmen, das im DP-Wahlprogramm angekündigte „Finanzaudit“, um an jedem einzelnen Haushaltsposten zu überprüfen, ob es sich um eine „kritische Ausgabe“ handelt oder er gesenkt werden kann und ob er sich mit den politischen Zielen der Regierung deckt. Ohne dass dies, wie in der blau-grün geführten Hauptstadt, im Abkommen „screening“ genannt wird, soll eine „task force“ nächstes und übernächstes Jahr suchen, wo Ausgaben gesenkt werden können oder billigere Alternativen zu finden sind (S. 23). Wer zu dieser „task force“ gehört, steht nicht im Koalitionsabkommen; das DP-Wahlprogramm verspricht eine „aus privaten und öffentlichen Akteuren“ zusammengesetze „Steuer-Taskforce“. (S. 24). Das aus Verwaltungsdirektoren bestehende Comité de prévisions soll als „Comité économique et financier national“ institutionalisiert werden, um die ständige Verbindung zwischen den europäischen Sparauflagen und der nationalen Haushaltspolitik zu gewährleisten.

Auch will die Regierung wieder eine jährliche Haushaltsnorm einführen, die langsamer als die Einnahmen wächst. Jedes Jahr will sie bestimmen, um wie viel Prozent die Ausgaben jedes Ministeriums gesenkt werden müssen. Eingeführt werden soll außerdem das 1981 von Haushaltsberichterstatter François Colling (CSV) vorgeschlagene Prinzip des „zero base budgeting“, laut dem jede Ausgabe jedes Jahr neu gerechtfertigt werden muss.

Die Gesamtkosten der Sozialtransfers sollen eingedämmt werden, indem alle Zuschüsse kritisch untersucht und von politischen Prioritäten und Einkommensgrenzen abhängig gemacht werden. Dadurch soll eine „wirksamere Verringerung der Armut“ erzielt werden (S. 24), Sozialtransfers sollen also nicht mehr länger der Umverteilung dienen. Mit dieser Familienpolitik beauftragt ist eine liberale Geschäftsfrau, Corinne Cahen.

Romain Hilgert
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