Für ihre Aktionen hat die AMMD nicht die besten Karten

Die Geister, die ich rief ...

d'Lëtzebuerger Land du 14.10.2010

Ende des Monats soll es so weit sein: Dann will der Ärzteverband AMMD zu Aktionen blasen. Neben den Notdiensten in den Spitälern werde dann nur eine „Grundversorgung ohne Komfort“ angeboten, und das womöglich wochen- oder gar monatelang, hat AMMD-Generalsekretär Claude Schummer in den letzten Tagen bekräftigt. Denn mit der Gesundheitsreform drohe anstelle der „liberalen Medizin“ ein „marxistisches“ Gesundheitssystem.

Damit könnte zu einem guten Teil in der Öffentlichkeit entschieden werden, wie es weiter geht mit der Reform, deren Entwurf nun beim Parlament liegt. Die besten Karten für diese Auseinandersetzung hat der Ärzteverband allerdings nicht.

Zum einen, weil die eigenen Reihen nicht geschlossen sind. Die Allgemeinmediziner sind gar nicht so unzufrieden mit der Reform. Vor allem sie kommen infrage als künftige „Referenzmediziner“, die ihre Patienten durch das medizinische Leistungsangebot geleiten und dafür gesondert honoriert werden sollen. Was wiederum jenen Facharztsparten zu weit geht, die vergleichsweise wenig Einkommen haben, Psychiater, Endokrinologen oder Dermatologen zum Beispiel.

Überhaupt wird innerhalb der Ärzteschaft schon seit längerem vermehrt über Einkommensunterschiede diskutiert. Dass Ende 2009 im AMMD-Verbandsorgan Le corps médical eine Übersicht über die jährlichen Durchschnittsumsätze pro Fachsparte abgedruckt war, fachte die Debatte zusätzlich an. Und nun fragen sich Spezialisten, die im Jahr kaum mehr umsetzen als 150 000 Euro wie ein Hausarzt, ob der Kampf gegen die Reform nicht in erster Linie jenen Kollegen dienen würde, die es auf drei Mal mehr bringen, wie Radiologen, Kardiologen oder Anästhesisten.

Zum anderen wird die AMMD der Öffentlichkeit erklären müssen, wogegen sie eintritt. Das ist schwierig: Bisher hat sie Front gemacht gegen Behandlungsleitlinien und Klinik-Kompetenzzentren, die zu „Behandlungsmonopolen“ führen würden. Der gemeine Bürger dagegen könnte mit solchen Begriffen unschwer eine Qualitätsgarantie in der Versorgung assoziieren. Und dass in die geplante elektronische Patientenakte auch Krankenpfleger und Klinikdirektionen Einblick nehmen könnten, wie der AMMD-Generalsekretär unlängst im Luxemburger Wort beklagte, dürfte vielen potenziellen Klinikpatienten gar nicht so wichtig sein.

Die für sie wirklich kritischen Punkte wird die AMMD mit der Öffentlichkeit ohnehin nicht diskutieren können, weil sie viel zu „technisch“ sind. An ihnen aber entscheidet sich alles. Luxemburg steht mit der Reform kein „marxistisches“ Gesundheitssystem bevor, sondern ein gemanagtes. Vor allem dort, wo es am meisten kostet: in den Spitälern.

Darin liegt eine politische Tragik für die AMMD, denn für diesen Systemwechsel in den Kliniken tritt sie selber seit Jahren ein. Nannte es „sektiererisch“, dass die Kliniken ein individuelles Budget mit der Gesundheitskasse aushandeln, und bezeichnete die Klinikbuchführung als „Black Box“. Nun soll tatsächlich überall jene analytische Buchführung durchgesetzt werden, die seit 12 Jahren im Spitalgesetz steht, für die es aber nie Ausführungsbestimmungen gab. Allerdings soll sie nun mit erfassen, was der Arzt verordnet hat und was er der CNS an Honorar in Rechnung stellte. Unlogisch ist das nicht: Das Kerngeschäft jeder Klinik, die medizinische Versorgung, steht und fällt auch in den Kosten weitgehend mit der Behandlungsentscheidung des Arztes. Das organisierte Klinikmanagement so weit treiben zu wollen, hatte Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) sich in seinem Vorentwurf vom Juli noch nicht getraut. Seitdem steht er nicht nur unter dem Druck des Krankenhausverbands, der ihm vorhält, man könne nicht die Klinikbudgets kürzen, ohne die ärztliche Aktivität mit zu analysieren. Der Spardruck aus CSV-Fraktion und Patronat dürfte den Minister ebenfalls beeinflusst haben. So dass die AMMD die Geister, die sie rief, nicht mehr los wird.

Zu guter Letzt ist es so klar nicht, wie ernst sie ihre Drohung meint, die obligatorische Konventionierung der Mediziner mit der CNS mit einer Klage vor EU-Instanzen anzugreifen. Aussicht auf Erfolg hätte das womöglich und würde die Tür für Privatbehandlungen ebenso öffnen wie es das Ende der Pflichtversicherung bei der CNS einläuten könnte. Doch schon mit einer teilweisen „Dekonventionierung“ der Ärzte wäre nicht nur der Weg frei für eine Arzt-Bedarfsplanung, wie sie die CNS, ginge es allein nach ihr, schon längst eingeführt hätte. Die CNS könnte dann auch gezielt „einkaufen“. Sie könnte vielleicht sogar Konventionen mit Ärzten aus dem Grenzgebiet der Nachbarländer abschließen. Derzeit übernimmt sie die Leistungen dieser Mediziner, wenn sie tageweise in Luxemburg praktizieren, lediglich notgedrungen. Dass so mancher heimische Arzt Verlierer einer solchen voll liberalen Medizin wäre, wird in der Ärzteschaft durchaus gesehen.

Da die Probleme, die die AMMD bisher mit der Reform verbindet, in erster Linie mit Geld zu tun haben, bietet sie dem Minister einige Angriffsfläche. Bisher gab Di Bartolomeo sich konziliant und weiterhin gesprächsbereit. Ein, zwei Fernsehauftritte, bei denen er Interna über die Verdienstlage der Ärzte und ihr Zustandekommen unters Volk bringt, dürften jedoch genügen, um die Anliegen der AMMD in der Öffentlichkeit nachhaltig zu diskreditieren, den Minister im Gegenzug als endlich Zupackenden erscheinen zu lassen. So was macht sich immer gut, kurz bevor wieder ein Wahlkampf beginnt.

Peter Feist
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