Heute loben wir das ausgewogene Leben. Liebe Familienministerin! Auf diesem Weg möchte ich Dir herzlich gratulieren. Du stehst wirklich einsam auf weiter Flur. Von allen Regierungsmitgliedern bist Du das einzige, das die Philosophie der Nachhaltigkeit ernstnimmt. Deine Idee, Asylbewerber auf Campingplätzen unterzubringen, hat etwas Revolutionäres. Statt unsere lieben Gäste einzusperren in diesen grausam teuren Wohnungen, die überall von räuberischen Immobilienspekulanten aus dem Boden gestampft werden, ermöglichst Du ihnen ein gesundes Leben in freier Natur.
Diese Menschen sind nicht anspruchsvoll. Sie kommen meist aus düsteren Ländern, wo es fast immer regnet. Hast Du das Spiel unserer Fußballnationalmannschaft in Bosnien gesehen? Du bist sicher mit mir einverstanden, dass wir es hier mit einem Naturspektakel erster Güte zu tun hatten. Diese Bosnier haben ihr Überschwemmungsgebiet im Sta-dion, während wir wie verhext danach trachten, ein neues Stadion ins Überschwemmungsgebiet zu bauen. Kein einziger bosnischer Fußballer hat sich über das geflutete Spielfeld beschwert. Ganz im Gegenteil: die Männer spielten wie die Götter. Diese Naturburschen könnten auch in einem Swimmingpool Fußball spielen. Du kannst also davon ausgehen, dass ihren ausgewanderten Landsleuten nichts besser liegt als ein verschlammter Campingplatz. Vielleicht gibst Du mal eine Statistik in Auftrag, wieviele Gäste aus düsteren Ländern mittlerweile auf Luxemburger Campingplätzen begeistert Fußball spielen. Wir würden uns noch wundern. Der Campingplatz ist das neue Symbol der Nachhaltigkeit.
Lass Dich nicht beirren von bösen Menschen, die immer alles schlechtmachen wollen. Das neue Rückhaltezentrum, die gemütliche Heimstatt der Vertriebenen und Geächteten, ist schon rein architektonisch eine Perle der Nachhaltigkeit. Nichts Überflüssiges, kein Schnickschnack, keine energiefressende Sonderausstattung, nur der dezente Raum, das fast schon zen-buddhistische Wohnerlebnis. In dieser klösterlichen Abgeschiedenheit dürfen die zugereisten Menschen wieder zu ihrem Wesenskern vordringen und sich aktiv von allen bourgeoisen Schikanen befreien. Deine Regierung beschränkt sich sozusagen auf die humanistische Essenz. Es springt sofort ins Auge, dass dieses Rückhaltezentrum mit einer Bibliothek ausgestattet ist. In anderen Worten: von Verachtung oder gar Verfolgung kann gar nicht die Rede sein. Unser Staat bietet seinen bedürftigsten Gästen das Allernachhaltigste, die permanente geistige Nahrung. Sich mit Büchern einzudecken ist doch viel schöner und nützlicher, als in aufgeblähten Einkaufszentren rumzulungern. Wie ich Dich kenne, wird demnächst auch auf allen Campingplätzen eine Bibliothek installiert. Dann können die Asylbewerber sich nach Herzenslust intellektuell befriedigen. Wenn sie nicht gerade auf der Schlammwiese Fußball spielen.
Liebe Familienministerin, jetzt fehlt nur noch ein gutes Konzept für die Kommunikation zwischen Luxemburgern und ausländischen Campingfreaks. Wir haben einfach nicht den Reflex, mal auf dem Campingplatz vorbeizuschauen, um uns von diesen nachhaltig lebenden Brüdern und Schwestern kulturell inspirieren zu lassen. Wir brauchen demnach dringend einen nachhaltigen Ort der Begegnung. Ich hätte da eine Idee. Wie wäre es denn, wenn Du all diese lieben Ausländer im Bettemburger Märchenpark einquartieren würdest, und zwar dauerhaft? Dieses bezaubernde Areal kommt den Asylbewerbern voll entgegen. Es liegt praktisch im Wald, es sind auch exotische Tiere da, und zwischen all den bunten Märchenfiguren fallen die Ausländer praktisch nicht mehr auf. Der größte Vorteil ist allerdings, dass wir Luxemburger süchtig nach dem Märchenpark sind. Wir stoßen also ganz entspannt und natürlich auf unsere lieben ausländischen Mitmenschen. Man muss uns nicht drängen oder zwingen. Ganz freiwillig ziehen wir uns diese märchenhafte, mit fremden Düften vermischte Atmosphäre rein.
Bestimmt werden Dir jetzt wieder die Gutmenschen in den Rücken fallen. Ich höre sie schon geifern: Das ist doch ein Menschenzoo, so kann man Hilfesuchende doch nicht behandeln! Lass Dich von solchen Pseudoargumenten nicht kopfscheu machen, liebe Familienministerin. Viel wichtiger sind die Modalitäten der Umsiedlung in den Märchenpark. Eine Kaffeefahrt zu den Asylbewerbern in Bettemburg, das wird ganz sicher zum neuesten Freizeitschlager in Luxemburg avancieren. Wir dürfen ja davon ausgehen, dass die Asylbewerber dankbar sein werden für ihr spannendes Zuhause und sich richtig exotisch benehmen. Damit die Einheimischen was zu erzählen haben, später, bei Kaffee und Kuchen in der malerischen Märchenkulisse.
Vielleicht könnte man den lieben ausländischen Gästen ja Zipfelmützen aufsetzen, damit sie nicht zu scharf mit den Märchenfiguren im Park kontrastieren. Und damit wir sofort voller Entdeckerfreude rufen können: Ha, kommt mal Kinder, da sind sie ja! Natürlich ist das Füttern der Asylbewerber nicht verboten. Wenn man lieb ist zu ihnen, beißen sie nicht.