Anzeigen und Audits – wenige Monate nach dem Führungswechsel bei der Luftfahrtaufsicht hat sich die Lage nicht beruhigt. Im Gegenteil

Startprobleme

d'Lëtzebuerger Land du 05.12.2014

So hatten sich die Verantwortlichen im Infrastrukturministerium sich das sicher nicht vorgestellt, als im Juli Christiane Weidenhaupt als neue Direktorin an der Spitze der Luftfahrtbehörde Direction de l’aviation civile (Dac) nominiert wurde. Dass knapp drei Monate danach die Tumulte wieder größer sein würden als zuvor, damit hatten sie nicht gerechnet. Ihr Vorgänger im Amt, Claude Waltzing, war höchst umstritten. Sein Mandat war Anfang 2014 nicht verlängert worden, ohne dass die Nachfolge geregelt war, eine Übergangslösung wurde gefunden. Doch Waltzings Abgang allein hat die Lage nicht beruhigt. Im Gegenteil. Nun heißt es, schnell eine Lösung finden, denn die neuen Konflikte verheißen nichts Gutes für die Zusammenarbeit innerhalb der Dac. Und die Erfahrung lehrt, dass schlechte Stimmung zwischen den verschiedenen Akteuren den Betrieb am Flughafen lahmlegen kann. Ende 2011 musste der damalige Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV) in letzter Minute eingreifen, um zwischen Dac und Ana, der Administration de la navigation aérienne, zu schlichten, damit die Dac den Fluglotsen der Ana ihre Lizenzen verlängerte. Ohne Lizenzen keine einsetzbaren Fluglotsen – dem Findel drohte die Schließung. Zu einer ähnlichen Eskalation soll es diesmal nicht kommen.

Der neue Brandherd liegt bei der Alsa – kurz für Agence luxembourgeoise pour la sécurité aérienne. Die Alsa ist, anders als es der Name vermuten lassen würde, keine Verwaltung sondern eine privatrechtliche Firma, deren Aktionär der Staat ist. Claude Waltzing hatte während seiner Amtszeit den Chefposten der Dac und den Vorsitz der Alsa in Personalunion besetzt. Dass Weidenhaupt im Juli, als sie vom Wirtschaftsministerium zur Dac wechselte, nicht sofort die gleiche Personalunion einging, sei auf einen Prozedurfehler zurückzuführen. So wurde Christiane Weidenhaupt erst Mitte November bei der außerordentlichen Jahresversammlung der Alsa zwar in den Verwaltungsrat der Alsa aufgenommen, allerdings nicht zur Verwaltungsratspräsidentin und zum Administrateur délégué gewählt. Stattdessen bestimmte der Verwaltungsrat, dem außer ihr selbst drei weitere Dac-Mitarbeiter und eine Vertreterin des Finanzministeriums angehören, den Dac-Beamten Frank Kraus zum Präsidenten. Daraufhin forderte der Verwaltungsrat von Weidenhaupt die Herausgabe der Geschäftsunterlagen. Weidenhaupt sträubte sich und ließ sich die Aushändigung der Unterlagen von einem Gerichtsvollzieher bestätigen.

Ob ihre Verwaltungsratskollegen zu diesem Zeitpunkt wussten, dass Weidenhaupt Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet hatte? Am 3. Oktober, bestätigt der Sprecher der Justizbehörden, hat Weidenhaupt dies im Namen von Dac und Alsa getan, es geht um Doktumentenfälschung und die Verwendung gefälschter Unterlagen. Schwere Vorwürfe, die sich nicht wirklich gegen X richten. Sondern gegen diejenigen, die vor ihrer Nominierung die Geschicke der Alsa leiteten. Dazu gehören als langjährige Alsa-Verwaltungsratsmitglieder Weidenhaupts eigene Dac-Mitarbeiter. Ob ihre Anzeige zu strafrechtlichen Ermittlungen führen wird, ist derzeit noch nicht gewiss. Sicher ist im Gegenzug, dass sich Weidenhaupt binnen kürzester Zeit von ihren wichtigsten Mitarbeitern isoliert hat. Für einen neuen Chef ist das keine günstige Situation, denn die Luftfahrtaufsicht ist eine komplexe, technische Materie – wer sich darin erst einarbeiten muss, kann jede Unterstützung brauchen. Hinzu kommt, dass sich auch das Infrastrukturministerium sehr bedeckt hält. Minister François Bausch (déi Gréng), der Weidenhaupt erst vor wenigen Monaten nominierte, sieht die Sache mit der Strafanzeige anscheinend anders als die Dac-Direktorin. Die Strafanzeige sei weder im Namen der Alsa noch der Dac, also nicht im Namen des Staates erstattet worden, gab er in seiner Antwort auf eine parlamentarische Frage der LSAP-Abgeordneten Claudia Dall’Agnol zu Protokoll.

Dass das Ministerium so vorsichtig ist, liegt natürlich auch daran, dass es durch Weidenhaupts Vorwürfe selbst in der Schusslinie steht. Die Alsa sei heruntergewirtschaftet worden, lautet einer davon. Eine Situation, die der Aktionär, also der Staat, beziehungsweise das zuständige Ressortministerium offensichtlich nicht hätte zulassen dürfen. Ob dem allerdings so ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Alsa schloss 2013 bei einem Umsatz von 2,5 Millionen Euro mit einem Verlust von 147 149 Euro ab. Auch 2012 verbuchte sie bereits einen Verlust. Doch sie verfügte Ende vergangenen Jahres noch über 230 000 Euro kumulierte Gewinne aus den Vorjahren und insgesamt 815 000 Euro Firmenkapital – eine Insolvenz droht demnach nicht direkt.

Das Infrastrukturministerium sitzt im Streit um die Führung der Alsa in einer unangenehmen Zwickmühle, weil es einerseits in der Verantwortung steht, anderseits aber nicht wirklich eingreifen darf. Das liegt an der in den vergangenen zehn Jahren historisch gewachsenen, komplexen Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Akteuren am Findel. Damals, vor einem Jahrzehnt, war alles viel einfacher: Es gab die öffentliche Flughafenbehörde, die die Geschicke am Flughafen leitete, und seit 1999 die Dac als Aufsicht. Doch dann änderte sich mit dem Open-Skies-Abkommen der europäische Rechtsrahmen und die DP-Ministerin Lydie Polfer (DP) bestellte 2004 bei McKinsey ein Audit darüber, wie man die bisher von der Administration de l’aéroport wahrgenommen, Aufgaben anders aufteilen könnte. So entstanden schließlich, erstens, Luxairport, privatrechtliche Firma, die den Flughafen betreibt, und zweitens die Administration de la navigation aérienne, die den Flugverkehr in der Luft und auf den Pisten leitet. Drittens wurden die Aufgaben der Dac als Regulierungs-, Zertifizierungs- und Kontrollinstanz angepasst. Der Dac also obliegt es, die interna­tionalen Luftfahrtregeln in Luxemburg umzusetzen und darauf zu achten, dass sie eingehalten werden. Sie lässt Fluggesellschaften zu, prüft die Flugtauglichkeit der Flugzeuge, stellt Piloten und Fluglotsen Lizenzen aus, kontrolliert deren Papiere. Als Aufsichtsbehörde funktioniert sie unabhängig vom Ministerium – deshalb ist ein Eingreifen des Ministeriums in die Geschäfte der DAC, und damit der Alsa, schwierig.

Weil der Dac die technischen Kompetenzen fehlten, um diese Aufgaben wahrzunehmen, griff sie auf externes Know-How zurück. Was ihr in der Vergangenheit manche Negativschlagzeile einbrachte. So etwa weil der ehemalige Chefpilot der Luxair, dessen Sohn 2002 die Luxair-Unglücksmachine steuerte, die Dac in Sachen Pilotenlizenzen beriet. Aber auch weil die Dac auf die Experten der Privatfirma Bureau Veritas zurückgriff, um Kontrollen durchzuführen und Zertifizierungen auszustellen. Dass die Dac zentrale Aufgaben an eine Privatgesellschaft auslagerte, statt sie selbst wahrzunehmen, hielt den Prüfungen internationaler Behörden nicht stand. Doch das notwendige Personal, dessen Ausbildungsgrad und Expertenwissen nicht mit der staatlichen Gehältertabelle vereinbar war, konnte nicht direkt von der Dac rekrutiert werden. So entstand 2009 die Alsa, die ursprünglich die Angestellten des Bureau Veritas übernahm und seither personell deutlich aufgestockt hat. Ihre Mitarbeiter funktionieren nicht in einer gesonderten Einheit, sondern sind in die verschiedenen Abteilungen der Dac integriert. Sie, mit ihren privatrechtlichen Arbeitsverträgen, arbeiten Seite an Seite mit den Dac-Leuten mit Beamten. Keine ideale Situation. Der ehemalige Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV) hatte 2012 angedeutet, aus der Alsa ein établissement public machen zu wollen. Ein Vorhaben, das er bis zum Regierungswechsel 2013 nicht umsetzte. Frühere Überlegungen, aus der Flughafenverwaltung oder aus der Ana ein établissement public zu machen, waren auf den Widerstand der um ihr Statut besorgten Beamten gestoßen.

Wie man die Alsa besser aufstellen könnte – Vorschläge in diesem Sinne sollte wohl die neue Dac-Chefin Christiane Weidenhaupt vorlegen. Sie informierte, das lässt sich aus François Bauschs Antwort auf die Frage von Claudia Dall’Agnol schlussfolgern, den Minister über ihre Sicht der Dinge: „Tout d’abord, l’on précise que le ministère a été mis au courant récemment de certaines divergences de vues au sein du Conseil d’administration concernant la gestion de la société en question.“ Und erstattete dann Strafanzeige.

Ob die Staatsanwaltschaft es für notwendig und angemessen hält, eine Untersuchung einzuleiten, bleibt abzuwarten. Sollte sie das tun und am Ende jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wäre das ein Erfolg für Christiane Weidenhaupt, die daraus gestärkt hervorginge. Sollte die Staatsanwaltschaft allerdings davon absehen, würde das bedeuten, dass Christiane Weidenhaupt kurz nach ihrer Nominierung wichtige Mitarbeiter gegen sich aufgebracht, sich damit isoliert und vielleicht sogar für den Rest ihrer siebenjährigen Amtszeit blockiert hat. Das wäre ungünstig. Denn dass die Dac eine starke Führung braucht, steht außer Frage. Oberster Auftrag der Behörde ist die Sicherheit im Luxemburger Flugbetrieb. Ob sie der Verantwortung gerecht wird, muss sie aktuell im Dossier Cargolux-Wing-wave zeigen. Die Frage lautet: War ein Postholder – einer der Mitarbeiter, von denen die Zulassung der Gesellschaft abhängt – am Manöver beteiligt und welche Konsequenzen zieht die Dac daraus? Dass die Aufsicht solche Probleme mit den von ihr kontrollierten Gesellschaften nicht im freundschaftlichen Gespräch klären kann, wissen Dac-Veteranen noch wegen des Streits, den sie vor Jahren ebenfalls mit der Cargolux um deren Operations manual und die maximalen Einsatzzeiten der Piloten austrug.

Das Ministerium hat in Reaktion auf die Zerwürfnisse bei der Alsa und Dac ein Audit in Auftrag gegeben, das sowohl die Organisation wie die Finanzlage prüfen soll. Noch diese Woche sollte das Kick-off-Meeting stattfinden, hieß es dazu am Mittwoch aus dem Infrastrukturministerium. Das muss dann allerdings ohne Christiane Weidenhaupt stattgefunden haben. Sie war die gesamte Woche krankgeschrieben.

Michèle Sinner
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