Schpiik ju tu inglisch?

d'Lëtzebuerger Land du 31.03.2017

Erst vor zwei Wochen debattierte das Parlament über eine Strategie zur Förderung der Luxemburger Sprache und stellte den ersten Beamten einer neuen Sprachschutztruppe ein: den Kommissar für die Luxemburger Sprache. Mit dieser absurden Geste wollte die Regierung allen Nein-Sagern vom Referendum vor zwei Jahren entgegenkommen, die noch nicht bemerkt haben, dass ein Croissant auf Französisch genauso heißt wie auf Luxemburgisch und sich die Anstrengungen, in der Bäckerei eines in der Sprache des Nachbarlandes zu bestellen, in Grenzen halten.

Dabei ist der Regierung anscheinend entgangen, dass die wirkliche Gefahr für die Luxemburger Sprache nicht aus Frankreich, sondern aus dem perfiden Albion kommt, und zwar via das trojanische Pferd Finanzplatz. Diejenigen, die die Bankiers und ihre Steuerberater mit ihrer losen Moral bereits seit der Finanzkrise mit Argwohn betrachten, wird es nicht besonders überraschen, dass das Übel seinen Ursprung in den Big Four (Sic) genannten vier weltweit größten Unternehmensberatungsfirmen hat. In den Großraumbüros der Big Four produzieren abertausende Leute mit Titeln, wie „trainee“ oder „leader“, die verschleiern sollen, dass sie trotz Leasing-Wagen in der Hierarchie nichts zu sagen haben, Abermillionen Seiten Berichte und Texte, um ihre Dienstleistungen – das Produzieren von Berichten und Texten – feilzubieten. Da Luxemburg das „Gateway to Europe“ für Kunden aus allen Ecken der Welt ist, die ihr Geld hier auf einem Konto deponieren wollen, verfassen sie ihre Texte natürlich in der einzigen wirklichen Weltsprache: Englisch. Beziehungsweise, sie versuchen es. Denn in Luxemburg, der Kreuzung in der Mitte Europas, wo die Nordeuropäer auf dem Weg zur Costa Brava tanken, hat der Arbeitsmarkt eine ganz besondere Zusammensetzung, weshalb hier eine besondere Form von „Business English“ geschaffen wird. Ein Pidjin, dessen Syntax und Grammatik die Demographie im Mitarbeiterstab der Kolonialmacht der Big Four widerspiegelt, also sowohl französische, wie deutsche Einflüsse integriert.

So entsteht ein sinnfreier Wortmüll, der Nicht-Eingeweihten den Eindruck vermitteln soll, sie seien nicht intelligent genug, um zu verstehen, was die Eingeweihten zum „hot topic“ der „evolution of productivity and competitiveness in a digital economy“ sagen. Dabei reichen eine Handvoll Ausdrücke, um sich erfolgreich durch einen Empfang in der Handelskammer zu mogeln. Mit „up“ und „downside risks“, „win“ und „lose“ lassen sich mehrere Sätze formen, die den Gesprächspartner beschäftigen, bis der Crémant leer getrunken ist. Zum Beispiel, dass man die „downside risks“ im Auge behalten muss, damit keine „lose-lose situation“ entsteht. Oder dass eine „opportunity“ für die „creation“ einer „win-win situation“ gegeben ist, solange man die „downside risks“ nicht aus dem Blick verliert. Vielleicht sogar „win-win-win“, je nachdem zu wie vielen man gerade um den Tisch steht. „Added“ man ein bisschen „value“, denn die ist schließlich „key“, kann das Gegenüber gar nicht anders, als dieser in drei Sätzen zusammengefassten Wirtschaftsanalyse sowohl der vergangenen als auch der kommenden hundert Jahre zuzustimmen. Und vielleicht sogar zu unterstreichen, wie wichtig dies „in an increasingly global world“ ist. Das, obwohl sogar die katholische Kirche Galileo schon vor 20 Jahren retablierte und bereits die alten Griechen wussten, dass die Erde keine Scheibe ist, an deren Enden fürchterliche Monster aus dem Meer lugen, sondern eine Sphäre.

Dass das Englische das Französische im Luxemburger Alltag immer öfter verdrängt, lässt sich an den Fassaden ablesen. Erst waren es wirtschaftsnahe Einrichtungen, die sich englische Namen gaben, um ein grenzüberschreitendes Publikum anzusprechen, wie Luxembourg for Finance oder Luxembourg for Business. Darauf folgten das House of Finance, das House of Enterpreneurship, das Luxembourg House of Financial Technology, das House of Training, wobei es sich nicht um ein Sportstudio handelt. Mittlerweile gibt es an jeder Ecke ein „House of something or other“, ein House of Comfort für Betten, ein House of Taste für Delikatessen, ein House 17 für Privilegierte und sogar seinen Slip kauft man sich im House of Underwear (wobei man sich die Bedeutung der Vokabel „pants“ vor Gebrauch am Besten einmal von einem Muttersprachler erklären lassen sollte, um Missverständnissen vorzubeugen) und den Schmuck im House of Diamonds. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis eine auf anglophone Expats spezialisierte Immobilienagentur aufmacht, die sich „proudly“ „House of Houses (since 2017)“ nennt.

Doch damit, dass Luxembourg „open for business“ mit der ganzen Welt ist, gibt sich die Regierung nicht zufrieden. Ihr Anspruch ist „quite litterally“ universal. Zum raketenhaften „launch“ ihrer Spacemining-Initiative hatten Staatsminister Xavier Bettel (DP) und Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) das gesamte Universum live zugeschaltet, scheiterten aber dann doch an Fragen aus Übersee, weil sie in der Übertragung den amerikanischen Akzent der Journalisten nicht verstehen konnten.

Dieser Trend zum Radebrechen zeigt sich besonders deutlich in sozialen Netzwerken, wo Bettel beispielsweise mit dem Hashtag „MeetTheFuture“ im Januar live von der Fedil twitterte: „Let’s have an engaging and constructive dialogue, whereby I do welcome critical and constructive thinking.“ Nichts gegen konstruktives Denken im konstruktiven Dialog, aber ist es nicht doch ein wenig naiv, sich von den mitunter sehr ungehobelten Burschen der Arbeitergeberverbände darüber hinaus zu wünschen, dass der Dialog mit ihnen bezaubernd wird?

Dabei ist Bettel längst nicht der erste Prominente, der ins Fettnäpfchen tritt, weil er „lost in transla­tion“ ist. Vor über zehn Jahren fuhr eine Wirtschaftsdelegation zum Handels- und Finanzseminar nach Bahrain. Als der Vorsitzende der Bankenvereinigung von Bahrain sein Luxemburger Gegenüber Jean Meyer fragte, wie denn aus einer verstärkten Zusammenarbeit eine der berühmten „win-winsituations“ entstehen könnte, wenn die Bahrainer ihre Öl-Millionen in Luxemburger Obhut gäben, antwortete Meyer, die Luxemburger zeigten doch schon „good will“ wenn sie nach dem 11. September 2001 überhaupt nach Bahrain kommen würden. Da bis dahin anscheinend noch niemand dem bahrainischen Verantwortlichen so deutlich gemacht hatte, dass man alle Araber für Terroristen hält und sie froh sein könnten, wenn die Luxemburger deshalb bei den Geldwäschebestimmungen ein oder zwei Augen zudrückten, geriet sein golddurchwirktes Keffiyeh ein wenig ins Zittern und Meyer musste sich mit dem Angebot einer besonders verstärkten Zusammenarbeit entschuldigen (von der nichts mehr gehört wurde, seit die sunnitischen Herrscher 2011 Panzer einsetzten, um schiitische Demonstranten auseinanderzutreiben...).

Rezentere Beispiel für den Einsatz von schlechtem Englisch sind der Slogan für die Luxemburg-Werbekampagne und die umgetaufte Frühlingsmesse. Obwohl der Sportschuhgigant Nike oder der Erfrischungsgetränkehersteller Coca-Cola vormachen, dass ein guter Slogan aus drei Wörtern wie „Just do it.“ oder „Taste the feeling“ besteht, entschieden sich die Macher der Luxemburg-Kampagne wahrscheinlich wegen des nicht ganz subtilen Wortspiels zwischen „Let’s“ und „Lëtz“ (get it?) für „Let’s make it happen“. Weil das Wirtschaftsministerium verlautbart hat, dass alle staatlichen Stellen diesen Slogan in ihren Kommunikationen übernehmen müssen, teilten die Rettungsdienste kürzlich in der ihnen eigenen Mitteilungsweise mit, es habe ein „Accident de circulation“ gegeben. Dabei sei eine „personne brûlée dans la voiture“. Die Frau wurde tot geborgen. Darunter prangte der farbenfrohe Spruch „Let’s make it happen!“.

Der Messeveranstalter Luxexpo, seit Kurzem mit dem treffenden Zusatz „– the box“ (im Englischen versteht man unter „box room“ ein fensterloses Zimmer von der Größe eines Besenschranks), taufte kürzlich die Frühlingsmesse in Springbreak um, und musste deshalb schon vor der Eröffnung Spott über sich ergehen lassen. In den USA, und damit weltweit, ist „spring break“ Synonym für die Semesterferien, in denen sich Studenten, gerne in Strandnähe, betrinken und möglichst viel Sex haben.

Deshalb rechtfertigte sich das Marketinggenie, das sich diesen Namen einfallen ließ, ebenfalls schon im Vorfeld in Interviews, dies sei ein Missverständnis, und „spring break“ stehe allgemein für Frühjahrsferien. Aber der Algorithmus einer US-Techfirma, der im Herzen Europas ein verstärktes Interesse am dem Begriff entdeckt hat, gibt ihm Unrecht. Seit ein paar Tagen schaltet das Sozialnetz Instagram auch bei Luxemburger Nutzern Werbevideos für spring break in Mexiko, in denen eine vollbusige Blondine vormacht, wie man Insekten mit Tequila hinunterspült. So goes that in the digital economy. Deshalb auf Deutsch und unmissverständlich: Danke für die Titten auf den Telefonen, Luxexpo!

Michèle Sinner
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