„Überall ist Afrin“, steht an einer Hauswand. In einem Bezirk in Wien, in dem junge, gut gelaunte Leute durch den lauen Herbstabend schlendern, rechts und links Lokale, Terrassen, Heiterkeit liegt in der Luft. Afrin, da war doch was? Aah ja, aah ja, Afrin, hab schließlich mal eine „Zeitzeugin“ dazu geschrieben … Aah ja, Kurdistan, und dann doch nicht Kurdistan. Dann Einmarsch der Türken.
Überall ist Afrin! Sicher nicht, denke ich, während ich dem lässigen Treiben zuschaue, selber Teil des Treibens bin. Hier ist nicht Afrin, Gott sei Dank. Und in unserm Bewusstsein ist auch nicht Afrin, es ist nicht in unsern Köpfen, nicht in unsern Herzen, was zugegeben etwas pathetisch klingt, was sollen wir noch alles auf dem Herzen haben? Afrin, was ist da eigentlich los jetzt? Da sind ja die Türken rein, ja, und dann? Da sind ja die Türken rein, mit Panzern.
Dann, jetzt im November, flackert Afrin wieder auf, kurz, auf unserm inneren Bildschirm. Ein paar Kurd_innen stehen hier und da herum mit ernsten Gesichtern, irgendwas muss da wieder sein, irgendwas ist immer da, nur was? Die Medien berichten darüber nicht, rügen die, die jetzt ganz schnell alles über die tollen, toten Kämpferinnen in Rojava wissen wollen. Außer vielleicht mal um drei Uhr in der Nacht in einem rasend tollen Themenschwerpunkt auf Arte. Und sie erwägen, aufzubrechen ins wilde Kurdistan, um sich ein Bild zu machen. Alles muss man selber machen. Aber dann kommt wieder etwas dazwischen.
Schon ist wieder Mid-terms und Herbstferien und Merkelmunkeln, und verdorrte Kinder aus dem Jemen werden auf Facebook präsentiert. Ja, Jemen. Der auch noch. Was ist eigentlich mit dem? Keine Ahnung, manchmal sieht man so Menschenbündel, und alle sind entsetzt, aber dann sind die Menschenbündel schon wieder entsorgt. Weihnachten steht vor der Tür! Besser als Flüchtlinge.
Theresa May tanzt in Afrika, dann noch einmal selbstironisch in England. Bayerische Grüne tanzen in Lederhosen. In Deutschland gibt es Merkelmeucheln, allerdings etwas schleppend, mit den bleichen Kerlen, die um ihren Thron schleichen. Dafür ist Trump garantiert lustig, grusellustig. Kürbiswitze mit Trump, likelikelike, köstlich. Unser Außenminister flucht für einen guten Zweck, Europa ist beeindruckt. Während der Vorsitzende der EU-Kommission küsst und schwankt und Schwänke serviert. Die Luxemburger unter den Europapolitikern sind noch waschechte Persönlichkeiten, sie gehören noch nicht der Generation der Austauschbaren und Abwaschbaren an, sie haben noch ihre eigene Stillosigkeit. So ist immer was los, es wird nicht fad, es wird uns was geboten, leider kommen wir dann nicht mehr dazu, uns mit Hintergründigem oder Tiefgründigem zu befassen. Oder gar Abgründigem. Wo die Oberfläche so lustig glänzt. So viel Slapstick, Merde alors!
Gags, Gags, Gags! wo wir hinschauen. Nur die Saudis übertreiben dann doch, die europäischen Verbündeten tupfen sich die Mundwinkel mit der Serviette ab, dezent angeekelt. Muss das denn sein? So was macht man zuhause. Es gibt immer Verbündete, die sich nicht benehmen können. Deshalb also die Kinder aus dem Jemen, kombinieren die Schnellchecker_innen, das Spotlight richtet sich jetzt auf die Saudis. Alle hinschauen, aber wirklich! Böse, richtig böse. Nicht nur wegen der Hinrichtungen freitags vor der Moschee. Das ist bei denen eben so, das ist Tradition, Kulturgut. Jetzt böse in echt. Und die Kinder dürr wie altes Holz. Und alle Emojis weinen, aber bevor wir Jemen gewikipediat haben, weinen sie wieder wegen armer Affen.
Gerade hat der UN-Menschenrechtsrat in Genf das saudische Regime ausdrücklich gelobt, es sei so gut in Menschenrechten. Wahrscheinlich wegen dem Feminismus, die Frauen dürfen Auto fahren, eine Roboterin wird Staatsbürgerin.
Theresa, bitte tanz! Bitte Donald, mach den Kürbis! Jang, sag Merde alors! Einmal noch.
Gags, Gags, Gags! Damit wir endgültig gaga werden. Es ist sonst wirklich nicht auszuhalten.