Die Rolle der Bankenaufsicht CSSF

Weitsicht

d'Lëtzebuerger Land du 01.01.2016

Es sei wirklich dringend notwendig, dass große Firmengruppen, die sowohl Finanz- als auch andere Aktivitäten durchführten, auf konsolidierter Ebene überwacht würden, sagt Jean Guill, Noch-Direktor der CSSF (siehe Seite 8). Das auch, um zu überprüfen, ob sich die verschiedenen Sparten eines Konzerns nicht zu marktunüblichen Bedingungen finanzierten. Wenn ausgerechnet der Leiter der Luxemburger Finanzaufsicht solche Aussagen macht, kann das überraschen. Denn zu diesen Gruppen gehören Konglomerate wie der zusammengeklappte Espirito-Santo-Konzern, dessen getürkte Bilanz beim Luxemburger Firmenregister hinterlegt war. Und wenn Guill hinterfragt, ob und wie sich Sparten eines Weltkonzerns mit billigen Krediten versorgen können, sollen, dürfen, ohne das Bankensystem zu nutzen, stellt er in etwa die gleichen Fragen wie die EU-Wettbewerbsbehörden im Fall Fiat, gegen deren Entscheidung die Luxemburger Regierung in Revision geht.

Damit spricht Guill ein Problem an, das im Zuge der fast schon wahnähnlichen Diskussion um Steuerhinterziehung und -gerechtigkeit bisher nicht nur in Luxemburg fast gänzlich ignoriert wurde: Dass die juristische Form der Beteiligungsgesellschaften es Großkonzernen erlaubt, sich jenen Kontrollen und Regeln zu entziehen, die aufgestellt wurden, um die Stabilität im Finanzsystem zu garantieren. Dass sie Unternehmen mit Milliardenumsätzen erlaubt, Bilanzen beim Firmenregister einzureichen, die nicht ausführlicher sind, als die eines Gemüsehändlers und, die wie Letztere, von keiner Kontrollinstanz geprüft werden.

Weil solche Kontrollen weder in der nationalen Gesetzgebung, noch in den europäischen Richtlinien vorgesehen sind, hat die CSSF das Thema mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) diskutiert, in der Hoffnung, dass der IWF es beim G-20 anspricht und in der Folge in Brüssel nach Lösungen gesucht wird, die irgendwann in nationales Recht umgesetzt werden.

Wenn die CSSF über Washington und Brüssel versucht, sich die notwendigen Kompetenzen zu verschaffen, um solche Konglomerate überwachen zu können, liegt das natürlich auch daran, dass die Frage, wie solche globalen Strukturen besser überwacht werden sollen, sich nicht nur im kleinen Luxemburg stellt. Es lässt allerdings auch tief blicken, über den Verständnisgrad und das Niveau der Debatte hierzulande.

Dass sich Jean Guill dennoch auf dieses Terrain vorwagt, verlangt Weitsicht und Mut, die weit darüber hinaus gehen, und zeigt, wie sehr sich die Finanzaufsicht seit der großen Krise verändert hat. Guills Vorgänger Jean-Nicolas Schaus hatte Wochen vor ihrem Ausbruch unter dem wohlwollenden Blick von Finanzminister Luc Frieden (CSV) im Frühling 2008 einem Publikum internationaler Bankdirektoren erklärt, die CSSF sei eine Behörde, die „business-friendly“ sei. Eine Aussage, deren unangenehmer Beigeschmack, sich nach den Bankenrettungen und -insolvenzen, nach dem Madoff-Skandal erst voll entfaltete.

Wenn Guill, der in wenigen Wochen in den Ruhestand geht, über die völlige Neuaufstellung der CSSF spricht, die unter seiner Führung in den vergangenen sechs Jahren stattgefunden hat, verweist er auf die Bankenunion, den gemeinsamen Aufsichtsmechanismus bei der EZB, und betont, sie habe im Rahmen der Umbauarbeiten der europäischen Aufsichtsstruktur stattgefunden. Das stimmt. Doch dass die CSSF heute als Teil des Systems gut funktioniert und ernst genommen werden kann, ist sicherlich auch das Verdienst derjenigen, die die CSSF während dieser Umbauarbeiten geleitet haben. Denn oft genug überlässt der Gesetzgeber es ihnen, pragmatische Lösungen zu finden, indem er wichtige Richtlinien nicht rechtzeitig umsetzt. Oder es verpasst, überhaupt den Rechtsrahmen der CSSF an die neue europäische Aufsichtsarchitektur zu adaptieren.

Michèle Sinner
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