Alfi-Präsidentin Denise Voss

Vorsorgeprinzip

d'Lëtzebuerger Land du 27.11.2015

Nach 25 Jahren in Luxemburg hat sich Denise Voss diese typische amerikanische Offenheit bewahrt. Seit ein paar Monaten ist die Co-Chefin von Franklin Tempelton Präsidentin der Alfi – die erste Frau an der Spitze der Investmentfondsvereinigung. Einfacher Haarschnitt, diskretes Make-Up, Blazer und schwarze Hose – Denise Voss strahlt Professionalität und Bodenständigkeit aus.

Nach Luxemburg kam die Amerikanerin „wie so viele, für zwei Jahre, die dann für immer bleiben“, wie sie schmunzelnd sagt. Eigentlich hat Voss Psychologie studiert. Doch nach einigen Praktika entschied sie, sie sei für diesen Bereich nicht besonders geeignet. Weil ihr Mathematik lag, absolvierte sie einen Master in Buchhaltung und kam so zur Buchprüfergesellschaft Coopers & Lybrand, einer der Firmen, die später in PWC aufgingen.

Da sie auch Französisch studiert hatte, schickte sie ihr Arbeitgeber 1990 nach Luxemburg. Der amerikanische Asset Management Markt war bereits stark entwickelt, man sah sich nach neuen Möglichkeiten, neuen Märkten um. In Europa war kurz zuvor der europäische Standard für Kleinanlegerfonds Ucits festgelegt worden. Die Luxemburger Wirtschaft war nach der Stahlkrise immer noch im Umbau und die Fondsbranche eine der neuen Wirtschaftsnischen. „Eine aufregende Zeit“, wie sie sagt, und eine „großartige Möglichkeit“. Hier traf sie auf Marie-Jeanne Chèvremont-Lorenzini, spätere Managing Partner von PWC und eine der Führungspersönlichkeiten der Finanzdienstleistungsbranche schlechthin. „Ein Vorbild“, hebt Voss hervor, das ihr die Integration leichter gemacht habe.

Vor ihrer Wahl zur Alfi-Präsidentin war Voss während Jahren in den verschiedenen Komitees der Vereinigung engagiert. Nach der Finanzkrise (und auch nach dem Madoff-Skandal) lag der Fokus der Branche sowie ihres Verbandes in den vergangenen Jahren auf der Regulierung. Das Augemerk soll deshalb laut Denise Voss in den kommenden Jahren wieder auf dem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen liegen. Als Vorsitzende ist ihr die Verbraucheraufklärung, die „Gelderziehung“, ein ganz besonderes Anliegen. Sie bedauert ausdrücklich, dass es keine nationale Strategie zur Gelderziehung gibt, jungen Leuten der vorsichtige Umgang mit Geld nicht beigebracht werde. Denn das führt ihrer Ansicht nach letztlich dazu, dass die Verbraucher die Altersvorsorge weiterhin dem Staat überlassen. Ob die staatlichen Pensionssysteme in Zukunft weiterhin so hohe Renten wie jetzt auszahlen können, stellt sie in Frage. „Außer es explodiert etwas“, würden die Verbraucher nicht umdenken und privat vorsorgen, bedauert Voss.

Auch auf europäischer Ebene setzt sich Voss für diese Themen ein; im europäischen Branchenverband Efama für die Finanzerziehung und die Anlegeraufklärung, bei der EU macht sich die Alfi für ein Modell europäischer Pensionsfonds stark, das „lebensfähig sein soll und von einem Land ins andere übertragbar“. Die Frage, ob sie eine Drohkulisse aufbaue, in der die staatlichen Rentensysteme kollabierten, damit die Arbeitnehmer auf der Suche nach Alternativen Pensionsfonds von Alfi-Mitgliedern kauften, die nicht unbedingt eine größere Sicherheit böten, wehrt sie ab. Natürlich müssten die Anbieter etwas verdienen, „aber immer im Rahmen der geltenden Verkaufsbestimmungen“, ein Risiko bleibe immer, „eine Garantie hat ihren Preis“.

Michèle Sinner
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