Kinder mit besonderem Förderbedarf

Und wir?

d'Lëtzebuerger Land du 08.05.2020

Wo bleiben die Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen?, fragte eine Mutter. Soeben hatte sie den Newsletter des Erziehungsministeriums vom 16. April erhalten, in der die allmähliche Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten angekündigt wurde.

Doch derselbe Newsletter hielt kaum Informationen für sie und ihre 15-jährige behinderte Tochter bereit, die in Nicht-Coronazeiten in einer Sonderschule betreut wird (Kompetenzzentrum). „Wir bekamen erstmalig Aufgaben und Lerntipps nachhause geschickt“, lobt die Mutter, die selbständige Beraterin ist. Weil aber alle anderen unterstützenden Leistungen mit dem Lockdown plötzlich unmöglich wurden, hieß es für die Familie: Rundum-Betreuung der pflegebedürftigen 15-Jährigen, neben dem Job und dem Haushalt. Das ohne Pause. Und die ständige Sorge, das Kind könnte vor Corona erworbene Fähigkeiten und soziale Kompetenzen durch die Isolierung und die mangelnde Praxis wieder verlernen.

Wie der Beraterin geht es vielen Mütter und Vätern von Kindern mit besonderen Förderbedarf derzeit. Die sonderpädagogische Abteilung im Erziehungsministerium hatte im Lockdown, so wie bei Kindern der Regelschulklassen auch, ihre Lehrkräfte dazu angehalten, in engen Kontakt mit den förderungsbedürftigen Kindern und ihren Eltern zu bleiben. Es wurden Denkaufgaben und Spielanregungen geschickt, aber auch individuell beraten, wenn etwas mit dem Homeschooling nicht so klappte, wie es sollte.

In vielen Fällen ging die Rechnung auf und Eltern haben die Zeit einigermaßen überbrücken können. Doch für berufstätige Mütter und Väter mit Kindern, die neben dem pädagogischen Förderungsbedarf zusätzlich Hilfe und Pflege benötigen, etwa weil sie sich nicht eigenständig anziehen, nicht allein auf die Toilette gehen oder essen können, erfordert der wochenlange Lockdown enorme Kraft, stählerne Nerven und eine sehr gute Organisation.

Doch das kann kaum den zwischenmenschlichen Kontakt mit Klassenkameraden ersetzen, der für Kinder mit Förderbedarf besonders wichtig ist, um Regeln im Miteinander einzuüben, sich zu spielen oder eigene Fähigkeiten zu testen und aufzubauen. Ab 25. März kehren auch sie in ihre Gruppen zurück, „mit angepassten Schutzmaßnahmen“, betont Laurent Dura, Leiter der sonderpädagogischen Abteilung im Ministerium. Das ist eine Herausforderung, denn „die Heterogenität unter Kinder mit Förderbedarf ist groß“: Sie reicht von Hilfen für schwerst geistig Behinderten bis zu hochbegabten Autisten. Letztere könnte der Ausnahmezustand und damit verbundene neue Regeln so verunsichern, dass Eltern sie lieber noch zuhause sähen. Sich plötzlich in einer anderen Lerngruppe wiederzufinden, erschüttert möglicherweise wichtige Routinen. Manche Kinderpsychologen haben daher begonnen, solchen Kindern Atteste für ein verlängertes Homeschooling auszustellen. Allerdings: Autismus zählt nicht per se zu jenen Vorerkrankungen, die zur Einstufung als Risikogruppe und dadurch zum Homeschooling berechtigen. „Die Schulpflicht gilt zunächst einmal für alle“, betont Dura. Sicherlich werde es Kinder geben, „da müssen wir sorgfältig abgewägen zwischen dem Recht auf Bildung und ihrem persönlichen Schutz“, räumt der Beamte ein. Das werde genau geprüft. Noch etwas ist ihm wichtig: Kinder mit Förderbedarf werden an den geplanten Covid-19-Testreihen in den Schulen teilnehmen. „Nur so können wir erfahren, wie sich das Virus in diesen Gruppen verhält“, unterstreicht Dura.

Diejenigen Kindern, die die Regelschule besuchen, werden von den Teams von Ergotherapeutinnen und Logopäden, Erzieherinnen und Sonderpädagogen aus den Kompetenzzentren begleitet, kündigte Erziehungsminister Claude Meisch am Dienstag an, wenn auch in deutlich kleineren Gruppen. Die Betreuung von Kindern in den vier dann wieder geöffneten sonderpädagogischen Einrichtungen (Kompetenzzentren) sei indes komplexer. Man sei dabei, gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium adäquate Schutzmaßnahmen zu definieren, so Meisch. In einzelnen Fällen werde es beim Fernunterricht bleiben, so der Minister weiter; das gelte insbesondere für Kinder, die wegen ihrer Behinderung oder bestimmten Vorerkrankungen zur Covid-19-Risikogruppe zählen.

Ines Kurschat
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