Cabarenert

Als der Fuchs das Unkraut fraß

d'Lëtzebuerger Land du 02.03.2000

Eine neue Kabarett-Truppe gibt sich dieser Tage ein Stelldichein im Café-Théâtre Albert Mousel: Cabarenert. Eigentlich ist es ein altes neues Ensemble. Letztes Jahr feierte quasi die gleiche Formation mit dem Programm Neuros 2000 an der gleichen Stelle einen großen Erfolg. Damals lief das Ganze unter dem Namen Cabarett JB mat Äis. Oberhaupt war Josy Braun; weil dieser aber inzwischen beschlossen hat, nicht mehr auf die Bretter, die die Welt bedeuten, zu steigen, drängte sich die Frage nach einer neuen Struktur auf. Erhalten bleibt uns Josy Braun trotzdem, stammt doch ein Großteil der Texte und Gedichte des neuen Programms Onkraut vergeet net aus seiner Feder. Roland Gelhausen und Jay Schlitz zeichnen ebenfalls für eine Reihe von Texten verantwortlich. Vorgetragen wird das Programm von Josée Klincker, Monique Melsen, Roland Gelhausen und Pascal Granicz.

Leicht haben sie es nicht, als frischgebackene Kabarett-Truppe, denn das beste Kabarett kommt doch wohl zur Zeit frisch und unverfälscht vom Un-Krautmarkt selbst, wird behauptet. Womit klar ist, dass es sich hier um hochpolitisches Kabarett handelt. Nach einer Hommage an Renert und einem frei nach Michel Rodange umgestalteten Gedicht, wird es bitterböse. Keiner bleibt verschont.

Ein chronisch lungenentzündeter Justizminister hat die großartige Idee, auf Haebicht, nachdem das Projekt Mülldeponie endgültig begraben wurde, ein Flüchtlingslager zu bauen. Wie das aussehen soll, wird an dieser Stelle nicht verraten. Ein neues Marketingkonzept vom City Tourist Office ist schlicht zum Schreien. Mit einem trendigen Triathlonvorschlag für die etwas weniger sportliche Ehegattin, wird unter dem Motto "Shopping, Lifting and Drinking" geworben. Zuerst shoppen in der Oberstadt, dann mit dem Lift hinunter in den Grund. Die Bedeutung von Drinking muss wohl nicht weiter erklärt werden. Dass der Posten des Außenministers nur aus Bananenpflücken bestehen würde, hätte sich Lydie Polfer nicht träumen lassen. Wäre sie doch nur Bürgermeisterin geblieben.

Mit einem fast liebevollen Auge wird noch einmal ein Politiker hervorgekramt, der von Brüssel über Luxemburg nach Strassburg entschwand. Hier erleben wir eine private Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Gattin. Der Luxemburger und seine Spendefreudigkeit und wie man das Splitting-Verfahren auf die Spitze treibt, sind weitere interessante Themen.

Das Sahnehäubchen des Abends ist ein fiktives Fernsehinterview zwischen den Spitzenkandidaten von CSV und LSAP in der Gemeinde Esch kurz vor den nächsten Gemeindewahlen im Jahre 2005.

Ein vergnüglicher Abend, wobei im Saal derart gelacht wurde, dass man die Akteure kaum noch verstand. Hier und da wären ein paar klare und präzise Regieanweisungen eines Außenstehenden nicht schlecht gewesen und hätten das Ganze perfekt abgerundet. Zumal jene Nummern, die nicht  reiner Vortag, sondern eine szenische Umsetzung sind, damit umso besser geraten wären. Die Bühne ist nun mal sehr klein und mit einem Tisch und zwei Stühlen versehen; für vier Akteure wird es ab und zu sehr eng.

Trotzdem sollte man sich den Abend auf keinen Fall entgehen lassen. Wie schnappten wir von einem Zuschauer am Ende beim Verlassen des Saales auf? "Elo huet Lëtzebuerg och säin Scheibenwischer". Wenn das kein Kompliment ist!

 

Weitere Vorstellungen sind am 9, 10, 11, 15, 16, 17, 18 und 21. März 2000  im Café-Theâtre Albert Mousel, 1a rue Beaumont, gleich neben dem Kapuzinertheater, jeweils um 20.30 Uhr. Platz-reservierungen unter Tel. 46 03 03

 

Joël Seiller
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