Europäische Kommission

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d'Lëtzebuerger Land du 19.07.2019

Am Morgen ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa. Am Abend reichte es dann knapp über den Durst. Die Abstimmung im Europäischen Parlament gewann sie am Dienstag dieser Woche knapp, doch das Ergebnis zählt: Ursula von der Leyen wird am 1. November Jean-Claude Juncker als Präsidentin der EU-Kommission folgen. Sie ist die erste Frau in diesem Amt und nach Walter Hallstein, der in den 1960-er-Jahren Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war, die zweite Deutsche auf einem europäischen Chefsessel.

Die Erwartungen an von der Leyen sind hoch. Doch wenn es eine Eigenschaft gibt, die sie mit ihrer Mentorin Bundeskanzlerin Angela Merkel teilt, dann ist es die, dass ihre politische Überzeugungen schwer einzuordnen sind. So blieb bei ihrer Rede im Europaparlament am Dienstag der fade Beigeschmack, dass die designierte Kommissionspräsidentin den verschiedenen Fraktionen und Parteien im Parlament nur nach dem Mund rede, um die nötige Mehrheit zusammenzubekommen. Jedoch im Gegensatz zur konsensorientierten Bundeskanzlerin scheut sich von der Leyen nicht, auch auf Ablehnung zu stoßen und Konflikte einzugehen, um diejenige Politik durchzuziehen, die sie für richtig hält.

Die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin hat ein großes Talent darin, Politik medial darzustellen, zu erklären und begreifbar zu machen. Welche Politik das sein wird, oder was von ihrer Bewerbungsrede übrigbleiben wird, das werden die Jahre zeigen. Doch von der Leyen hat auch ein Talent darin, zu scheitern, den Überblick zu verlieren und sich in Details zu verlaufen. Die Affären, die sie als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt über die deutsche Bundeswehr anhäufte, lassen ihren Politikstil in weniger gleißendem Licht erscheinen. Zu viele Beraterverträge, zu viele persönliche Bekannte, die von diesen Verträgen profitierten, zu viele ungelöste Probleme, die sie gerne ausgesessen hat. Nun folgt ihr Annegret Kramp-Karrenbauer im Amt, die etwas glücklose Parteivorsitzende der CDU.

In den nächsten Wochen und beiden Monaten muss von der Leyen nun ihr Arbeitsprogramm für die folgenden fünf Jahre ausarbeiten und ihr Team aus Kommissarinnen und Kommissaren zusammenstellen. Außer Deutschland schlägt dabei jeder der anderen 27 Mitgliedsstaaten einen Vertreter vor. Als Kommissionschefin kann von der Leyen Kandidaten ablehnen. Im Vorfeld ihrer Wahl hat sie bereits zugesichert, den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans und die dänische Liberale Margrethe Vestager „als höchstrangige Vize-Präsidenten der Kommission“, beide Spitzenkandidaten bei der Wahl im Mai, aufzustellen.

Ein besonderer Arbeitsauftrag wird an das Europaparlament gehen: eben das Spitzenkandidaten-Verfahren für kommende Wahlen rechtssicher zu machen und demokratisch zu legitimieren. Ein Manko bei der vergangenen Wahl war, dass etwa der Spitzenkandidat der konservativen EVP-Fraktion Manfred Weber selbst in seinem Heimatland nur wenig bekannt war. Das zeigt, dass das System nur dann sinnvoll ist, wenn es länderübergreifende Wahllisten gibt und die Spitzenkandidaten in allen EU-Staaten wählbar sind. Doch ausgerechnet die EVP hat diese Forderung abgelehnt. Zudem hat das Spitzenkandidaten-System keine Grundlage in den EU-Verträgen. Unter den Zugeständnissen, die von der Leyen am Dienstag machte, ist die Zusage, das Spitzenkandidaten-Procedere zu verbessern und sichtbarer zu machen sowie transnationale Listen einzuführen. Außerdem versprach sie, dem Parlament de facto ein Initiativrecht für Gesetzesvorhaben einzuräumen. Sie verpflichte sich, jeden Vorschlag in einem Rechtsakt aufzugreifen, der eine Mehrheit der Abgeordneten findet. Dies sind weit mehr Zugeständnisse an die Demokratisierung der EU, als sie etwa ein Kommissionspräsident Manfred Weber angeboten hätte.

Martin Theobald
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