Wird die CO2-Steuer einen Aufschwung bei Energiespar-Investitionen in Altbauwohnungen bringen?
Das ist auch eine soziale Frage

Weg von Öl und Gas

Öltanklager in Bartringen
Photo: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land du 29.01.2021

Seit vier Wochen ist die CO2-Steuer in Kraft. Energieminister Claude Turmes (Grüne) stellt fest: „Ihre Einführung ging recht glatt über die Bühne.“ Was für ihn auch zeigt, dass die soziale Kompensation, auf die sich die Regierung geeinigt hatte, „auf Akzeptanz stößt“. Der Steuerkredit für einkommensteuerpflichtige Lohnabhängige und Selbstständige wurde um 96 Euro erhöht, die Teuerungszulage wurde um zehn Prozent angehoben. Das Statistikinstitut Statec hatte im Oktober ausgerechnet, auf diese Weise werde im untersten Einkommens-Quintil die neue Steuerlast vollständig ausgeglichen. Für die 20 Prozent im Quintil darüber entstünden minimale Mehrkosten im Jahr. „So hatten wir uns das vorgestellt“, sagt Turmes dem Land, „jenen zu helfen, die es am nötigsten haben.“ In der Schweiz erhielten alle denselben Ausgleichsbetrag für die dortige CO2-Steuer. „Wir wollten es sozial selektiver machen.“

Der Hintergedanke dabei ist der vom „Lenkungseffekt“: Werden fossile Brennstoffe teurer, entsteht ein Anreiz, auf Alternativen umzuschwenken. Weil sich das nicht jeder leisten kann oder vielleicht vordringlichere Sorgen hat, wird sozial kompensiert.

Doch die Frage stellt sich, ob in absehbarer Zeit auch wer heute eine Ausgleichszahlung erhält, wird umschwenken können. Oder ob Haushalte mit niedrigen Einkommen in Technologien gefangen bleiben, die von gestern sind – ökologisch nicht zukunftsträchtig und wirtschaftlich nur deshalb, weil von den Einnahmen aus der CO2-Steuer die Hälfte zurück verteilt wird.

Nachdem die Regierung im Spätherbst 2019 ihre Pläne für die CO2-Steuer öffentlich gemacht hatte, drehte sich die anschließende Debatte vor allem um die Spritpreise und wie stark sie wohl steigen würden, wenn ab 1. Januar 2021 zu den schon geltenden Benzin- und Dieselakzisen noch der CO2-Preis von 20 Euro die Tonne hinzukäme. In der Autofahrernation war das kein Wunder. Als im Oktober mit dem Staatshaushaltsentwurf für dieses Jahr die endgültigen Steuersätze publik wurden, zeigte sich aber, dass mit 15,6 Prozent die Besteuerung von Heizöl am stärksten zunehmen würde, die von Diesel dagegen um elf Prozent und die von Benzin und Erdgas um jeweils zehn Prozent. Das hat nichts mit Politik zu tun, sondern mit dem Brennwert und dem CO2-Potenzial dieser Energieprodukte. Daraus folgt auch: Wenn, wie schon beschlossen, die CO2-Besteurung nächstes und übernächstes Jahr um jeweils fünf Euro pro Tonne erhöht wird, dann wird sich das erneut vor allem im Heizölpreis bemerkbar machen.

Der Energieminister beruhigt: Auch 2022 und 2023 werde die Hälfte der CO2-Steuereinnahmen unmittelbar zum sozialen Ausgleich genutzt. „Das ist eine Regierungsentscheidung, die bis zum Ende der Legislaturperiode gilt.“ Aber wenn Claude Turmes natürlich nicht wissen kann, wie die nächste Regierung diese Sache sieht, scheint zumindest absehbar, dass mit 30 Euro pro CO2-Tonne nicht Schluss sein wird. Die OECD etwa hält diesen Betrag für die „low-end benchmark“. Sinnvolle Preissignale ergäben sich erst jenseits davon.

Sinnvoll, so betrachtet, wäre dann zum Beispiel, seine Wohnung anders heizen zu wollen als mit Öl oder Gas. Beziehungsweise vor allem anders als mit Mazout, der besonders viel CO2 enthält und sich deshalb tendenziell besonders verteuern dürfte.

Doch so einfach ist das nicht. Schätzungen des Energieministeriums zufolge heizen von den rund 250 000 Luxemburger Haushalten an die 70 000 noch mit Öl. Genau bekannt ist diese Zahl nicht, sie wird aus dem Heizölverbrauch abgeleitet. Fest steht jedoch, dass Ölbrenner nicht nur im ländlichen Raum ihren Dienst verrichten, wo das Gasnetz von Creos und Sudgaz nicht hinreicht – im Ösling etwa sind nur die Gemeinden Clerf, Wiltz und Winseler angeschlossen –, sondern auch in Städten, darunter Luxemburg-Stadt. Doch während Gasheizungen noch installiert werden können, wo das Netz liegt, bleibt in Regionen abseits davon nur der Griff zu Alternativen. Wenngleich die dann zwangsläufig ökologisch sein müssen und bezuschusst werden.

Was dafür infrage kommt? – Holzheizungen zum einen, mit Pellets oder Hackschnitzeln, sagt André Weidenhaupt, Generalkoordinator im Umweltministerium. „Sie erfordern zwar Platz zum Lagern des Holzes, aber der kann angelegt werden, wo vorher der Öltank stand.“ Die andere Möglichkeit sind Wärmepumpen, sozusagen die Umkehrung des Kühlschrankprinzips: Während im Kühlschrank Wärme aus dem Kühlfach gezogen und an die Umgebungsluft abgegeben wird, entnimmt eine Wärmepumpe entweder der Luft oder dem Erdreich Wärme und schickt sie als Heizenergie in die Wohnräume. Für Wärmepumpen nach dem Geothermie-Ansatz, deren Kollektoren im Erdreich versenkt werden, bestehe lediglich eine Einschränkung in Wasserschutzgebieten, sagt Weidenhaupt: „Dort darf der Kollektor nur bis zu einer gewissen Tiefe versenkt werden.“ Doch nur fünf Prozent der Wasserschutzgebiete im Land seien Wohngebiete.

Der Staat lässt sich die energetische Sanierung der Wohngebäude einiges kosten. Eine Holzhackschnitzel- oder Pelletsheizung wird mit 31,25 bis 50 Prozent bezuschusst. Im Programm „Neistart Lëtzebuerg“ zur Konjunkturbelebung nach Corona, in dem es viel um ökologischeres Wirtschaften geht, wurden diese Fördersätze zusätzlich um ein Viertel angehoben. Wer einen Öl- oder Gaskessel ersetzt, bekommt obenauf noch einen 30-prozentigen Bonus. Eine Luft-Wärmepumpe wird zu 32,25 Prozent subventioniert, eine Geothermie-Wärmepumpe zu 62,5 Prozent; auch diese Sätze stiegen mit „Neistart Lëtzebuerg“ um ein Viertel, und der 30-Prozent-Bonus beim Heizungsersatz winkt. Offenbar sprechen die Subventionsregeln, die großzügig aussehen, sich herum: Gilbert Théato, Direktor der Beratungsagentur
MyEnergy, erklärt, im vergangenen Jahr sei „die Zahl der Energieberatungen bei Leuten daheim um 49 Prozent gegenüber 2019 gestiegen“. Allein zwischen Juni und Dezember, nachdem „Neistart Lëtzebuerg“ in Kraft getreten war, seien es doppelt so viele Beratungen gewesen wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Anrufe bei der Telefon-Hotline von MyEnergy hätten in derselben Zeit um 134 Prozent zugenommen.

Neben den staatlichen Hilfen gebe es noch kommunale, sagt Théato. Über beide zusammen informiere MyEnergy seit zwei Jahren mit der App MyRenovation. Drittens vergäben auch die Energieversorger Hilfen, weil eine EU-Richtlinie sie verpflichtet, die Verbraucher beim Energiesparen zu unterstützen. MyEnergy arbeite daran, auch Informationen zu diesen Hilfen in seine App zu integrieren.

Was sicherlich sehr nützlich ist, denn im Energieministerium wird geschätzt, sogar die staatlichen Prämien seien nur bei einem Drittel der Personen, die ein Wohnhaus energetisch renovieren möchten, bekannt. Der Energieminister unterstreicht deshalb, „wir haben eine ganze Reihe von Kommunikationsstrategien“. Die Hilfen von Staat, Gemeinden und Energieversorgern „besser miteinander verzahnen“ lassen, möchte Claude Turmes auch. Denn nach dem Spritexport ins Ausland sind die Energieeinsparungen bei den Wohngebäuden der zweitwichtigste Bereich, um die Klimaziele zu erfüllen. „Wir versuchen, alles zu mobilisieren, damit wir vorankommen“, sagt Turmes. Auch ohne gesetzlichen Zwang, wie eine Verpflichtung zur Sanierung von Altbauten einer wäre.

„Vorankommen“ bezieht sich nicht zuletzt auf den Altbaubestand. Für Neubauten hatte Luxemburg schon vor Jahren unter CSV-LSAP-Regierungen strenge Energiestandards erlassen. Das ging seither immer weiter, ab 2023 werden bei Wohnungs-Neubauten Wärmepumpen Standard. Im Altbau dagegen sind Öl- und Gasheizungen noch die Regel. Und je älter ein Haus ist, desto weniger genügt der Wechsel einer Heizung, sondern muss zunächst die Wärmedämmung des Hauses verbessert werden. Das kann teuer werden, trotz Beihilfen.

Vor allem wenn eine so aufwändige Erneuerung des Hauses nicht möglich ist, kann das auch soziale Probleme nach sich ziehen, wenn die Preise für fossile Energien steigen: Wer in einem Altbau zur Miete wohnt, ist davon abhängig, ob der Besitzer renovieren lässt. Gilbert Théato sagt lakonisch, „da müssen dicke Bretter gebohrt werden“. Der Energieminister hofft, dass die mit dem Budgetgesetz 2021 geänderten Besteuerungsregeln zur energetischen Renovierung von Mietwohnungen anreizen: Die Möglichkeiten zur beschleunigten Abschreibung von Investitionen in Mietwohnungen allgemein wurden zum 1. Januar ein Stück zurückgefahren. Dagegen wurden die zur Abschreibung energetischer Sanierungen aufgebessert. Für diese Arbeiten am Haus gilt überdies der superreduzierte Mehrwertsteuersatz von drei Prozent, und angewandt werden die neuen Regeln nun schon bei Häusern, die zehn Jahre alt sind. Zuvor lag die Schwelle für Steuervorteile bei 20 Jahren.

Trotzdem braucht man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass solche Sanierungen wohl nicht immer getätigt werden. Rentner/innen mit einer kleinen Pension zum Beispiel werden sich die Verbesserung ihres in die Jahre gekommenen Eigenheims womöglich trotz Beihilfen nicht leisten können. Oder junge Leute, die mit Ach und Krach an einen Kredit zum Kauf eines alten Hauses gelangt sind, aber nur Geld für die allernötigsten energetischen Verbesserungen übrig haben und den Mazoutsbrenner im Keller stehen lassen.

Dann kann die Energierechnung zur Last werden. Vermutlich nicht gleich: Wegen der traditionellen Niedrigakzisenpolitik auf Energieprodukte sind deren Endpreise in Luxemburg trotz CO2-Steuer relativ klein. Die EU-Kommission schrieb 2019, alle damaligen Steuern inklusive seien die Heizölpreise für Luxemburger Haushaltskunden die EU-weit niedrigsten gewesen. Die für Erdgas lagen nur in Ländern wie Litauen, Bulgarien oder Rumänien unter denen hierzulande. Die CO2-Steuer wird das erst nach und nach ändern.

Wirtschaftlich betrachtet, wirken in Luxemburg einerseits die hohen Wohnungspreise, andererseits die niedrigen Energiepreise energetischen Sanierungen von Altbauten und einem Umschwenken auf klimafreundliche Heizungen entgegen oder lassen das als eher unwichtig erscheinen. Mit Beihilfen wird versucht, Anreize zu setzen.

Politisch gesehen, aber lauert die Gefahr sozialer Ungerechtigkeiten – wenn nicht gleich, dann perspektivisch. Die Salariatskammer hatte in ihrer Stellungnahme zum Staatshaushalt 2021 Fallbeispiele angeführt; hatte neben Kosten zum Heizen mit fossilen Brennstoffen auch die für Benzin und Diesel einzubeziehen versucht. Heraus kam, dass der Ausgleich für Einkommensschwache über Steuerkredit und Teuerungszulage vermutlich nicht immer funktioniert: Während es bei einem alleinstehenden Mindestlohnempfänger klappt, wäre es bei einem Bezieher einer kleinen Rente von monatlich 2 400 Euro anders, weil er keinen Anspruch auf die Teuerungszulage hätte. In Haushalten mit Kindern würde die Rechnung schnell komplex. Präzise Rechnungen anzustellen, sei leider unmöglich, sagt Salariatskammer-Direktor Sylvain Hoffmann: „Die Datenlage ist grausam.“

Falls unter dem Strich ein Minusbetrag stehenbleibt, ginge es wegen der noch niedrigen Energiepreise um kleine Summen. Die Salariatskammer, sagt Hoffmann, hätte es trotzdem lieber gesehen, wenn die CO2-Steuer in die allgemeine Steuerreform eingebettet worden wäre. „Wir hatten vorgeschlagen, die Kilometerpauschale in einen Steuerkredit Mobilität umzuwandeln.“ Im Übrigen, sagt er, seien von dem um 96 Euro erhöhten Steuerkredit nur 71 Euro eine regelrechte Kompensation: „25 Euro sind wegen der Inflation geschuldet.“

Wie es mit der versprochenen großen Steuerreform weitergeht, weiß wegen Covid keiner. Der Energieminister räumt ein, dass die Regierung mit dem Statec erst begonnen hat, die Datengrundlage zu verbessern. Man wolle, sagt Claude Turmes, besser verstehen, wie Wohnkosten, Heizkosten und Mobilitätskosten zusammenspielen, auch territorial. In anderen Worten, aber das sagt Turmes so nicht: Streng genommen, kam die CO2-Steuer zu früh. Doch weil Luxemburgs Klimaschutzverpflichtungen mit Horizont 2030 ab Anfang dieses Jahres gelten, musste ein politischer Einstieg her. Dass er „recht glatt“ verlief, ist der bisherigen Niedrigsteuerpolitik zu verdanken. Den Rest haben die Öl- und Gasmärkte besorgt, auf denen die Preise wegen der Pandemie noch immer niedriger sind als vor einem Jahr.

Peter Feist
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