Es gibt ein Moma in Luxemburg. Es ist nicht das, was Sie denken. In diesem Moma werden keine Meisterwerke der modernen Kunst gezeigt, auch wenn drei Meister heute Morgen um acht Uhr schon fleißig am Werkeln sind und ihre Produkte ohne Kreativität nicht wären. Es liegt Maschinenlärm in der Luft und riecht, fast könnte man sagen, lecker nach Holz und Kaffee.
Wir sind in der Schreinerei Moma von Guy Masselter in der Aktivitätszone Klengbousbierg in Bissen. Gegründet wurde sie vor zwei Jahren, und schon im dritten Jahr sind die Auftragsbücher voll. „Die Mehrheit der Aufträge kommen im Augenblick von den Gemeinden, aber ich strebe ein ausgewogenes Verhältnis von öffentlichen und privaten Auftraggebern an“, erklärt Masselter. Die Schreinerei hat sich, neben Innenausbau für Büros und Häuser, auf den Umbau von Maisons relais und Kindergärten spezialisiert. Sie baut aber nicht nur ein, sondern entwickelt und produziert eigene Lösungen.
„Der Name setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben meiner Familie“, verrät der Geschäftsführer. Ohne ihre Unterstützung hätte er den für Luxemburger Verhältnisse doch eher ungewöhnliche Berufswechsel nicht vollzogen. Das war 2012 und Masselter 40 Jahre alt. Jetzt oder nie, dachte er sich, wenn er noch einmal etwas ganz Neues beginnen wollte. In Abendkursen holte er Wissen zur Geschäftsführung nach, büffelte Buchhaltung, damit er die Betriebsgenehmigung beantragen konnte, belegte Schreinerkurse. Er entwickelte einen Geschäftsplan, ließ sich von der Mutualité des employeurs beraten. Tagsüber war der studierte Erziehungswissenschaftler einer von 21 Inspektoren im Land und schaute in den Schulen nach dem Rechten. Dabei machte Masselter Bekanntschaft unter anderem mit dem Hamburger Raumgestaltungskonzept der Pädagogin Angelika von der Beek, die diesen Ansatz gemeinsam mit einem Tischler und einer Kindergärtnerin entwickelt hat. Van der Beek arbeitet seit Jahren mit Kindergärtenträgern wie Arcus und dem Bildungsministerium zusammen und war schon viele Male in Luxemburg.
Kernidee des pädagogischen Raumgestaltungskonzeptes der Hamburger ist es, Räume in Grundschule oder Kindergarten so zu gestalten, dass sie dem neugierigen wissbegierigen Kind Themen und Aktivitäten bieten. Dabei sollen sie den „elementaren Grundbedürfnissen der Kinder nach Begegnung, Bewegung, Ruhe, Spiel und Gestaltung Rechnung tragen“, heißt es auf der Webseite der Erfinder. Das Besondere: Weil in einem Raum nicht eine einzelne Klasse ihren Aktivitäten nachgeht, sondern die Räume nach Funktionen aufteilt sind, können sie prinzipiell von unterschiedlichen Klassen genutzt werden, im Idealfall sogar von Erziehern und Lehrern gemeinsam. Einige Grundschulen und Maisons relais im Land erproben dieses Konzept bereits zusammen, es ist nicht immer einfach, weil sich Lehrer und Erzieher mit der Zusammenarbeit teils doch noch schwer tun. Aber wenn sie einmal ihre Rollen gefunden haben, ist es für alle Seiten eine Bereicherung.
Masselter unterstützte diese Idee schon als Inspektor, die Zusammenführung von Raum und Pädagogik begeisterte ihn direkt: „Kinder sind autonom, mit den Funktionsräumen werden sie in ihrer Kreativität, ihrer Neugierde und ihrem Bewegungsdrang unterstützt“, weiß er. So gibt es im Bewegungsraum beispielsweise differenzierte Angebote: vom Hangeln und Balancieren, übers Klettern und Durchkrabbeln bis hin zum Springen oder Zurückziehen. Möbel und Material werden so zu pädagogischen Elementen. Moma hat sich an den Hamburgern inspiriert und das Konzept an Luxemburger Bedürfnisse angepasst. Durch seine langjährige Erfahrung als Pädagoge kann Masselter seinen Kunden nicht nur die pädagogisch-didaktische Seite seines Raumgestaltungskonzeptes exzellent erklären, sondern mit Gemeinden, Lehrern und Erziehern auf Augenhöhe diskutieren und sie nach ihren jeweiligen Bedürfnissen beraten. Sein Team verarbeitet naturbelassenes Holz und hochwertiges helles, umweltfreundliches Multiplex, also Furnier-Sperrholzplatten, die besonders da zum Einsatz kommen, wo Robustheit und Stabilität gefragt sind. In den Kinderkreativwelten wird getobt und gebolzt, da müssen die Materialien eine hohe Belastung aushalten.
Damit die Funktionsräume optimal gestaltet werden können, ist eine frühe Planung, in die sämtliche Nutzer einbezogen werden, wichtig. „Je früher wir dabei sind, umso besser können wir auf Wünsche vor Ort eingehen und sie berücksichtigen.“ Masselter und sein Team arbeiten auf Maß, ihre zum Spielen einladenden Podeste, Schränke, Leitern und Bühnen bauen sie passgenau in den jeweiligen Raum ein. Noch hat er keine Zeit gefunden, um einen Verkaufskatalog zu erstellen, aber auf dem Internetsite unter www.moma.lu gibt es zahlreiche Anschauungsexemplare, alles selbst entwickelt und gebaut. Was auffällt, sind die kreativen Lösungen: Obwohl es immer wieder um das Grundprinzip der Funktionsräume geht, sieht jede Einrichtung, die Masselter und sein Team mitentwickelt und gestaltet haben, ganz individuell aus.
„Wir lassen uns unsere Podeste, Kletterwände, Bühnen zertifizieren, alles von uns wird binnen kürzester Zeit von Luxcontrol abgenommen“, sagt Masselter. Sicherheit wird neben der Pädagogik in Betreuungseinrichtungen groß geschrieben. Nachdem vor mehr als zehn Jahren in Steinsel ein Kind durch ein umgestürztes, unbefestigtes Regal tödlich verunglückte, wurden die Auflagen verschärft.
Masselter und seine Tischlerei tragen zudem das Made in Luxembourg-Label: Wer bei Moma kauft, weiß, er unterstützt ein Luxemburger Handwerksbetrieb von hoher Qualität und zu fairen Preisen. Denn, das ist Privatkunden nicht immer bewusst, wer Anfertigung auf Maß wünscht, zahlt zwar mehr, als wenn er oder sie versucht, die Küche selbst einzubauen, hat dafür oft aber weniger Ärger, und gibt es etwas nachzujustieren, ist das im Service inbegriffen. Auch Moma kommt nicht ohne fachliche Unterstützung aus dem Ausland aus: Das Gros der elf Tischler und Schreiner, die hinten in der Werkhalle an den Maschinen arbeiten, sowie die Buchhalterin (bis vor kurzem die einzige Frau im Betrieb, nun erhielt sie im Sekretariat Verstärkung) kommen aus Deutschland. „Wir würden ja mehr Luxemburger Lehrlinge einstellen, aber finden Sie mal welche“, sagt Masselter. Handwerk hat in der Ausbildung in Luxemburg nach wie vor keinen sehr guten Ruf, trotz reformierter Berufsausbildung und Imagekampagnen der Berufsverbände, etwas das der ehemalige Inspektor bedauert.
Denn qualitativ hochwertiges Handwerk ist, zumal wenn eigene Produkte entwickelt werden, anspruchsvolle Präzisionsarbeit. Bei Moma wird mit 3-D-Programmen am Computer gezeichnet. Um Innenausbau passgenau zu planen, braucht es Statik- und Physikkenntnisse, technisches Knowhow sowie hohes handwerkliches Geschick. Manchmal, wenn ein Kunde nicht direkt über Masselters berufliche Vorgeschichte Bescheid weiß, kommt es zu Begegnungen der etwas anderen Art: Es gibt Menschen mit Vorurteilen, für die Handwerker eher Handlanger und nicht die Profis vom Fach sind. „Die sind positiv überrascht, wenn sie merken, dass mein Team kreativ zu entwickeln und präzise zu planen weiß.“
Die vollen Auftragsbücher geben Masselter und Co. Recht. Die siebenstellige Investition in Maschinen und Halle, die mit Hilfe von Privatvermögen, Banken, sowie staatlicher Anschubfinanzierung für Neugründungen gestemmt wurde, scheinen sehr gut angelegt. „Für mich hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Ich bin zufriedener“, beschreibt Masselter sein neues Lebensgefühl. Beim Staat habe er zwar „jeden Monat mein festes gutes Gehalt“ gehabt, aber trotz Leitungsfunktion als Inspektor nicht dieselbe Verantwortung getragen und vor allem nicht die Herausforderungen gehabt. „Hier geht es viel um Vertrauen und Beziehungen. Wir versuchen, zusammen mit unseren Kunden die jeweils beste Lösung zu entwickeln.“ Das mache Spaß und sei am Ende des Tages befriedigender, findet Masselter. Nur eins macht ihm zu schaffen: Seine Frau und seine beiden Kinder haben ihn in der Anfangszeit nicht oft gesehen und bisher hat das Arbeitspensum nicht wirklich nachgelassen. „Die richtige Work-Life-Balance muss ich noch finden. Das ist mein nächstes Ziel“, sagt Masselter und lacht.