Die gut vier Meter hohe Maschine lässt unaufhörlich Nudeln in einen Trichter rinnen. Von dort rutschen sie in zwei nebeneinander liegende Tunnel und werden schubweise in Verpackungstüten dirigiert. Pro Minute verlassen sechzig 250-Gramm-Packungen die Anlage. Zwei Arbeiter kontrollieren die Verpackungen und sortieren die Päckchen in nebenan bereitstehende Kartons.
Pasta von Maxim in Esch/Alzette gehört zu den Produkten „bien de chez nous“, deren Kauf für viele Luxemburger beinah zum patriotischen Akt geworden ist. So, wie man die Vinaigrette mit Essig von Pundel anrührt und zur Grillwurst Senf aus der Moutarderie du Luxembourg reicht, dürfen es, wenn es um Nudeln geht, nur die von Maxim sein.
Die Nudelfabrik in der Escher Kanalstraße ist mehr als hundert Jahre alt und war, was kaum verwunderlich ist, ein Werk von Italienern. Die Gebrüder Gatti eröffneten den Betrieb 1910, verkauften ihn aber zwölf Jahre später an die Familie Crescentini, die in Schifflingen einen Gemischtwarenhandel besaß. Sie gab den Produkten zunächst den Namen Mavi, eine Verbindung aus Max und Victor, zwei Söhne der Familie, ehe Maximiliano Crescentini 1947 den Betrieb allein übernahm und die Marke Maxim aus seinem Vornamen ableitete.
Natürlich hängt die Geschichte der Pasta aus Esch mit der Einwanderung aus Italien ab Ende des 19. Jahrhunderts und mit der Blüte der Schwerindustrie im Süden des Landes zusammen: Spaghetti waren rasch zubereitet, mit ein paar Tomaten und Petersilie dazu stand ein Arbeiteressen auf dem Tisch. Schon 1925, nur drei Jahre nach der Übernahme der Fabrik, bauten die Crescentinis die Produktion aus. „Damals“, erzählt Dario Battestini, Maxims technischer Direktor, „fand jeden Samstag Direktverkauf ab Werk statt.“ Dann sei im Fabrikhof ein „Guichet“ aufgebaut worden: „Die Kunden kamen mit Fahrrädern und Handwagen und kauften auf Vorrat ein.“
Vor dem Zweiten Weltkrieg produzierte Maxim tausend Tonnen Pasta im Jahr. Der Höhepunkt wurde erst später erreicht. Noch in den 1980-er Jahren lag der Ausstoß bei bis zu 1 600 Tonnen, und in den 1960-er und 1970-er Jahren hatte der Betrieb 46 Mitarbeiter. „Vor der Öffnung der europäischen Grenzen verkaufte Maxim besonders viel“, sagt Dario Battestini. „Viele Italiener fuhren nur einmal im Jahr nach Italien und brachten von dort Pasta im Koffer mit.“ Mehr als zwei bis drei Kilo pro Person aber seien kaum drin gewesen, „man musste aufpassen am Zoll“. Luxemburgs einzige Nudelfabrik profitierte davon.
Heute laufen aus den Maschinen an der Escher Kanalstraße mit 900 bis tausend Tonnen jährlich wieder ungefähr so viele Eierteigwaren wie in den 1930-er Jahren, aber 25 bis 30 Prozent davon gehen in den Export, „nach Belgien und Frankreich“, wie der technische Direktor erklärt. Ein regelrechter Familienbetrieb ist Maxim zwar nicht mehr, aber Geschäftsführer Max Stoisa ist der Sohn von Rinaldo Stoisa, Max Crescentinis Schwiegersohn. Dass die Firma heute nur noch zwölf Mitarbeiter beschäftigt, liegt auch den hypermodernen Maschinen in der Escher Fabrik. Vor zwanzig Jahren habe man den gesamten Maschinenpark ausgewechselt, berichtet Technikchef Battestini. „Seitdem investieren wir regelmäßig alle drei bis fünf Jahre in die Anlagen.“ Entlassen habe Maxim durch die Technisierung aber niemanden. „Wir haben noch nie einen Mitarbeiter entlassen. Das hätte nicht zu unserer Firmenphilosophie gepasst.“
Einfacher sind die Zeiten für Maxim aber nicht geworden. Der europäische Binnenmarkt brachte die Konkurrenz ins Land. Bisher habe Maxim sich gut behauptet, sagt Dario Battestini. Man führe nicht etwa „einen Kampf David gegen Go-liath“: Großkonkurrent Barilla zum Beispiel versuche Maxim in Luxemburg im Kilo-Preis um 17 bis 25 Cent zu unterbieten. „150 Kilometer entfernt von hier, In Belgien und Frankreich, tut Barilla das nicht, wir stören also durchaus und sind nicht nur ein Nischenfabrikant.“
Der Pasta-Hersteller für Luxemburg zu sein – „vor dem Nationalfeiertag haben 99 Prozent aller Läden des Landes garantiert unsere Produkte in den Regalen –, hat aber auch in anderer Hinsicht seinen Preis. Dario Battestini nennt die Vielfalt der Landesbevölkerung „eine Herausforderung“.
Die besteht nicht nur darin, dass die Haushalte kleiner werden, so dass die Ein-Kilo-Familienpackung Spiga nicht mehr der große Renner ist, sondern 250-Gramm-Packungen sich immer besser verkaufen. Mit seiner Palette von heute knapp 150 verschiedenen Pasta-Sorten, Soßen und Tomatenprodukten reagiert Maxim auch auf die immer diverseren Vorlieben in der Bevölkerung und versucht natürlich auch neue zu stimulieren.
Spaghetti seien nach wie vor die meistverkaufte Pasta-Sorte, sagt Dario Battestini, doch vor allem die Italiener würden die „ganz feinen Spaghetti“ schätzen. Portugiesen, habe man beobachtet, würden neuerdings in Suppen immer öfter Muschel-Pasta benutzen. Und während sich „ein Produkt“ in der Moselregion besonders gut verkaufe, sei das „nahe der belgischen Grenze schwierig“. Im Ösling wiederum würden sehr viele „große Nudeln“ nachgefragt. „Vielleicht, weil da viele Niederländer und Belgier hinkommen, denn diese Produkte exportieren wir auch nach Wallonien.“
Weil die Konkurrenz in der Lebensmittelbranche stark ist, sind auch die Escher Nudelhersteller ständig auf der Suche nach Innovationen. Den Übergang in die Ära der Pasta, die auf Wunsch auch Vollkorn oder Bio sein soll, hat Maxim schon vor zwanzig Jahren vollzogen, den zur Pasta auch ohne Ei vor nicht ganz so langer Zeit. Jetzt geht es mehr um neuartige Pasta-Formen. Dass Maxim zurzeit die kleinsten Buchstaben-Nudeln in Europa fertigt, darauf ist Dario Battestini richtig stolz: „Die eignen sich sehr gut für eine Suppe. Vor allem aber ist das eine Riesenleistung bei der Herstellung der Matrizen, die den Nudeln die Form geben.“
Vorsichtiger ist man bei Maxim, was den Eintritt ins Hochpreis-Segment betrifft. Der Technikchef berichtet von Pasta-Prototypen, die bereits entwickelt wurden, über deren Einführung aber noch entschieden werden muss: Muscheln von an die fünf Zentimeter Länge und drei Zentimetern im Durchmesser zum Beispiel. „Das sind Präzisionsprodukte. Man braucht dafür Maschinen vom allerneuesten Schrei und Herstellungsprozesse, bei denen absolut nichts schief gehen darf.“ Sich auf diesen Schritt einzulassen, ist für den Escher Betrieb, bei aller Technisierung, die man schon erreicht hat, auch eine Frage der Rentabilität.
Aber wer weiß: Gäbe es auch Designer-Pasta von Maxim, dann ginge vielleicht eines Tages diese gewisse Volksnähe verloren, die man seit den Gründerjahren noch heute pflegt: Mag der Samstagsverkauf ab Werk auch längst passé sein, „wenn ein Kunde kommt und sagt, ich brauche mal eben ein halbes Pfund Pasta, dann verkaufen wir ihm das. Und wenn wir dafür einen Karton aufreißen müssen“.