Krankenhauspolitik

Die blauen Schattenminister

d'Lëtzebuerger Land du 10.03.2017

Ehe Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) am gestrigen Donnerstagnachmittag um 15 Uhr die Vertreter des Ärzteverbands AMMD empfing, konnte man schon am Morgen in einem Tageblatt-Interview mit ihr lesen: „Zu klären bleibt die Frage der Mitbestimmung der Ärzte in den Spitälern.“ Und es müsse „diskutiert werden“, ob den Klinikmedizinern „zusätzliche Rechte“ zuerkannt würden, wenn ihnen „zusätzliche Pflichten“ auferlegt werden. Gemeint mit „zusätzlichen Rechten“ könnten, wie Lydia Mutsch andeutete, auch Sitz und Stimme für Ärztevertreter in den Verwaltungsräten der Krankenhäuser sein. Diese Entscheidung aber liege beim Parlament. Beziehungsweise dem Gesundheitsauschuss, der seit Mitte Januar den Gesetzentwurf durcharbeitet.

Natürlich waren diese Aussagen als Hinweis an die AMMD gedacht, wo ungefähr man Stunden später nach einem gemeinsamen Nenner suchen könne. Was die Krankenhausmdedizin angeht, verlangt die AMMD nicht nur mehr Mitsprache, sondern mehr Mitentscheidung, was nicht dasselbe ist. Die Forderungen, die sie im Januar publik gemacht hat, reichen bis hin zu jener, dass die Verwaltungsräte der Spitäler zu 50 Prozent aus Professionellen des Gesundheitswesens zusammengesetzt sein sollten, unter ihnen wiederum mindestens zur Hälfte Ärzte. Diese Delegierten würden, ginge es nach der AMMD, nicht nur einen Sitz, sondern auch ein Stimmrecht im Verwaltungsrat erhalten.

Die Tragweite dieser Forderung ist groß: Der Verwaltungsrat ist der „Patron“ jedes Spitals. Er legt nicht nur dessen Strategie fest, er beruft auch Ärzte und desgleichen die Direktion. Für die im Krankenhausverband FHL versammelten Klinikdirektoren ist eine solche Mitbestimmung der Ärzte ein No-Go, wenn sie auch Freiberufler einschlösse, die als Belegärzte sozusagen Subunternehmer in den Spitälern sind. Am Montag erklärte die FHL auf einer Pressekonferenz: Würden die Artikel über die Führung der Spitäler verwässert gegenüber dem, was im Gesetzentwurf steht – und darin steht unter anderem auch, dass die Ärzte sich dem Betrieb Krankenhaus unterzuordnen hätten und es künftig der Generaldirektor sein soll, der Ärzte beruft und entlässt –, dann sei der Spitalsektor „nicht mehr nachhaltig zu führen“.

Weil Lydia Mutsch erst kommende Woche auch die FHL noch einmal trifft, ist kaum damit zu rechnen, dass sich schon diese Woche klärt, wie das Entgegenkommen gegenüber der AMMD aussehen könnte. Aber eine Mitbestimmung der Mediziner, die bis hin zu Sitz und Stimme im Verwaltungsrat auch für Freiberufler reichen würde, kann sich nicht nur der Staatsrat vorstellen. Es ist auch die Haltung der DP.

Und wie die Dinge liegen, führt im parlamentarischen Gesundheitsausschuss an ihr kaum ein Weg vorbei. Nicht nur, weil sie der größte Partner der Regierungskoalition ist, sondern auch, weil die Partei – nicht die Fraktion – eine ganze Arbeitsgruppe zur Krankenhauspolitik eingerichtet hat, die sich jeden Montag trifft und der Ärzte aus bald allen Krankenhäusern des Landes angehören. Und während die Vertreter von LSAP und Déi Gréng im Gesundheitsausschuss am liebsten nur von jenen Artikeln im Gesetzentwurf sprechen, die der Ausschuss schon abgehakt hat, um sich politisch bloß nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, hat DP-Ausschussmitglied Alexander Krieps gar kein Problem damit zu erklären: „Die Ärzte werden mit dem Gesetz Sitz und Stimme in den Verwaltungsräten erhalten.“ Zwei Ärztevertreter sehe die DP für jeden Verwaltungsrat vor sowie zwei Vertreter des paramedizinischen Personals. Darüberhinaus sollten die Verwaltungsräte generell „kompetenter“ besetzt sein, „neben Professionellen aus dem Sektor, mit Juristen und Ökonomen“. Das Stimmrecht für die Ärzte in den Verwaltungsräten wäre für die DP eine wichtige Gegenleistung für die „Unterordnung“ unter die Regeln des Betriebs Krankenhaus. Die im Gesetz festzuschreiben, hält die DP für ebenso wichtig wie Lydia Mutsch.

Dass Belegärzte als Subunternehmer des Spitals mit Verwaltungsratsmandat zu Ko-Patrons und Chefs der Direktion würden – dagegen dürfte der Krankenhausverband sich nächste Woche wehren. Denn es stellt sich eine Grundsatzfrage: Belegärzte sind kaufmännisch selbstständige Akteure im ebenfalls kaufmännisch selbstständigen Spital. Dass sie nicht Ko-Patrons sein könnten, meint die FHL auch mit Verweis auf die Rechtslage: Artikel 171-1 des Gesetzes über die Handelsgesellschaften sieht Geldstrafen bis zu 25 000 Euro und bis zu fünf Jahre Gefängnis vor, falls Betriebsleiter im persönlichen Interesse gegen dasjenige des Betriebs handeln. Da ein freiberuflicher Mediziner als Belegarzt einer Klinik aus dieser Nutzen ziehe, geriete er als Verwaltungsratsmitglied in einen Interessenkonflikt, so die FHL.

Der Gesundheitsausschuss der Abgeordnetenkammer könnte damit um eine langwierige Exegese des Gesellschaftsrechts nicht umhin kommen. Aber selbst wenn am Ende der politische Deal mit der AMMD nicht so weit reichen sollte, Belegärzten eine beschließende Stimme in den Verwaltungsräten zuzugestehen, dürfte die DP als traditionell ärztefreundliche Partei dafür sorgen, dass deren Interesssen nicht zu kurz kommen. Schon das Manöver der CSV, die wochenlang öffentlichkeitswirksam darauf bestanden hatte, dass der Gesundheitsausschuss den aufgebrachten Ärzteverband anhöre, war politisch nicht nur gegen die Ministerin gerichtet, sondern auch gegen die DP und ihre Schatten-Gesundheitsminister. Der Konflikt um die Rolle der Ärzte dürfte in absehbarer Zeit beigelegt werden. Ob dafür eine kluge Lösung gefunden wird, bleibt abzuwarten.

Peter Feist
© 2024 d’Lëtzebuerger Land