Fröhliche Feste, bunte Verkleidung und Musik zum Schunkeln:zur Karnevalszeit herrscht Bombenstimmung. Bombig, allerdings imnegativen Sinne, ist auch die Stimmung bei verschiedenen Sozialinitiativen, die sich von den jüngsten Entwicklungen des Gesetzentwurfs Nr. 5144 überrumpelt sehen. Nicht nur durch die Art und Weise, wie der Text nun schon zum dritten Mal überarbeitet wurde: die Vorschläge hat Berichterstatter Ali Kaes ausgebrütetund der überraschten Parlamentskommission Ende Januar vorgelegt.Laut Alexander Krieps (DP) wurden die Änderungen von denAbgeordneten ohne weitere Diskussion „zur Kenntnis genommen“.
Diskutieren wäre aber das Mindeste gewesen, was man hätte erwarten können, denn der überarbeitete Text birgt einiges an politischem Zündstoff. Eigentlich soll der Gesetzentwurf, der damals noch den schönen Titel „soziale Arbeitslosigkeit“ trug, die Aktivitäten der zahlreichen als Asbl organisierten Beschäftigungsinitiativen, wie des LCGB-nahen Pro Actif und Forum pour l’emploi und des OGBL-nahen Objectif plein emploi (OPE), gesetzlich regeln. Dafür unterschied die im Mai 2003 von Arbeitsminister François Biltgen hinterlegte Erstversion zwischen konjunktureller und sozialer Arbeitslosigkeit. Arbeitslose solltengemäß ihrer Employability künftig in zwei Gruppen eingestuft werden: in Kurzzeitarbeitlose, die mit Hilfe von Fall-Management und betrieblichern respektive betriebsnahen Praktika wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen, und in vom Arbeitsmarkt weit entfernte Arbeitslose, die künftig in „definitiven Strukturen“ aufzufangen seien. Gegen diese Unterscheidung und gegen die Auflage, dass gemeinnützige Assoziationen sichmittelfristig in kommerzielle Unternehmen umwandeln sollen, liefendie Beschäftigungsinitiativen jedoch Sturm (d’Land vom 15.06.07).
Wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Während der OPE seine Tätigkeiten als Beitrag zur „Solidarwirtschaft“ neben dem ersten Arbeitsmarkt versteht und auch so geregelt haben wollte, beharrten andere Beschäftigungsinitiativen, wie der Forum pour l’emploi, darauf, mit ihren Aktivitäten einen Beitrag zum ersten Arbeitsmarkt zu leisten. Den Arbeitgebern der freien Wirtschaftwaren die subventionierten Beschäftigungsinitiativen immerschon ein Dorn im Auge, sie sprechen von unlauterer Konkurrenz.Jeder mobilisierte nach Kräften, dazwischen stand ein christlich-sozialer Arbeitsminister, der angesichts der wachsenden Arbeitslosenzahlen und einer eher dürftigen arbeitsmarktpolitischenBilanz dringend Erfolge braucht. Den Höhepunkt des jahrelangen Hin und Her bildet der nun vorgelegte Entwurf – und es sieht danach aus, als hätten die rot-schwarzen Koalitionäre ihrenallierten Gewerkschaften damit ein üppiges Geschenk gemacht.
Die umstrittene Formel der Sockelarbeitslosigkeit, chômage imcompressible, wurde aufgrund der heftigen Protest fallengelassen. Am Prinzip der Zweiteilung in arbeitsmarktnahe Wiedereingliederungsmaßnahmen und arbeitsmarktferne „sozioökonomische Aktivitäten“ für schwer vermittelbare Arbeitslose aber hält der neue Text fest. Neben dem Contratauxiliaire temporaire (CAT) sind der Contrat d’appui-emploi(CAE) und der Contrat d’initiation d’emploi (CIE) förderungswürdig. Das bedeutet im Klartext: Die als Asbl organisierten Beschäftigunsgmaßnahmen sind weiter im Vorteil.Während sie für einen CIE 85 Prozent aus dem Staatstopf erhalten,werden die CAE-Maßnahmen kommerzieller Gesellschaften lediglich zu 50 Prozent vom Beschäftigungsfonds subventioniert. Die Finanzierung für Personal und Material soll sich künftig am Betreuungsaufwand bemessen statt wie bisher an der Größe der Projekte. Darüber hinaus sollen die Assoziationen spätestensin sechs Jahren in eine Gesellschaftsform zwischen kommerziellem Unternehmen und gemeinnützigem Verein umgewandelt werden – ohne dass im Text steht, wie diese konkret aussieht. Der Skandal war perfekt und die Empörung groß.
Zumal die Stoßrichtung des aktuellen Entwurfs dem oft erklärten Anliegen des Arbeitsministers zuwiderläuft, künftig verstärkt Maßnahmen zu fördern, die betriebsnah organisiert sind. Sollen doch die betrieblichen Eingliederungsmaßnahmen, so hatte eine Ceps-Studie ergeben, auf die sich auch der Arbeitsminister beruft,angeblich die wirksameren sein. So aber würde die von der Wirtschaft beanstandete ungleiche Konkurrenzsituation gesetzlich zementiert; und weil den Asbl sowohl befristete wie unbefristete Verträge erlaubt werden, würde auch der Verbleib in Beschäftigungsmaßnahmen möglich.
Was wiederum dem OPE und seinen „solidarwirtschaftlichen“ Ansatz entgegenkommen dürfte. Da der Minister die neue Marschroute am 15. Januar selbst vorgestellt hat, drängt sichder Gedanke auf,das Manöver könnte mit den gewerkschaftsnahen Beschäftigungsinitiativen abgestimmt sein.
Das streiten deren Vertreter aber entschieden ab. Derartige Vorwürfeseien „Quatsch“, entrüstet sich John Castegnaro, LSAP-Mitglied der Parlamentskommission und Präsident des Objectif Plein Emploi. Es habe keine Absprachen gegeben. CSV-Berichterstatter Ali Kaes verteidigt den Vorgang: „Die Abgeordneten haben dem neuen Text zugestimmt.“ Die Arbeitslosen würden vom Arbeitsamt ausgesuchtund zugeteilt. „Wir haben da keinerlei Einfluss drauf.“ Alle Assoziationen seien sich zudem „im Großen und Ganzen“ über die neue Ausrichtung einig gewesen.
Offenbar hat Präsident des Forum pour l’emploi ein schlechtes Gedächtnis. Denn nur einen Tag nach der Verabschiedung des neuen Texts fand in den Räumen der Handwerkskammer eine Konferenz der Entente des Gestionnaires des Centres d’accueil a.sb.l. (EGCA) statt. Thema der ganztägigen Veranstaltung, an der sich Akteure aus den verschiedensten Sozialbereichen beteiligten:die jüngsten Vorschläge des Familienministeriums zur Neuordnungdes Heim- und Sozialwesens – sowie die Zukunft der Beschäftigungsinitiativen.
Verschiedene von ihnen haben Konventionen mit dem Familienministerium abgeschlossen. Sie wähnen sich jetzt gegenüberdem geplanten 5144- er-Gesetz erst recht im Nachteil. Anders als die gewerkschaftsnahen Beschäftigungsinitiativen, die Ende der 90-er außerhalb des ASFT-Gesetzes entstanden waren, sind die konventionierten Assoziationen an rigide Vorgaben gebunden. Zahlungen an nicht-qualifizierte Teilnehmer derWiedereingliederungsmaßnahmen oberhalb des Mindestlohns beispielsweise sind nicht erlaubt, das Gesetz legt fest, wer wann wie eine Konvention bekommt. Über dieVerhandlungen wachen paritätisch besetzte Gremien. Dieser Rahmen sollte, so war es damals vorgesehen, auch auf die anderen Beschäftigungsinitiativenausgedehnt werden – um gleiche Ausgangsbedingungen für alle zu schaffen.
Daraus wurde aber nichts, wie der Ko-Autor des ASFT-Gesetzes, Serge Eberhard vom Familienministerium bedauerte. Neben ihm in der Diskussionsrunde: Ali Kaes. Der CSV-Politiker wollte von der vorgebrachten Kritik, die gewerkschaftsnahen Beschäftigungsinitiativen würden sich nun ein moderateres, flexibleres Gesetz „ASFT-bis“ maßschneidern, nichts hören und lobte stattdessen die „gute Arbeit“ der Parlamentskommission.Gegenüber dem Land betonte Kaes, das geplante Gesetz sei „transparent“, es verstünde sich „von selbst“, dass staatlich subventionierte Beschäftigungsinitiativen vom Staat kontrolliertwürden. Missbrauch würde dadurch verhindert, dass Initiativen, dieWiedereingliederungsmaßnahmen anbieten und dafür Gelder aus dem Beschäftigungsfonds erhalten, künftig eine Vereinbarung mit dem Arbeitsministerium abschließen müssen.
Genau das wird aber kritisiert: Anders als im ASFT-Gesetz, wo derMinister einen klaren Kontrollautrag hat und von paritätisch besetzten Gremien flankiert wird, entscheidet beim 5144-er-Entwurf der Arbeitsminister allein über Inhalt und Dauer. Nachdem der Staatsrat in seinem Gutachten das aus Ministerium, Arbeitgebern,Adem und Gewerkschaften bestehende Comité de suivi als zu bürokratisch abgelehnt hatte, soll nun ausgerechnet das überlasteteArbeitsamt die komplizierte und personalintensive Vergabepraxis koordinieren und kontrollieren. Der Text sieht dafür die Schaffung von neun zusätzlichen Stellen vor, ein Tropfen auf den heißen Stein.Noch pikanter aber ist, dass der neue Text Beschäftigungsinitiativen, die mehr als drei Jahre alt sind, eine Schonfrist von drei Jahren zur Umstellung einräumt. Sie können vorerst also weitermachen wie bisher.
Dabei hatte der Arbeitsminister seine Gesetzesinitiative mit dem Versprechen begründet, für mehr Transparenz im Sektor zu sorgen. Seit Jahren kursieren Gerüchte, gewerkschafts- und Regierungspartei-nahe Beschäftigungsinitiativen würden es sich aufKosten der Steuerzahler gut gehen lassen. Zwei vom Arbeitsministerium schließlich in Auftrag gegebene Auditskonnten zwar keine Disfunktionen nachweisen, die Wirtschaftsprüfer beanstandeten unter anderem Unregelmäßigkeitenbei der Buchhaltung (d’Land vom 17.1.06).
Aber die Gerüchte halten sich hartnäckig. Das liegt nicht zuletzt am Obskurantismus auch auf anderen Ebenen: So wartet die zuständige Parlamentskommission nach Aussage von Alexandre Krieps noch immer auf den Bericht der Finanzinspektion, wonachcder LCGB 1,5 Millionen Euro zuviel an staatlichen Subventionen kassiert haben soll. Er habe sich nie bereichert, empört sich Ali Kaes. Derartige Vorwürfe seien „dreckiges Gerede“ übel gesinnter Zeitungen. Die satirische Wochenzeitung Den neie Feierkrop hatte am 18. und am 25. Januar über den neuen Text berichtet und den Gewerkschaften Lobbyismus und Selbstbedienung auf Staatskosten vorgeworfen. Der Sektor ist millionenschwer: Der Haushaltsbericht für 2008 beziffert die Ausgaben des Beschäftigungsfonds für die Beschäftigungsinitiativen mit insgesamt rund 25 Millionen Euro.
Die Polemiken und die wütende Gegenreaktionen zeigen dabei vorallem eines: Argwohn und Misstrauen gegenüber der lange Jahre ohne klare Regeln agierenden Beschäftigungsinitiativen sind nach wie vor groß. Gerade deshalb hätte man mehr politisches Fingerspitzengefühl – und transparente Spielregeln für alle – erwarten können. Nicht einmal der berechtigte Einwand, Präsidenten von Beschäftigungsinitiativen, die über ein diesbezügliches Gesetz befinden, liefen Gefahr, Interressenvermischung zu betreiben, kann überzeugen. OGBL und OPE agierten „völlig unabhängigvoneinander“, betont John Castegnaro. Er sitze in der Kommissionals sozialistischer Abgeordneter, nicht als OPE-Präsident. Auch AliKaes verweist auf sein Abgeordnetenstatut. Es sei sein gutes Recht,eigene Vorschläge einzubringen: „Das ist Demokratie.“