Beschäftigungslage

Trendwende

d'Lëtzebuerger Land du 13.03.2008

Von einer seit sechs Jahren erwarteten Trendwende berichtete der die­se Woche veröffentlichte Rechenschaftsbericht für 2007 des Arbeitsamtes. Der Konjunktureinbruch Anfang des Jahrzehnts habe sich nämlich ab Juli 2001 durch eine steigende Zahl von Arbeitsuchenden bemerkbar gemacht, und erst im September 2007 habe der Trend sich umgekehrt, als die Arbeitslosenrate erstmals seit 2001 wieder unter diejenige des Vergleichsmonats des Vorjahrs fiel.

Die Ursache für diese Trendwende dürfte vor allem in der anhaltend guten Wirtschaftskonjunktur zu suchen sein. 2007 wurden monatlich fast 2 000 freie Arbeitsplätze beim Arbeitsamt gemeldet. Gleichzeitig schrieben sich jeden Monat 150 neue Arbeitsuchende weniger ein als noch 2006. Außerdem waren fast drei Prozent weniger Arbeitsuchende in Arbeitsbeschaffungsmaßnah­men eingeschrieben, wozu allerdings auch die Reform der ehemaligen Contrats d’auxiliaire temporaire (Cat) durch das legendäre Tripartite-Gesetz 5611 beitrug.

Über dieser guten Nachricht wird ver­gessen, dass die durchschnittliche Zahl der Arbeitsuchenden selbst ohne Berücksichtigung der 3 863 in Beschäftigungsmaßnahmen eingeschriebenen mit 9 623 noch immer auf einem Rekordniveau lag. Bei allerlei mehr oder weniger klu­gen Reformen, die aus finanzpolitischen und ideologischen Erwägun­gen Invalidenrentner und Behinderte bald in Arbeits­lose, bald wie­der zurück verwandeln. Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit längst kein politisches Thema mehr wie vor einem Jahrzehnt, als bei einer deutlich niedrigeren Arbeitslosenrate die Beschäftigungs-Tripartite zusammeneilte, nach einem „Vollzeitarbeitsminister“, Audits des Arbeitsamtes und apologetischen Theorien über den „atypischen Arbeitsmarkt“ gerufen wurde.

Vielleicht liegt das auch daran, dass sich die Einsicht durchsetzt, dass der Luxemburger Arbeitsmarkt alles andere als atypisch ist. Dank der Freizügigkeit der Arbeitskräfte in der EU hat er sich längst in den Arbeitsmarkt der Großregion integriert. Denn die Arbeitslosenrate lag vergangenes Jahr bei 4,4 Prozent. Rechnete man all jene Arbeitsuchenden hinzu, die mit Mitteln des Staates und der EU zeitweise oder endgültig sozialverträglich vom Arbeitsmarkt weggekauft werden, läge die Arbeitslosenrate wohl auf dem Niveau der Großregion. Weil hierzulande die Gehälter und das Wirtschaftswachstum höher sind und in der Großregion das Quali­fikationsreservoir ungleich größer ist, könnte man auch einen Augenblickt erstaunt sein, dass die Arbeitslosenrate bei der lokalen Bevölkerung nicht noch höher ist.

Denn auch wenn die Schule noch immer ihre Aufgabe, allen Schul­abgängern eine berufliche Qualifika­tion zu verschaffen, bei weitem verfehlt: Schon die Wahrscheinlichkeitsrechnung lehrt, dass unter einigen hunderttausend Leuten in Luxemburg weniger fertig ausgebildete Spezialisten für die Herstellung von Implantaten aus ultrahochmolekularem Polyethylen auf Abruf bereit stehen, als unter einigen Millionen in den Nachbarregionen. Und wenn Arbeitsminister François Biltgen am Montag betonte, dass die Hälfte der vergangenes Jahr neu geschaffenen Arbeitsplätze mit Akademikern besetzt wurde, könnte man auch umgekehrt formulieren: Für die Hälfte der neuen Arbeitsplätze wurden keine Akademiker gebraucht. Selbst in einer hoch entwickelten Dienstleistungsgesellschaft gibt es auch noch wenig oder unqualifizierte Arbeiten, die sich weder automatisieren noch delokalisieren lassen.

Romain Hilgert
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